Wie war 2022 in der Vermögensverwaltung für die Software-AG-Stiftung (SAGST)?
Markus Ziener: 2022 war ein forderndes Jahr, das es in sich hatte. Preis- und Zinsentwicklungen haben die Rahmenbedingungen für unser Vermögensmanagement entscheidend verändert. Weil wir aber schon seit Längerem auf ein Gleichgewicht von Unternehmensbeteiligungen, Anleihen und Immobilien setzen, sind wir insgesamt weitgehend unbeschadet durch die Krise gekommen – natürlich nicht ohne im Aktiensegment auch Negativrenditen zu verzeichnen. Für den Immobilienbereich, in dem die SAGST häufig selbst als Bauherrin auftritt, hingegen hat die Inflation nicht unbedingt einen Schaden bedeutet, da wir uns bereits in der Vergangenheit mit der Indexierung von Mieten auseinandergesetzt haben.
Wie finanziert die Stiftung ihre Bauvorhaben?
Ziener: Die Zinsbindungsfrist bei unseren Immobiliendarlehen beträgt in der Regel zehn Jahre. Insgesamt haben wir rund 420 Millionen Euro vor allem in Wohnraum und multitenantfähige Gebäude investiert. Etwa 150 Millionen Euro davon sind als Langfristkapital eingesetzt. Das war nicht immer so: In den 1990er Jahren bestand das Stiftungskapital ausschließlich aus Aktien der Software AG, die unser Stifter und Unternehmensgründer Peter Schnell eingebracht hat. Heute befindet sich das Vermögen der SAGST in einem langfristigen Transformationsprozess hin zu mehr Diversität und Nachhaltigkeit. Ziel der verfolgten Asset-Strategie ist es dabei, unsere Vermögenswerte in Höhe von derzeit rund 1,4 Milliarden Euro gesund auszubalancieren und mittelfristig jeweils 450 bis 500 Millionen Euro gleichmäßig auf alle drei genannten Anlageklassen zu verteilen. Vor diesem Hintergrund haben wir vor einigen Jahren mit dem Ausbau des Immobilienbereichs begonnen.
„Quartiersmanagement hat sich als sehr anspruchsvoll herausgestellt.“
Markus Ziener
Halten Sie an dieser Strategie trotz hoher Zinsen und Materialengpässen fest?
Ziener: Der Ukraine-Schock hat uns ziemlich unerwartet getroffen. Noch im Januar 2022 habe ich eine Immobilienfinanzierung zu 1,38 Prozent verhandelt. Damals lagen die Angebote bei 1,6 oder 1,8 Prozent. Heute muss man sich auf 3,5 bis 4 Prozent Zinsen einstellen und auch mit Bauverzögerungen von vier bis sechs Monaten rechnen. Angesichts dieser veränderten Voraussetzungen im Immobiliensegment stand natürlich auch die Frage im Raum, ob wir etwas anders machen müssen als bisher. Wir haben uns daraufhin dazu entschieden, grundsätzlich bei unserer Strategie zu bleiben, aber drei Gebäude – zwei davon Gewerbeimmobilien – aus dem Bestand zu verkaufen und das gewonnene Eigenkapital in neue Wohnimmobilien zu investieren.
Was war der Grund hierfür?
Ziener: Immobilien sind aus unserer Sicht die konservativste Anlageklasse – und Wohnimmobilien darin wiederum die stabilste. Anders gesagt: Wir halten den Wohnbereich für noch etwas attraktiver und sicherer als gewerblich genutzte Gebäude. Mit Fertigstellung unserer Neuerwerbungen werden wir bei 70 Prozent Wohnanteil in unserem Immobiliensegment liegen. Begonnen hatten wir hier mit einem gewerblichen Schwerpunkt. Die betreffenden Gebäude sind nun rund 20 Jahre alt und haben uns im Zuge des Immobilienbooms erhebliche stille Reserven eingebracht, die wir nun heben und in andere Nutzungsarten sowie attraktivere Lagen investieren wollen. Darüber hinaus spielen Nachhaltigkeitsaspekte bei diesem Immobilientausch ebenfalls eine Rolle. Die neuen Gebäude werden zum Teil mit Solaranlagen ausgestattet, erfüllen höchste Standards und sind von der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen zertifiziert. Hintergrund für unsere Entscheidung ist somit auch die neue Marschrichtung, die wir uns 2021 gegeben haben: Wir wollen auf lange Sicht eine zu 100 Prozent nachhaltige Kapitalanlage erreichen.
Info
„Wissen, Natur, Mensch“Die Fördersumme des Geschäftsjahres 2021 der Software-AG-Stiftung teilte sich auf sechs Bereiche auf: Erziehung und Bildung (8,03 Millionen Euro), Anthroposophische Medizin (5,81 Millionen Euro), Landwirtschaft und Naturhilfe (5,34 Millionen Euro), Alten- und Behindertenhilfe (1,96 Millionen Euro), Klein- und Querschnittsprojekte (1,68 Millionen Euro) sowie Kinder- und Jugendhilfe (1,47 Millionen Euro).
Ist Indexierung im Wohnbereich unter sozialen Gesichtspunkten nachhaltig?
Ziener: Wir sind uns unserer gesellschaftlichen Verantwortung als Vermieterin bewusst. Deshalb treffen wir immer Einzelfallentscheidungen. Wenn Mieterinnen oder Mieter in schwierige Lagen geraten, können sie uns selbstverständlich jederzeit ansprechen. Dann sind wir auch bereit, die Indexierung, die in allen unseren Verträgen verankert ist, zu reduzieren oder ganz auf sie zu verzichten. Nachhaltigkeit im Immobilienbereich macht für uns jedoch noch mehr aus als faire Mieten oder eine klimagerechte Gebäudehülle. Wir wollen mit unseren Investments ein gesundes Umfeld bieten und nachbarschaftliche Strukturen stärken. In zwei unserer Gebäude ist jeweils eine Wohnung für Menschen mit Assistenzbedarf untergebracht. Ein solches Quartiersmanagement hat sich jedoch als sehr anspruchsvoll herausgestellt: Die Erstbesetzung lässt sich gut gestalten, der weitere Verlauf ist durch Mieterwechsel allerdings nur schwer steuerbar. Neu in den Blick genommen haben wir im vergangenen Jahr auch die nachhaltige Stromversorgung. Mittelfristig wollen wir in die Situation kommen, den für unsere Gebäude notwendigen Energiebedarf bilanziell selbst vollständig ökologisch zu erzeugen, und haben uns deshalb auch 2022 an der Naturstrom AG beteiligt.
„Artikel 6, 8 und 9 der Taxonomie-Verordnung sind aus meiner Sicht eher Vertriebsargumente für die Finanzindustrie.“
Markus Ziener
Damit berühren Ihre Immobilieninvestments neben dem Stiftungszweck auch den Beteiligungsbereich der SAGST. Wie nah sind Sie hier am angestrebten Drittel?
Ziener: Aus der Historie unserer Stiftung heraus hat die SAGST durch ihre Anteile an der Software AG natürlich ein Übergewicht im Beteiligungsbereich. Insgesamt haben wir in diesem Segment Investitionen in Höhe von 650 Millionen Euro getätigt. Trotzdem bauen wir auch Private Equity in Form von stillen Teilhaberschaften, Gesellschaftsbeteiligungen und Nachrangdarlehen weiter aus, gehen dabei allerdings sehr selektiv vor: Im vergangenen Jahr haben wir uns zehn Unternehmen näher angeschaut und in zwei davon investiert. Zugleich reduzieren wir – auch unter Nachhaltigkeitskriterien – langsam unsere Anteile an der Software AG. Bislang wurden drei Prozent verkauft.
Unter Nachhaltigkeitskriterien? Der IT-Sektor ist in ESG-Fonds doch eigentlich stark vertreten.
Ziener: Das stimmt und gilt auch für die Software AG. Sie zählt laut MSCI ESG Rating in ihrer Peer Group zu den besten acht Prozent. Dennoch würden wir nach unseren heutigen internen Anlagekriterien nicht neu in sie investieren, weil der Geschäftszweck nicht in unseren aktuellen Fokus fällt. Natürlich finden die Produkte der Software AG im Bildungsbereich Einsatz, aber das genügt unserem Nachhaltigkeitsanspruch nicht. Artikel 6, 8 und 9 der Taxonomie-Verordnung sind aus meiner Sicht eher Vertriebsargumente für die Finanzindustrie, wir aber wollen mit unserer Vermögensanlage echten Impact erreichen. Unser Vorteil als Stiftung gegenüber anderen institutionellen Investoren: Wir haben die Freiheit, nicht irgendein Siegel anstreben zu müssen, sondern können uns danach richten, was hundertprozentig zu uns passt. Unserer Auffassung nach sind das neben erneuerbaren Energien auch Ernährung, Elektromobilität sowie Sozialunternehmen.
Wie ist dieser Schwerpunkt entstanden?
Ziener: Bereits 2021 wurde in der SAGST eine Anlagerichtlinie verabschiedet. Im Zuge ihrer Erarbeitung haben wir uns damit beschäftigt, was Nachhaltigkeit in der Praxis bedeutet, und für bestimmte Branchen Zukunftsbilder entworfen. Daraus sind die besagten Fokusthemen erwachsen, für die wir Wirkindikatoren definiert haben, um in Zukunft die Verbesserung und Weiterentwicklung unserer Investments verfolgen zu können.
Wenn es ein solches Nachhaltigkeitscontrolling schon gäbe, wie würden die Unternehmen im aktuellen SAGST-Portfolio abschneiden?
Ziener: Zehn der 14 Unternehmen neben der Software AG sind nach unseren Kriterien schon heute nachhaltig. Bei den übrigen wird es nach und nach Veränderungen geben. Wir sind aber keine Hasardeure und veräußern nicht sofort. Betreffende Unternehmen werden langsam aus dem Portfolio ausscheiden und gemäß unserer Strategie von anderen ersetzt, die einen positiven gesellschaftlichen Beitrag in unserem Sinne leisten.
Ihre Anlage-Strategie schließt auch Aktivitäten auf dem 2022 besonders schwierigen Aktienmarkt ein.
Ziener: Hier mussten wir im vergangenen Jahr natürlich eine negative Performance hinnehmen. Mit einem Minus von 6,5 Prozent – auf das ganze Jahr gerechnet – haben wir uns angesichts der Entwicklung von anderen Indizes wie dem Dax 40 oder MSCI World aber verhältnismäßig gut geschlagen und sogar zusammen mit der GLS Investment GmbH einen neuen nachhaltigen Spezialfonds über 40 Millionen aufgelegt. Er verwendet neben dem MSCI ESG Rating auch eigene Nachhaltigkeitskriterien und enthält rund 90 Unternehmen. Wenn dieser nicht nur in der Wirkungsorientierung, sondern auch bezogen auf die Rendite weiterhin gut läuft, werden wir den Fonds weiter aufstocken.
Das klingt alles recht positiv, auch für 2023?
Ziener: Wir erwarten auch in diesem Jahr eine positive Rendite. Der Boden an den Börsen scheint erreicht, die Kapitalmärkte haben schon wieder Lunte gerochen, die Lage dürfte sich langsam entspannen – vorausgesetzt, es kommen, was ja in den vergangenen Jahren immer häufiger geworden ist, keine weiteren externen Schocks auf uns zu. Insgesamt blicke ich deshalb voller Optimismus auf 2023.
Info
Steinersche ImpulseDie Software-AG-Stiftung versteht sich als „anthroposophisch motiviert, pluralistisch orientiert“. Das fördernde Engagement der Stiftung fuße auf den Werten der Präambel. „Sie beziehen ihren Impuls aus der von Dr. Rudolf Steiner beschriebenen Anthroposophie als Erkenntnisweg.“ Anthroposophie werde dabei „nie als Glaubensinhalt oder in einem dogmatischen Sinne verstanden, der den Blick beispielsweise verengen würde auf die ausschließliche Förderung von Projekten, die das ‚Anthroposophische‘ auf dem Türschild stehen haben“.