Einen differenzierten Blick auf eine komplexe Thematik zu bieten und hierzu Akteure aus dem Dritten Sektor und der Wirtschaftswelt zusammenzubringen: Das war das Ziel der ersten F.A.Z.-Konferenz Stiftung und Unternehmen am 19. und 20. September in Frankfurt am Main. Organisiert von DIE STIFTUNG in Zusammenarbeit mit dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, bot die Konferenz Austausch über die großen Fragen der Stiftungs- und Unternehmenswelt, intensive Workshops sowie Raum für persönliche Begegnung, um neue Perspektiven zu gewinnen.
Dass dies auch bedeutet, eigene implizite wie explizite Annahmen zu hinterfragen, zeigte am Vorabend der Vortrag von Prof. Ulrich Segna in der Villa Bonn. Der Prodekan der EBS Law School an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht machte deutlich, dass die bisweilen kursierende strikte Trennung von Wirtschaft und Zivilgesellschaft in dieser Strenge längst nicht mehr besteht, dass Unternehmen heute gesellschaftlich stärker in die Pflicht genommen werden, als dies in der Vergangenheit der Fall war – und dass dies auch dem unternehmerischen Selbstverständnis entspricht. Gleichzeitig blickte er enttäuscht auf die zunehmende Monetarisierung von gesellschaftlichem Engagement.
Einblick in die Vielfalt
Mit diesem Impuls der wachsenden Vernetzung zwischen Wirtschaft und Zivilgesellschaft war es nicht weit zur Botschaft Thomas de Maizières. Der Bundestagsabgeordnete, frühere Innenminister und designierte Vorstandsvorsitzende der Deutsche-Telekom-Stiftung warb im Austausch mit F.A.Z.-Herausgeber Werner D’Inka dafür, dass der Dritte Sektor eine breite Wirkung für gesellschaftlichen Zusammenhalt anstreben und hierfür auch noch stärker auf Kooperation mit anderen Akteuren setzen solle.

Austausch in der Villa Bonn: Thomas de Maizière, Bundesminister a.D. und designierter Vorstand der Deutsche-Telekom-Stiftung (rechts), im Gespräch mit F.A.Z.-Herausgeber Werner D’Inka. Foto: Andreas Varnhorn
Die Frage, in welcher Konstellation Stiftungen und Unternehmen ihre gesellschaftliche Wirkung am besten entfalten können, war ein Leitmotiv der Konferenz, das sich auch durch den Haupttag in der Kulturkirche Sankt Peter zog. Ebenso wie die Tradition, Erfolg mit anderen zu teilen, mit der Prof. Andreas Barner, Vorsitzender des Kuratoriums der Fazit-Stiftung, bei seiner Begrüßung die Brücke von unternehmerischem Wirken zu stifterischem Gestalten schlug.
Dass die Wirkungsmöglichkeit dieser Verbindung nicht zuletzt von der rechtlichen Gestaltung abhängt, stand im Zentrum einer Podiumsdiskussion mit Prof. Andreas Schlüter, Generalsekretär des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft, Lothar Dittmer, Vorstandsvorsitzender der Körber-Stiftung, sowie Dieter Schenk, Vorsitzender des Stiftungsrats der Else-Kröner-Fresenius-Stiftung. Zur Einführung stellte Prof. Hans Fleisch, Vorsitzender des Stiftungsrats der Trox-Stiftung, eine neue Studie zu den unterschiedlichen Ausformungen unternehmensverbundener Stiftungen in Deutschland. „Es gibt praktisch 100 verschiedene Gestaltungen“, so Fleisch. Kontrovers diskutiert wurde die Frage, ob die Stiftungs-GmbH angesichts ihrer Flexibilität der BGB-Stiftung bei großen Stiftungen vorzuziehen sei – oder ob dies nicht sogar zu viel Flexbilität bedeuten könne. Ebenfalls zum Aspekt Flexibilität konnten die Teilnehmer auch einen konkreten Impuls für sich mitnehmen: die Empfehlung, durch Soll-Vorschriften in der Satzung eine Anpassung an unerwartete Situationen zu ermöglichen.
Vor den rechtlichen Aspekten steht für Unternehmer jedoch die grundsätzliche Frage, ob und in welcher Form sie Stifter werden wollen. Im Gespräch mit Petra Gessner, Chefredakteurin des „wir“-Magazins, schilderte Alexander Brochier, Geschäftsführer der gleichnamigen Unternehmensgruppe, seinen Weg in den Dritten Sektor, der 1992 mit der Brochier-Stiftung begann und mit dem Haus des Stiftens inzwischen ein Sozialunternehmen umfasst, das andere Stifter sowie Non-Profit-Organisationen unterstützt und Erblasser berät. „Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich so viel Glück hatte“, erinnert sich der Nürnberger Unternehmer, der sein Wirken im Stiftungsbereich genießt. Und im Grunde sei auch die Stiftung „wie ein neues Unternehmen“. In diesem Sinne wirbt er dafür, dass noch mehr Menschen die Freude an der Gemeinnützigkeit für sich entdecken: „Das oberste eine Prozent der Gesellschaft spendet im Schnitt 1.800 Euro im Jahr. Das ist noch Luft nach oben.“
Die Perspektive des Gegenübers zum Unternehmen nahm Prof. Ulrike Beisiegel ein. Im Gespräch mit Kai Praum, Chefredakteur von DIE STIFTUNG, beschrieb die Präsidentin der Georg-August-Universität Göttingen die Chancen und Herausforderungen bei der Kooperation von Wirtschaft und Wissenschaft. Bei Stiftungsprofessuren, die etwa von Unternehmen finanziert werden, sei es oberste Aufgabe der Universität sicherzustellen, dass diese nicht isoliert seien, sondern sich mit anderen Fachbereichen vernetzten. Stiftungen seien zwar naturgemäß in ihrem Denken in der Regel etwas wissenschaftsnäher, doch auch mit Unternehmen sei die Vernetzung in den vergangenen Jahren vorangeschritten – auch wenn es noch manche Vorbehalte gebe. „Sozialwissenschaften müssen erkennen, dass sie eine Rolle in der Gesellschaft haben.“

Prof. Ulrike Beisiegel, Präsidentin der Universität Göttingen, im Gespräch mit Kai Praum, Chefredakteur von DIE STIFTUNG, über die Stärkung von Innovationsfähigkeit durch Kooperation. Foto: Andreas Varnhorn
Gemeinsame Themenarbeit
Während im Plenum gemeinsam die großen Linien gezeichnet wurden, die Pausen Gelegenheit zum Austausch und Netzwerken boten, richteten die Workshops in den Seminarräumen der Kulturkirche Sankt Peter den Fokus auf konkrete inhaltliche Fragestellungen zu rechtlichen und finanziellen Themenbereichen, die die Unternehmens- und Stiftungswelt beschäftigen. Hans Christian Blum und Dirk Schauer von CMS Hasche Sigle erörterten beispielsweise die Frage, wann und in welcher Form eine Stiftung die geeignete Lösung für den Unternehmenserhalt ist. Anhand von Fällen aus der Praxis erhielten die Teilnehmer einen Einblick in die Vielzahl möglicher Optionen, etwa der Wahl zwischen gemeinnütziger Stiftung und Familienstiftung, einer Stiftung nach deutschem oder nach internationalem Recht. Immer mit dem Ziel, das Familienunternehmen dauerhaft zu erhalten.
Ganz gleich, auf welches Szenario die Entscheidung fällt, das Thema des parallel stattfindenden Workshops mit Frank Böhmer und Gabriel Micheli wäre in jedem Fall von Bedeutung: Die beiden Investmentspezialisten der Schweizer Privatbank Pictet stellten ihren Ansatz vor, wenn es um das richtige Management von Stiftungs- und Unternehmensvermögen geht. Sie gaben einen Einblick in ihre Methodik, die darauf abzielt, Megatrends, grundlegende Veränderungen etwa ökonomischer, sozialer oder auch technologischer Natur, zu bestimmen und für die Anleger nutzbar zu machen.
Strategie, allerdings in Managementhinsicht, war auch Thema der zweiten Workshopsession, die die Konferenz nachmittags abschloss. Stefan Stolte vom Deutschen Stiftungszentrum sprach über strategisches Management von unternehmensnahen Stiftungen. Was es bei diesem Komplex zu beachten gilt, hängt nicht zuletzt von den jeweiligen Gegebenheiten ab, etwa der Unternehmenskultur sowie den jeweiligen Wertvorstellungen. Und auch hier geriet erneut das Thema der Flexibilität in den Blick, das für Unternehmer, die es gewohnt sind zu gestalten, häufig zentral ist.
Diese Gestaltungskraft führt im Erfolgsfall zu einem gut florierenden Unternehmen. Pawel Blusz von Rittershaus Rechtsanwälte wies auf die Folgen der Erbschaftsteuerreform hin. Er sah angesichts der drohenden Kosten eine Renaissance (internationaler) Stiftungslösungen, um das Vermögen zu sichern. Blusz verglich dabei das Szenario einer Erbschaft ohne Stiftungslösungen mit Modellen wie der optionalen Hybridstiftung oder auch der Immobilienstiftung.
Foto-Galerie der F.A.Z.-Konferenz:
- Gut besucht und hochkarätig besetzt: Der Vorabend in der Villa Bonn setzt Impulse für den Haupttag in der Kulturkirche Sankt Peter.
- Das Kirchenschiff von Sankt Peter ist Schauplatz für die zentralen Programmpunkte, hier die Podiumsdiskussion zum Auftakt der F.A.Z.-Konferenz.
- Unternehmer Alexander Brochier berichtet „wir“-Chefredakteurin Petra Gessner von seinem Weg in die Welt der Stiftungen.
- Die Workshops widmen sich intensiv rechtlichen wie finanziellen Fragestellungen von Unternehmen und Stiftungen.
- Austausch im Hof: Teilnehmer unterhalten sich in den Pausen auf dem Areal der Kulturkirche Sankt Peter.
- In den Workshops wurden alle Teilnehmer eingebunden – in interaktiven Formaten mit viel Platz für eigene Fragen.
Fotos: Andreas Varnhorn