Die eigentliche Nachricht kommt weit in der zweiten Hälfte der Eingangsstatements, die Erwin Sellering vorträgt. „Wir werden in den nächsten Wochen zurücktreten. Wie zugesagt, sobald die Testate vorliegen“, so der Vorstandschef der Klima- und Umweltstiftung MV. Für das Jahr 2021 sei das Testat schon da und liege der Stiftungsaufsicht vor. „Hoffentlich bald auch für 22.“ Sellering nutzt den Auftritt bei der Landespressekonferenz, um der Landesregierung noch einmal seine Lesart ins Stammbuch schreiben: Vorstand und Mitarbeiter hätten sich nichts zu schulden kommen lassen, eine Auflösung der Stiftung sei nach der Kappung der Kontakte zu Nord Stream 2 weder notwendig noch rechtlich möglich. Die frühere Unterstützung des Pipeline-Projekts behindere nicht die Arbeit in den namensgebenden Bereichen. Versuche, die Stiftung zu beenden, seien rein politischer Natur.
„Landtag und Landesregierung reichte unsere Loslösung von Nord Stream 2 aber nicht. Sie wollte auch die verbleibende reine Klimastiftung aus der Welt schaffen, vor allem wohl, weil sie anhaltende Kritik an ihrem früheren Handeln, vielleicht sogar persönliche Nachteile befürchten.“
Erwin Sellering über die geplante Auflösung der Stiftung
500 Projektpartner und „viele Millionen“
Schließlich verfüge die Stiftung „über viele Millionen Euro“, sei damit finanziell besser ausgestattet als viele andere Stiftungen im Land – selbst für den Fall, dass sie die unter Vorbehalt gezahlte Schenkungssteuer nicht zurückerhalte. „Und die Zahl unser Projektpartner liegt nach zwei Jahren guter Arbeit trotz aller Angriffe und Behinderungen von Landtag und Landesregierung um die 500er-Grenze.“ Damit, so Sellering, sei die Zeit über das Gutachten der Hamburger Professorin Birgit Weitemeyer aus dem Mai 2022 hinweggegangen. Die Mutmaßung, dass der Stiftung das Geld oder die Projektpartner ausgehen würden, sei „inzwischen völlig abwegig“. Die Stiftung war mit 20 Millionen Euro von der Nord Stream 2 AG gestartet. Etwa die Hälfte davon steht steuerlich aktuell in Frage – eine Klärung sei dieses Jahr nicht mehr zu erwarten, so Sellering.
„Harte Erfahrung für jeden Stifter“
Sellering betont den sachlichen Charakter des Konflikts – spricht zugleich aber von „menschlicher Enttäuschung“ und greift die Landesregierung um seine Nachfolgerin und Parteigenossin Manuela Schwesig an – die zuletzt aufgrund der Verbrennung von Steuerunterlagen durch eine Finanzbeamtin unter weiteren Druck geriet. Mit der Abwicklung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs, der die Fertigstellung der Gaspipeline Nord Stream 2 unterstützte, hätte „die Geschichte zu Ende sein können. Die völlig von Nord Stream 2 losgelöste reine Klimastiftung, die inzwischen sehr gute Arbeit leistet, hätte einfach fortbestehen und mit der reinen Klimaschutzarbeit weitermachen können“, sagt Sellering.
Zumal die Wahl der Rechtsform und der sich daraus ergebenden Beschränkungen bewusst geschehen sei. „Es ist ganz allgemein für jeden Stifter eine harte Erfahrung, wenn klar wird, dass er nach Gründung der Stiftung und Beschluss der Satzung nichts mehr zu sagen hat. Doppelt hart, wenn der Stifter ein Landtag ist, der glaubt, sein politischer Wille stehe über allem. Oder wenn der Stifter eine Regierung ist, die glaubt, einfach alles anweisen zu können“, so der ehemalige Ministerpräsident.
Forderungen zum Abschied
Neben Kritik hat Sellering auch eine Forderung an die Landesregierung. Es wäre dem scheidenden Vorstand „sehr daran gelegen“, so Sellering, „dass die Ministerpräsidentin bei der Berufung des Nachfolgevorstandes deutlich macht, dass die ausgewählten Personen nicht mit dem strikten Auftrag ‚Auflösung‘ berufen werden. Und es sollte sich um Persönlichkeiten handeln, die bei einem Fortbestehen der Stiftung willens und in der Lage sind, die bisherige gute Klimaschutzarbeit fortzusetzen“.
Was die Auflösung angeht, stellt der frühere Verwaltungsrichter einen möglichen Rechtsstreit in den Raum. „Darauf zu setzen, dass niemand gegen eine rechtswidrige Auflösung klagebefugt sein könnte, könnte sich als kurzsichtig erweisen, wenn die Staatsanwaltschaft zu dem Ergebnis kommt, wegen Untreue ermitteln zu müssen. Womöglich nicht nur gegen einen Nachfolgevorstand, der rechtswidrig die Stiftung auflösen und auf das Stiftungsvermögen zugreifen würde, sondern womöglich auch wegen Mittäterschaft, Anstiftung, Beihilfe. Da kommt ja ein großer Personenkreis infrage.“