Ruanda durchlebte 1994 einen Völkermord, der das Land von Grund auf zerstörte. Um es wieder aufzurichten, setzte die Regierung sich damals klare Maßstäbe und hohe Ziele. World Vision packt seitdem mit an, nicht zuletzt beim 2018 formulierten Ziel, dass jeder Bürger im Land bis 2024 Zugang zu sauberem Trinkwasser haben soll. World Visions National Director Ruanda Sean Kerrigan berichtet.

Ihr ehrgeiziges Ziel in Ruanda ist es, alle Menschen mit sauberem Wasser zu versorgen, richtig?
Sean Kerrigan: Das ist ein bisschen differenzierter zu betrachten. Wir orientieren uns bei unserer Arbeit am UN-Nachhaltigkeitsziel Nummer sechs – sauberes Wasser für alle. Dieses Ziel möchten wir in unseren Programmländern, wo möglich, noch vor 2030 erreichen. Und in Ruanda ist das möglich, denn auch die Regierung strebt dieses Ziel in einer nationalen Strategie an. Gemäß dieser soll bis 2024 jeder Mensch in Ruanda Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Das sind sechs Millionen Menschen, die am dringendsten versorgt werden müssen. Einer Million davon, verteilt auf 2.000 Gemeinden, wollen wir, World Vision Ruanda, schon bis 2022 diesen Zugang verschaffen – das ist unser nächstes konkretes Ziel.

Ist das machbar?
Kerrigan: Wir haben 2018 damit begonnen, dieses Ziel zu verfolgen, und es läuft sehr gut bislang. 390.000 Menschen konnten wir bereits Zugang zu sauberem Wasser verschaffen, wir befinden uns damit auf einem guten Weg, das Ziel bis 2022 vollständig zu erreichen. Hierfür arbeiten wir eng mit der Regierung von Ruanda zusammen, die selbst einen großen Teil zur Zielerreichung beiträgt.

Wie sieht diese Zusammenarbeit aus?
Kerrigan: Ruanda ist aufgeteilt in 30 Bezirke, und jeder Bezirksbürgermeister hat mit der Regierung einen Leistungsvertrag abgeschlossen, in dem er oder sie sich zu gewissen Zielen verpflichtet – die verbesserte Wasserversorgung ist eines davon. Jedes Jahr kontrolliert die Regierung, ob die Ziele ausreichend verfolgt und erfüllt werden. Ist das nicht der Fall, werden die jeweiligen Ansprechpartner in den Gemeinden zur Verantwortung gezogen. An diese Leistungsverträge knüpfen wir mit unserer Arbeit an: Wir kooperieren mit den Bürgermeistern, die uns wissen lassen, wo und wie noch Hilfe benötigt wird, und wir treffen klare Vereinbarungen, auch zur Finanzierung der Projekte, die wir dann gemeinsam angehen. Vertragliche Absprachen haben wir außerdem auf nationaler Ebene mit dem Finanzministerium und dem Ministerium für Regionalverwaltung. Genau genommen sind das schriftliche Absichtserklärungen, in denen konkrete Projekte festgehalten und jährlich aktualisiert werden.

„Wenn eine Gemeinde kein Wasser hat, so ist das ein lösbares Problem.“ Sean Kerrigan

Welche Rolle spielt World Vision in der Umsetzung, und welche Aufgaben übernimmt die Regierung?
Kerrigan: Die Finanzierung der Wasserprojekte wird aufgeteilt: Einen Teil bezahlt die lokale Regierung, einen Teil World Vision. Die Regierung kümmert sich außerdem darum, die richtigen Orte für die Wasserprojekte ausfindig zu machen, stellt sicher, dass (Umwelt-)Vorschriften beachtet werden, besorgt notwendige Papiere und stellt technische Ingenieure bereit, die die Arbeit überwachen. Damit ein Projekt aber langfristig und nachhaltig Erfolg hat, müssen auch die Rahmenbedingungen stimmen. Hier bringt sich World Vision ein: In einer Partnerschaft mit der Sesamstraße entwickeln wir Konzepte, um Kindern den Umgang mit Hygiene und Wasser näherzubringen, wir klären die Menschen auf, organisieren Gremien und Ausschüsse, die dafür verantwortlich sind, installierte Infrastruktur aufrechtzuerhalten, oder stellen einen langfristigen Finanzierungsplan auf. Außerdem prüfen und begleiten auch unsere Ingenieure die geplanten Konstrukte.

Begegnen Sie auf Ihrem Weg zum Ziel auch Schwierigkeiten oder Herausforderungen?
Kerrigan: Schwierigkeiten gibt es immer, dieses Jahr sahen diese aufgrund der Covid-19-Pandemie aber anders aus als erwartet. Was das angeht, hat die Zusammenarbeit mit der Regierung sehr gut funktioniert. Beispielsweise brauchten wir deren Erlaubnis, um unsere Arbeit trotz Corona fortführen zu dürfen. Mit den Themen Wasser und Hygiene waren wir in dieser Krise natürlich in genau dem richtigen Bereich aktiv. Auf Anfrage des Gesundheitsministeriums haben wir inzwischen 1.000 feste Handwaschstationen an Schulen, Kirchen, Krankenhäusern oder Gesundheitsstationen errichtet. Das waren Zusatzprojekte in diesem Jahr, die so nicht geplant gewesen waren.

Hat es auch schon Probleme in der Zusammenarbeit mit der Regierung gegeben?
Kerrigan: Eher gab es Probleme, als wir noch nicht kooperierten. Wir mussten erstmal die Erfahrung machen, dass Projekte oft nicht nachhaltig funktionsfähig sind, wenn sie nicht eng mit Regierung und Bevölkerung abgestimmt werden. Auf dem Weg zu einer Wasserpumpe beispielsweise gibt es so viele kleine Entscheidungen zu treffen: Welche Technik möchte man verwenden, wer bezahlt was, wer ist verantwortlich für die Instandhaltung? Wenn da nicht alle Betroffenen an Bord sind, kann es leicht passieren, dass die Pumpe nachher nicht langfristig in Betrieb ist. Erst Kooperationen garantieren Nachhaltigkeit. Dadurch, dass wir die Projekte gemeinsam umsetzen und klare Absprachen treffen, sind die Verantwortlichkeiten geklärt, und jeder kommt diesen auch nach. Manchmal aber sind die Leute von genau diesen Absprachen frustriert, denn sie kosten Zeit und erfordern Geduld. In Ruanda gibt es hierzu ein sehr passendes Sprichwort: „Wenn du schnell vorankommen willst, geh alleine. Wenn du weit kommen willst, gehe gemeinsam.“ Das Schöne aber an Wasserprojekten ist, dass sie schnell direkte Wirkung zeigen. Wenn eine Gemeinde kein Wasser hat, so ist das ein lösbares Problem – vor allem in Ruanda, dem Land der tausend Hügel, wie es auch genannt wird, wo immer eine Wasserquelle gefunden und das Wasser bergab transportiert werden kann.

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