Stifter und Vorstand Gerhard Bissinger hat 2009 die Social-Business-Stiftung gegründet, um Völkerverständigung, Sport und entwicklungspolitische Arbeit zu unterstützen. Der Name ist bewusst gewählt, denn von Beginn an ging es um Mission Investing, konkret um Grassroot-Kredite in Afrika. Bissinger folgt dabei den Ideen von Nobelpreisträger Muhammad Yunus, dem Initiator des Social-Business-Gedankens: „Durch die Vergabe von Kleinstdarlehen erreichen wir eine vielfache Hebelwirkung, da die Gelder rollierend und mehrfach eingesetzt werden, um den Menschen den Aufbau einer eigenen Existenz zu ermöglichen.“ Der Stifter nutzt dafür die Bezeichnung Grassroot, also Graswurzel, denn das, was gemeinhin Mikrokredit genannt wird, belaufe sich oft auf sechs- oder siebenstellige Summen, die an Projekte und Gruppen vergeben würden.
Integration in die lokale Wirtschaft
Dieses Vorgehen unterscheidet sich von karitativen Einmalzuwendungen. Statt einer Zuwendung wird ein Darlehen gegeben, das der Empfänger in kleinen Schritten und mit Zinsen zurückzahlt und das dann dem Nächsten gegeben wird, zum Beispiel um einen kleinen Holzhandel oder einen Marktstand damit zu finanzieren. „Karitative oder humanitäre Initiativen beinhalten oft keine Hilfe zur Selbsthilfe. Als Stiftung binden wir die Innovationskraft und das Kapital in die regionale Wirtschaft ein und stärken so die Menschen vor Ort“, sagt Bissinger. Im Idealfall erwächst aus einem einmaligen Kredit ein unendlich wirkendes Perpetuum mobile.
„Das ist natürlich eine risikobehaftete Art, das Stiftungsgeld einzusetzen.“
Gerhard Bissinger
Das freilich ist die Theorie, in der Praxis allerdings gibt es Ebola, Covid-19 oder kriegerische Auseinandersetzungen – weswegen die Stiftung nur einen Teil ihrer Mittel auf diesem Weg investiert und Bissinger klar herausstellt: „Das ist natürlich eine risikobehaftete Art, das Stiftungsgeld einzusetzen.“ Ein Projekt in Sierra Leone zum Beispiel, das sich in erster Linie an Bürgerkriegswitwen richtete, lief hervorragend an, wurde dann aber durch einen Ebola-Ausbruch hart in Mitleidenschaft gezogen. Dort waren mehr als 30.000 Euro an 700 Empfänger in 40 Gruppen über eine lokale Organisation ausgereicht worden. Nach einem guten Start mit 15 Wochen erfolgreicher und vollständiger Rückzahlung inklusive Zinsen in allen 40 Gruppen fiel die wöchentliche Rückzahlung auf die Hälfte zurück.
„Die Kreditnehmer wurden behindert durch leere Märkte, blockierte Straßen, abgeriegelte Regionen sowie die Kontaktvermeidung durch die Kunden aufgrund der Angst vor Ansteckung. Sie konnten kaum ihren Geschäften nachgehen, und diese blieben dann auch gering“, erinnert sich Bissinger. Nach Abschluss der regulären Rückzahlungen nach 30 Wochen war das Finanzloch riesig. „Durch intensive Weiterführung des Programms erhielten wir aber innerhalb von drei Monaten zumindest die Rückzahlungen für bereits vergebene Kredite.“ Durch Spenden konnte die Stiftung frische Gelder in das Projekt nachschießen, das sich nun seit Jahren selbst trägt und unlängst sogar von einer US-amerikanischen Organisation, die Impact-Projekte weltweit verfolgt, ausgezeichnet wurde.
Ähnliche Erfahrungen hat die Stiftung auch bei einem Projekt in der Elfenbeinküste gemacht: Zum Teil fallen bis zu zwei Drittel der Kredite aus, viele davon glücklicherweise nur temporär, sodass Monate später dann doch wieder das ursprüngliche Kapital zu Verfügung steht. Um diese Volatilität auszugleichen und trotzdem den Impact-Gedanken umzusetzen, investiert die Stiftung auch in bekannte börsennotierte Investmentfonds aus dem Bereich Mikrofinanz.
Mission Investing, das funktioniert für Bissinger nicht nur andernorts, sondern auch in Deutschland, und zwar mit Anleihen von Breitensportvereinen: „Wir investieren in nachrangige, meist kurzlaufende Darlehen von Sportvereinen. Das Einsammeln der Anlagegelder erfolgt über eine Plattform, die die Kapitalnehmer vorher mit einer Art Due Diligence prüft, sodass die Ausfallwahrscheinlichkeit gering ist.“ Eine Plattform heißt Xavin, 2018 mit Hilfe der BW-Bank gegründet. „Die Zinssätze bewegen sich im Moment bei ein bis zwei Prozent pro Jahr. Meist geht es nur um Volumina von unter 100.000 Euro Gesamtanlage, wovon dann Teile gezeichnet werden können“, erläutert Bissinger. Die Tilgung erfolgt meist in einer Summe, die Zinsen fließen jährlich. Die Vereine tilgen häufig mit Mitteln aus dem laufenden Etat oder Zuschüssen, die der Verein von den Kommunen oder Landessportverbänden zum Ende der Laufzeit erhält. Also für den Kreditgeber eine Art Vorfinanzierung und zusätzliche Sicherheit. „Wir machen das auch mit eigener Due Diligence an Vereine, die wir lange kennen und wo die handelnden Personen über Jahre erfolgreiches Finanzmanagement bewiesen haben“, so Bissinger.
Austausch mit der Aufsicht
Mit der Stiftungsaufsicht habe man sich darüber ausgetauscht und diese in einem direkten Gespräch überzeugt. Grundsätzlich sei die Vergabe von nachrangigen Darlehen immer schwierig. Insgesamt, so die Erfahrung Bissingers, sieht sich die Aufsicht die finanzielle Gesamtsituation der Stiftung an. Bei ausreichend Rücklagen und Streuung der Kapitalanlage und geringem Anteil der nachrangigen Darlehen sollte eine Investition immer – auch wenn es kein Mission Investing ist – möglich sein.
Vom Thema Mission Investing zeigt sich Bissinger weiterhin überzeugt und sieht durchaus Möglichkeiten auch für andere Stiftungen, grundsätzlich mehr Mittel als bislang direkter mit sozialer Rendite zu investieren. „Als die wichtigsten drei Voraussetzungen sehe ich die Übereinstimmung mit den Satzungszielen, die Nutzung seriöser Plattformen für die Due Diligence vor entsprechenden Ausreichungen und die Fähigkeit und den Willen, persönlichen Kontakt zu halten.“ Vor allem für kleinere Stiftungen könne das eine Möglichkeit sein, wenn die Kreditnehmer in ihrem Umfeld tätig sind, etwa einem Kindergarten, Hospiz oder Sportverein.