Ab August müssen Finanzdienstleister im Beratungsgespräch die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden abfragen. Nicht nur die Berater können sich vorbereiten, auch Stiftungsentscheider tun gut daran zu klären, was für sie in Fragen der Kapitalanlage wichtig ist.

Wie nachhaltig soll die Kapitalanlage sein? Die Frage ist für viele Investoren nicht neu, doch ab August 2022 wird sie im Rahmen einer Ergänzung der EU-Richtlinie Mifid 2 (Markets in Financial Instruments Directive) verpflichtend: Dienstleister wie Vermögensverwalter oder Banken müssen künftig im Beratungsgespräch die Nachhaltigkeitspräferenzen klären. Damit kommen auch Investoren mit dem Thema in Kontakt, die sich bislang noch nicht darum gekümmert haben.

„Es geht wie in jedem Gespräch los mit Vokabeln.“

York Asche, Bethmann Bank

Begrifflichkeiten, die die Investmentpräsentationen durchziehen, werden nun für alle relevant. Ob Ausschlusskriterien, Best-in-Class, Best-of-Class, Impact, SDGs oder ESG: Wer vorbereitet in den Austausch geht, hat es leichter. „Es geht wie in jedem Gespräch los mit Vokabeln“, sagt York Asche, Seniorberater Stiftungen bei der Bethmann Bank. „Wichtig sind die Begriffsbestimmungen: Was bedeutet Nachhaltigkeit für uns? Sprechen wir von denselben Inhalten? Welche der 17 Ziele der Vereinten Nationen sind für meine Stiftung besonders wichtig?“

Stufe für Stufe

Wie der Weg zum passenden Nachhaltigkeitsansatz aus Sicht des Beraters aussehen kann, zeigt der Leitfaden des Forums nachhaltige Geldanlagen, der sich dem Thema schrittweise nähert – von der Vermeidung von Wertekollisionen bis hin zum „unbedingten Fokus“ auf Nachhaltigkeit und hohe Wirkung. „Dienstleister müssen mehrere Stufen abfragen“, sagt Christoph Hott, Leiter Vermögensverwaltung bei BNP Paribas Wealth Management. „Es beginnt mit der wichtigen Frage, ob Nachhaltigkeit überhaupt berücksichtigt werden soll.“ In einem zweiten Schritt wird der Anleger dann nach seinen Nachhaltigkeitspräferenzen gefragt. Dabei kann er angeben, ob im Rahmen seiner Investments darauf geachtet werden soll, negative nachhaltige Auswirkungen zu reduzieren oder ob er mit seinen Anlagen eine nachhaltige Zielsetzung verfolgen möchte. Im letzterem Fall kann er wählen, ob der Vermögensverwalter frei ist im Rahmen der Auswahl der nachhaltigen Anlagen – oder ob diese bestimmte Kriterien der EU-Taxonomie erfüllen sollten.

„Es sollte ein langes Gespräch werden. Gerade wenn Sie sich auch über Fragen wie die Risikoaffinität austauschen“, sagt Asche. Das gelte auch für die Annäherung an die Komplexität und die verschiedenen Dimensionen von Ökologie, Sozialem und Governance (ESG): „Nachhaltigkeit in einem Bereich eines Unternehmens ist noch keine hinreichende Bestimmung. So können Unternehmen etwa mit erneuerbaren Energien produzieren, aber zugleich schlechte Bedingungen zum Beispiel bei der Mitbestimmung oder Chancengleichheit aufweisen.“

Zwar ist nachhaltiges Investieren auch weiterhin nicht verpflichtend, doch die Vorteile liegen für Asche auf der Hand. „Die Frage, die sich Stiftungsvorstände im Zweifelsfall stellen sollten, lautet nicht ‚Warum nachhaltig investieren?‘, sondern vielmehr ‚Warum nicht?‘ Wir vertreten die Auffassung, dass sich Rendite und Nachhaltigkeit nicht widersprechen. Im Gegenteil: Unternehmen, die nachhaltig unterwegs sind, sind erfolgreicher am Markt.“ Till Keulen, Leiter Stiftungen Deutschland bei BNP Paribas Wealth Management, sieht eine mittelbare Pflicht zur Auseinandersetzung mit dem Thema – „auch um Anlageentscheidungen entsprechend der Business Judgement Rule dokumentieren zu können.“ Angesichts der wirtschaftlichen Entwicklungen und der politischen Rahmenbedingungen könne man sich Nachhaltigkeitsüberlegungen nicht mehr entziehen. Fälle wie Wirecard zeigen, dass Governance-Kriterien Schäden vermeiden können.

Erst allgemein, dann spezifisch?

Für Stiftungen, die Neuland betreten, wäre eine Einstiegsmöglichkeit, negative Auswirkungen berücksichtigen zu lassen, etwa über einen Best-in-Class-Ansatz – „aber noch keine spezifischen Nachhaltigkeitsziele vorzugeben“, sagt Hott. „Später könnte dann eine stärker differenzierte Positionierung folgen.“ Gemeinnützige Stiftungen erfüllten in der Regel ein gesellschaftliches Ziel – Daher stelle sich für sie die Frage, ob sie mit ihren Investments zusätzlich zu der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken eine nachhaltige Zielsetzung über ihre Vermögensanlage erreichen wollen, so Hott.

„Eventuell wird man im Gespräch darauf hinarbeiten, neue Assetklassen zuzulassen, falls es bislang Beschränkungen gibt“

Till Keulen, BNP Paribas Wealth Management

Ein Blick in die Anlagerichtlinien zeigt, wie breit das Instrumentarium der Stiftung ausfällt. „Eventuell wird man im Gespräch darauf hinarbeiten, neue Assetklassen zuzulassen, falls es bislang Beschränkungen gibt“, sagt Keulen. „So könnten etwa alternative Anlageformen wie Mikrofinanz hinzukommen.“ Die neue Beratungsregel wirkt sich auf das Client Investor Profile aus, also die dokumentierten Anlageziele und die Risikobereitschaft des Anlegers, so Hott. Es werde nun um die Nachhaltigkeitspräferenzen ergänzt, „so dass auch die Anlagerichtlinien überprüft werden müssen, wenn sich die Stiftung dafür entscheidet, nachhaltige Aspekte in der ein oder anderen Form im Rahmen ihrer Vermögensanlage zu berücksichtigen“.

Dieser Zuschnitt kann langfristig der Anlage helfen. Auch die unvermeidbare Volatilität lässt sich mit einem Portfolio, das eigene Wertevorstellungen widerspiegelt, gegebenenfalls besser durchstehen. „Das ist ja ein großer Vorteil von Stiftungen: Sie haben in der Regel keinen Anlagehorizont und können Schwankungen aushalten. Je überzeugter sie von ihren Investitionen sind, desto leichter fällt das den Vorständen“, so Asche.

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