Die Fuggerschen Stiftungen besitzen rund 3.200 Hektar Waldfläche. Welche Bedeutung haben diese Investitionen für die Organisation, die 2021 ihr 500-jähriges Bestehen gefeiert hat?
Wolf-Dietrich Graf von Hundt: Ohne den Wald gäbe es uns nicht mehr. Das wäre den berüchtigten schwarzen Schwänen geschuldet, die man immer erst im Nachhinein erkennt. Früher hatte die Stiftung ein Depot bei der Fuggerbank – das war gewissermaßen ein Welthandelskonzern mit angegliederter Bank: das Konto St. Ulrich. Heute würde man Charity-Konto sagen. Die Einlagen kamen von den Stiftern Jakob Fugger und dessen Brüdern und dann noch einmal von Anton Fugger. Durch die spanischen und französischen Staatskonkurse und den Dreißigjährigen Krieg ging viel Vermögen verloren, Schuldner fielen aus. Doch dann gab es einen lichten Moment: Die Stiftung kaufte mit dem Restvermögen aus der Tiroler Landschaft Herrschaften in der Augsburger Umgebung. Die Familie Fugger hat das analog getan. So hat das Vermögen überlebt – Inflationen, Kriege, Währungsreformen und gesellschaftliche Umschwünge.
„Historisch waren Kahlschläge keine Seltenheit.“
Wolf-Dietrich Graf von Hundt
Was sind aus Ihrer Sicht die Vor- und Nachteile dieser Assetklasse?
Graf von Hundt: Mit dem Holz wird ein allzeit moderner und zu jeder Zeit benötigter Rohstoff erzeugt. Seit sicher 200 Jahren wird der Stiftungsforst nachhaltig bewirtschaftet. Seit der Zeit wird ein nachhaltiger positiver Finanzstrom für die Stiftungen generiert. Das können für diesen Zeitraum in Deutschland nicht viele Assets zeigen. Nachteilig ist sicher die geringere Rendite. Sie liegt im Schnitt bei etwa einem Prozent im Jahr. Zudem ist man gezwungen, dieses Asset aktiv zu managen, was ein sehr spezifisches Fachwissen und einen gewissen Mitarbeiterstamm nötig macht. Und diese Assetklasse ist nicht sehr fungibel – und es braucht eine gewisse Größe, um überhaupt von einem sinnvollen Investment sprechen zu können.
An Ihrem Stiftungsforstamt findet sich ein Spruch von 1848, der beginnt mit „Heget den Wald, er ist des Wohlstands sichere Quell, schnell verheert ihn die Axt … “ War Forstwirtschaft immer schon nachhaltig?
Graf von Hundt: Historisch waren Kahlschläge keine Seltenheit. Der Forstmann Carlowitz hat Anfang des 18. Jahrhunderts Nachhaltigkeitsgrundsätze aus Frankreich für preußischen Forst reklamiert. Wir wissen seither, dass man den Wald nicht nur mit dem sprichwörtlichen Holzauge sehen darf, sondern auch mit dem Waldauge betrachten muss – und nicht mehr nutzen sollte, als jährlich nachwächst. Allerdings kann man im Forst nicht einfach Inventur machen. Allein die Anzahl der Bäume zu zählen, ist schon mühsam. Wir machen daher alle zehn Jahre Inventur im Stichprobenverfahren, und das seit 200 Jahren.
Was muss Forstwirtschaft tun, um nachhaltig zu agieren? Welches Verbesserungspotential sehen Sie?
Graf von Hundt: Die größte Herausforderung für den Forst ist sicher der Klimawandel. Der Wald, den wir heute haben, wird zukünftig nicht mehr den Ertrag bringen und seine wichtigen Funktionen erhalten können, wenn wir ihn nicht ambitioniert auf den Klimawandel vorbereiten. Nachdem noch niemand hinreichend genau das Klima für die nächsten 100 Jahre beschreiben kann, ist es fast nicht möglich, eine passgenaue Baumartenwahl zu treffen. Wir wissen ja nur, dass es wärmer wird und die Trockenphasen länger und die Extremwetterereignisse stärker werden. Ganz schlimm sind trockene Sommer: Tage über 30 Grad und Nächte über 20 Grad machen Bäumen enorm zu schaffen, aber auch starker Regenguss in kurzer Zeit ist nicht hilfreich. Bei den Fuggerschen Stiftungen bauen wir daher den Wald schon seit den letzten 30 Jahren langsam um und versuchen, die Artenvielfalt unter unseren Forstbäumen zu erhöhen. Man muss sich klarmachen, dass im Forst alles viel Zeit braucht. Wir arbeiten jedes Jahr auf einem Prozent unserer Fläche. Dabei sind wahrscheinlich jeweils 30 bis 80 Prozent schon von der Natur vorgegeben – denn dort wächst ja bereits etwas. Man kann also nicht einfach alles neu aufforsten.
Wie ist aus Ihrer Sicht die internationale Lage?

Wolf-Dietrich Graf von Hundt in den Räumen des Seniorats in der Verwaltung der Fuggerei. Foto: Oliver Soulas
Graf von Hundt: International wäre es sicher von Vorteil, wenn die Wirtschaftswälder nachhaltig bewirtschaftet würden und der illegale Holzhandel wirksam unterbunden würde. Dann wären wir einen großen Schritt weiter. Doch die Vorschriften sind sehr unterschiedlich – und in Deutschland besonders streng, auch im europäischen Vergleich. Während zum Beispiel in Kanada oder Schottland 1.000 Hektar Kahlhieb als für die Natur verträglich gelten, ist bei uns ein Kahlhieb von zwei Hektar gesetzlich verboten. Auch gibt es eine Wiederaufforstungspflicht binnen fünf Jahren. Den illegalen Holzhandel zu bekämpfen, wäre sehr wichtig. Aktuell werden in Europa Tropenhölzer zu Pellets verpresst. Das sind natürlich Restprodukte, aber mit Blick auf die Nachhaltigkeit ist das abstrus.
Wie schätzen Sie die Situation bei der Zertifizierung ein? Bietet sie Industrie und Verbrauchern eine gute Orientierung oder besteht Handlungsbedarf?
Graf von Hundt: Etwas ohne Zertifikat zu kaufen, ist ja heute fast nicht mehr üblich. Aus meiner Sicht wird da mit dem Verbrauchervertrauen auch oft leichtfertig gespielt. Mit der forstlichen Wirklichkeit setzen sich, soweit ich das beurteilen kann, nur zwei Labels auseinander: PEFC und FSC. Bei PEFC ist der Prozess transparent, bei den Richtlinien sprechen nicht nur Experten, sondern auch die Waldbesitzer mit. Daher hat es für die Forstwirtschaft sicher die höhere Attraktivität, was sich übrigens in der zertifizierten Fläche weltweit zeigt. FSC ist in manchen Richtlinien für uns schwer umsetzbar und wird von unseren Kunden auch nicht nachgefragt. Hintergrund ist, dass FSC eine Flächenstilllegung zwischen fünf und zehn Prozent umfasst, was für die meisten Waldbesitzer nicht darstellbar ist. Ein ganz anderes Thema ist die CO2-Zertifizierung. Diese steckt aber noch in den Kinderschuhen. Da wäre eine schnelle Weiterentwicklung für uns sicher interessant.
Bei Waldinvestments wird häufig mit einer gewissen Abkopplung von den Finanzmärkten geworben. Wie sieht es mit der Volatilität der Marktpreise aus?
Graf von Hundt: Der Markt für große Forstflächen ist sehr intransparent, da kaum Flächen gehandelt werden. Bei den dort aufgerufenen Preisen spielen oft Faktoren eine Rolle, die unter strengen betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten keinen Einfluss auf den Preis haben dürften, etwa die Jagd. Momentan sind die Preise für Forstflächen noch hoch, was aus meiner Sicht an der Nullzinspolitik lag. Auch die Holzpreise sind zurzeit auf einem hohen Niveau, und der Baustoff erfährt gerade mal wieder eine Renaissance. So ganz entkoppelt ist die Assetklasse jedoch nicht – zumindest die Holzpreise korrelieren mit der Bauwirtschaft.
Haben Sie in der Vergangenheit darüber nachgedacht, die Bedeutung von Forstwirtschaft zu reduzieren und liquidere, global gestreute Varianten wie Aktien oder Anleihen stärker zu gewichten? Warum kam es nicht dazu?
Graf von Hundt: Erst um das Jahr 2000 wurde der Begriff der mündelsicheren Anlage aus dem Bayerischen Stiftungsgesetz genommen. Forst galt immer als besonders sichere Anlageform. Das Wort Aktie brauchte man bis dahin bei der Stiftungsaufsicht gar nicht in den Mund zu nehmen. Seit der Reform der Landesstiftungsgesetze spricht die Stiftungsaufsicht bei der Kapitalanlage nicht mehr so stark mit. Ein weiterer Grund ist aber, dass eine massive Verkleinerung unseres Forstbetriebes auch eine Verschlechterung der Rendite aus dem Forst bedeuten würde.