„Eine generelle gesetzliche Pflicht zur ethisch-nachhaltigen Vermögensanlage gibt es zwar nicht, aber natürlich spielt dieses Thema für Stiftungen eine sehr bedeutende Rolle“, erläutert Dr. Stefan Fritz, Jurist und Co-Geschäftsführer der Bischof-Arbeo-Stiftung, auf dem Stiftungstalk der Privatbank Berenberg zum Thema „Juristische Grundlagen für nachhaltiges Investieren bei Stiftungen“. Weder im heutigen Bundesstiftungszivilrecht noch auf Länderebene oder im Gemeinnützigkeitsrecht existieren entsprechende Vorgaben. Aber es besteht durchaus mittelbar die Pflicht, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit zu beschäftigen.
Was ist geboten? Abgeleitet aus den Regelungen zu der Verwaltung von Stiftungen gibt es zum einen den Punkt „Primat des Stifterwillens“. Der Stifter hat weitestgehende Möglichkeiten, die Vorgaben für eine Stiftung verbindlich zu machen. Immer wenn es Fragestellungen zu Zweckverwirklichung oder Vermögensanlage gibt, wird man sich auf den Stifterwillen beziehen müssen. „Gerade bei einer steuerbegünstigten Stiftung, die ja einen gesellschaftlichen Zweck verfolgt, ist es sinnvoll zu schauen, was die Stifterin oder der Stifter eigentlich erreichen wollte. Das hat durchaus Auswirkungen auf die Vermögensanlage“, sagt Fritz, „denn eine Stiftung, die beispielsweise auf Kindergesundheit abzielt, wird nicht unbedingt in Süßwarenhersteller investieren.“

Typische Anlageziele der Stiftung / Quelle: Vortrag „Anlageziel Nachhaltigkeit-Juristische Grundlagen und Beispiele aus der Praxis“ vom 29.03.22, Dr. Stefan Fritz, Stiftungszentrum Beuerberg
Darüber hinaus ist die Satzung, die der Stifter oder die Stifterin formuliert hat, bindend. Wenn hier Satzungsregelungen zur Nachhaltigkeit erfasst wurden, sind diese auch zu Lasten von Rendite und/oder Risiko zu befolgen. Gleichzeitig sind zweckwidrige Anlagen auszuschließen.
Schließlich muss die sogenannte funktionale Nachhaltigkeit berücksichtigt werden. Das sind die Gesichtspunkte, die zwar einen ökologischen oder sozialen Charakter haben, aber für den Anlageerfolg mit entscheidend sind. „Wenn ich beispielsweise eine Immobilieninvestition tätige, muss ich im Rahmen der aufkommenden EU-Taxonomie zu Nachhaltigkeitsrisiken auch ökologische Themen berücksichtigen. Hier wäre beispielsweise relevant, ob die Immobilie in einem Überschwemmungsgebiet liegt oder ob sie geeignet ist, energetisch ausgestattet zu werden“, erläutert Jurist Stefan Fritz. Vor dem Hintergrund der Stiftungsrechtsreform, deren Regelungen zum 1. Juli 2023 in Kraft treten werden, rechnet er damit, dass der veränderte Stellenwert des Vermögensmanagements und das Leitbild des „ordentlichen Geschäftsführers“ die Themen Nachhaltigkeit, insbesondere die funktionale Nachhaltigkeit, und den Ausschluss zweckwidriger Anlagen noch stärker in den Fokus rücken lassen.
Für verboten hält Fritz dagegen ideell motivierte ethisch nachhaltige Anlagen, die von der Satzung nicht ausdrücklich vorgegeben und wirtschaftlich unvernünftig sind. Erlaubt seien ideelle Nachhaltigkeitsthemen, die aus dem hypothetischen Stifterwillen ableitbar und nicht verboten sind.
Fritz empfiehlt zudem, das Thema Nachhaltigkeit in die Anlageziele einer Stiftung zu integrieren. „Zu den klassischen Anlagezielen für Stiftungen gehört zum einen die Vermögenserhaltung. Dazu zählen das Vermögenserhaltungskonzept sowie der gewählte Maßstab und der Zeitraum der Messung. Zum anderen gibt es die Ertragsseite mit der Definition der Renditeerwartungen. Bei dem Anlageziel Sicherheit ist es sinnvoll, ein gemeinsames Risikoverständnis zu definieren. Auch kann man Nachhaltigkeit als gleich- oder übergeordnetes Ziel definieren und in die Anlagerichtlinien integrieren. Stiftungen haben hier einen erheblichen Gestaltungsspielraum.“
Wie funktioniert das nun in der Praxis? „Idealerweise sollte es so sein, dass sich die Implementierung ideeller Nachhaltigkeit in der Legitimationskette gut nachvollziehen lässt. Es muss von der Satzungsebene, über die Anlagerichtlinien bis hin zu einzelnen Anlageentscheidungen alles schlüssig ineinandergreifen“, so Fritz.

Legitimationskette im Stiftungsrecht / Quelle: Vortrag „Anlageziel Nachhaltigkeit-Juristische Grundlagen und Beispiele aus der Praxis“ vom 29.03.22, Dr. Stefan Fritz, Stiftungszentrum Beuerberg
„Der Satzungszweck und damit die Existenz der Stiftung wurde in der Weltanschauung des Stifters oder der Stifterin gegründet. Die Satzung sollte gegebenenfalls die ESG-Ziele und Strategien definieren. Wenn die Satzung zum Thema Nachhaltigkeit keine Aussagen trifft, kann auch auf den Stifterwillen bzw. mutmaßlichen Stifterwillen ausgewichen werden. Falls ein weltanschaulicher Rahmen in den Statuten fehlen sollte, kann bei der Implementierung in den Anlagerichtlinien unterstützend darauf verwiesen werden, dass die Anlage des Stiftungsvermögens unter Berücksichtigung des Grundsatzes 6* der Grundsätze guter Stiftungspraxis erfolgt“, sagt Stiftungsexperte Fritz.
„Die Anlagerichtlinien müssen die Themen konkretisieren, die die Satzung offenlässt, und die Anlageentscheidung muss exakt das umsetzen, was die Anlagerichtlinie vorgibt. Um die Anlageentscheidung so transparent und nachvollziehbar wie möglich zu machen, sollte erläutert und dokumentiert werden, warum und mit welchen Zweck man sich für diese Anlage entschieden hat und warum sie zum Wohl der Stiftung ist. Hierbei helfen auch die Protokolle der beratenden Bank. Schließlich komme ich mit einer lückenlosen Implementierung und Dokumentation als verantwortliche Person in Zukunft auch in den Genuss der Haftungsprivilegierung, die die Stiftungsrechtsreform in Form der Business Judgement Rule gewährt“, resümiert Stefan Fritz.
Stefan Duus
Wealth Management
Leiter Kompetenzteam Stiftungen & NPOs
Berenberg
E-Mail
*Grundsatz 6: Stiftungen handeln nachhaltig in Verantwortung für die zukünftigen Generationen. Sie setzen sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten im Einklang mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der UN und dem Pariser Klimaschutzabkommen für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen ein, insbesondere für die Begrenzung der Klimakrise und den Erhalt der Biodiversität.