DIE STIFTUNG: Herr Spillmann, wie spricht eine international tätige Hilfsorganisation speziell Schweizer Spender an? Auf welches Instrumentarium greifen Sie hierbei zurück?
Markus Spillmann: Vor jeder neuen Spendenaktion stellt sich jedes Mal die Frage: Soll die breite Öffentlichkeit oder soll ein ausgewählter Kreis von interessierten Grossspendern angesprochen werden? Beide Bereiche sind für spendensammelnde Organisationen wichtig. Sie haben aber ganz verschiedene Ansätze und müssen auch personell anders besetzt werden. Es kommen also sowohl traditionelle Werbemittel wie Inserate und neue Medien in Frage als auch die gezielte und individualisierte Ansprache von Grossspendern.
Grundlegend für den Erfolg in beiden Typen von Aktionen ist eine gute Brand-Awareness, d.h. eine durch ständige Medienpräsenz erreichte breite Bekanntheit der Hilfsorganisation und ihrer Aktionen. Das ist enorm wichtig und fördert das Vertrauen in die Organisation. Auch der Einsatz von Markenbotschaftern ist dabei ein wirkungsvolles Instrument. Die Stiftung Handicap International ist deshalb froh, dass Christa Rigozzi und Rachel Kolly d’Alba – zwei prominente Schweizer Persönlichkeiten – ihre Werbeaktionen in der Öffentlichkeit unterstützen.
DIE STIFTUNG: Welche Befindlichkeiten müssen speziell in diesem Land berücksichtigt werden und wie möchten Sie dies sicherstellen?
Spillmann: Der Spender, wie ich ihn erlebe, möchte meist etwas Konkretes unterstützen, ein genau definiertes Projekt. Und dabei taucht, speziell auch in Zusammenarbeit mit Stiftungen, immer wieder eine ähnliche Frage auf: Wie viel Spendengeld geht für die Administration weg? Bei der Beantwortung dieser Frage ist Transparenz von grundlegender Bedeutung. Und dabei soll auch ausgewiesen werden, wie viel Wirkung man mit jedem gespendeten Franken erwirken kann. Wichtig ist auch, dass wir zu den konkreten Projekten ein gutes Reporting ausweisen können, bei dem man die Entwicklung der verschiedenen Programmstufen nachvollziehen und den Mittelfluss einsehen kann. Das wir Zewo-zertifiziert sind und seit 15 Jahren erfolgreich mit der Glückskette zusammenarbeiten, ist natürlich auch für uns ein wichtiges Gütesiegel.
DIE STIFTUNG: Wie hilfreich ist es dabei, dass Handicap International eine Schweizer Niederlassung hat?
Spillmann: Sehr hilfreich. Meines Erachtens geht es nicht ohne lokale Verankerung. Die physische Nähe zu den Spendern ist wichtig. Man muss deren Sprache sprechen, und zwar auch kulturell, und glaubwürdige Repräsentanten der Organisation müssen jederzeit den persönlichen Kontakt besonders zu den Grossspendern pflegen und bei Notfällen sofort in Aktion treten können.
DIE STIFTUNG: Was ist Ihre Antwort, wenn Sie jemand fragt, ob es nicht besser sei, Projekte im eigenen Land zu unterstützen?
Spillmann: Not gibt es überall, aber die Dringlichkeit der Hilfeleistung ist unterschiedlich. Es geht darum, die entscheidende Bedeutung unserer Hilfe in Fällen von Katastrophen oder existenzieller Not in weit abliegenden Ländern unseren Spendern plausibel zu erklären.
DIE STIFTUNG: Andererseits ist die Sorge beim Engagement in Entwicklungsländern besonders gross, dass die Spenden vielleicht nicht wirklich bei den Bedürftigen ankommen. Was unternehmen Sie, um dies sicherzustellen?
Spillmann: Entscheidend ist die Erhaltung des höchsten Niveaus von Glaubwürdigkeit. Wir sind eine international bekannte Organisation, die im Bereich Hilfe für Menschen mit Behinderungen und in Notsituationen weltweit anerkannt ist. Handicap International hat 1992 gemeinsam mit fünf anderen Organisationen die Internationale Kampagne für ein Verbot von Landminen gegründet, die 1997 den Friedensnobelpreis erhielt. Ausserdem gehört die Organisation zu den Gründern der Internationalen Kampagne gegen Streubomben (Cluster Munition Coalition). Bis heute hat Handicap International führende Positionen in beiden Kampagnen. Der Friedensnobelpreis ist für uns eine ehrenvolle Auszeichnung, die wir in der Kommunikation gut gebrauchen können, wir stehen damit aber auch in einer hohen moralischen Verpflichtung.
Durch unsere langjährige Präsenz in den verschiedenen Ländern, in denen wir mit Betroffenen zusammenarbeiten, sind wir gut vernetzt und kennen die lokalen Gegebenheiten. Wir legen dabei viel Wert auf genaue Voranalysen und arbeiten nur mit guten und vertrauenswürdigen Organisationen zusammen. Mit diesen Verfahren versuchen wir uns vor diffusen Machenschaften zu schützen.
Wichtig für unsere Glaubwürdigkeit ist auch, dass in der Schweiz ein Grossteil unserer Spenden von der Glückskette stammt. Das bedingt ein ausgiebiges Reporting und ein strenges Controlling über die eingesetzten Gelder. Während und zum Abschluss unserer Projektphasen analysieren wir zusätzlich die Zufriedenheit unserer „Kunden“, also der Betroffenen selbst, und berichten auch öffentlich darüber.
DIE STIFTUNG: Wie vermitteln Sie speziell, dass die Verwaltungskosten in der Entwicklungszusammenarbeit im Vergleich zu anderen gemeinnützigen Zwecken relativ hoch sind?
Spillmann: Unsere Entwicklungszusammenarbeit befasst sich hauptsächlich damit, dass Menschen mit Behinderungen in anderen Kulturkreisen einen gleichberechtigten Status erlangen können. Wir streben also eine gesellschaftliche Entwicklung an. Die wirklich bedürftigen Menschen ausfindig zu machen ist schwierig, da sie oft ein zurückgezogenes oder sogar verstecktes Leben führen oder führen müssen, und das macht unsere Arbeit aufwendig. Wir brauchen dazu einen Stab von Spezialisten, eine professionelle Verwaltung und eine tadellose Logistik. Das wiederum braucht finanzielle Ressourcen, trägt aber zum nachhaltig guten Gelingen der Projekte entscheidend bei.
DIE STIFTUNG: Viele Ergebnisse aus medizinischen Projekten und Evaluationen werden sehr fachspezifisch sein. Wie stellen Sie diese einer interessierten Öffentlichkeit gegenüber dar?
Spillmann: Da müssen wir uns beim breiteren Publikum auf eher plakative Aussagen beschränken. Wir haben viele ganz einfache Erfolgsgeschichten, die jedem schnell und klar einleuchten, zum Beispiel: „Sanna kann dank einer Prothese wieder gehen“ oder „70.000 Quadratmeter Land wurden im letzten Jahr in Laos entmint“.
Das sind alles sehr konkrete Resultate. Sollte ein Spender spezifischere Daten wünschen, können wir diese gerne liefern.
DIE STIFTUNG: Herr Spillmann, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben.
Das Interview führte Tobias M. Karow.
Markus Spillmann ist Jurist mit einem DAS in Nonprofit Management and Law der Universität Basel und arbeitet bei Handicap International Schweiz in Zürich.