Nicht alle Verhaltens- und Managementregeln müssen in Form eines Gesetzes daherkommen. So enthält der Swiss Foundation Code eine Reihe unverbindlicher Richtlinien für Stiftungen, dennoch gilt dessen Befolgung als Gütesiegel im Schweizer Nonprofit-Sektor. Was der Kodex verlangt und wie er zur Professionalisierung des Stiftungswesens beitragen kann, erläuterte einer seiner Entwickler im Gespräch mit der STIFTUNG.
DIE STIFTUNG: Die Schweiz hat ein äußerst schlankes Stiftungsrecht, dafür etliche unverbindliche Managementgrundsätze für Stiftungen. Wie kann das funktionieren?
Prof. Dr. Martin Janssen: Das Zusammenleben von Menschen wird nicht a priori besser, wenn es stärker reguliert wird, eher im Gegenteil. Der gute Wille der Involvierten ist meist wichtiger als zusätzliche Bestimmungen. Das ist auch im Stiftungswesen so. Zivil- und Strafgesetzbuch und eine gute Erziehung sind für die meisten Stiftungen eine hinreichende Grundlage für eine gute Governance und eine seriöse Arbeit. Verbesserungsmöglichkeiten gibt es aber – natürlich – auch im schweizerischen Stiftungswesen.
DIE STIFTUNG: Die wichtigsten Managementgrundsätze für Stiftungen sind im Swiss Foundation Code enthalten. Sie haben diesen mitentwickelt. Was wollten Sie damit erreichen und hatten Sie Erfolg?
Janssen: Dass es noch Verbesserungsmöglichkeiten gibt, liegt oft daran, dass die Beteiligten einfach nicht wissen, wie man es besser machen könnte. Hier setzt der Swiss Foundation Code an. Ziel ist es, den Stiftungen Empfehlungen zu geben, wie eine Stiftung professionell geführt werden kann, um aus dem vorhandenen Stiftungskapital möglichst viel Ertrag zugunsten des Stiftungszwecks herauszuholen. Es soll aber auch erreicht werden, dass keine unnötigen bürokratischen Gebilde entstehen oder gesetzliche Einschränkungen erlassen werden, mit denen die Umgebung für das Stiftungswesen in der Schweiz verschlechtert würde.
DIE STIFTUNG: Welche Relevanz hat es, wenn eine Stiftung angibt, den Code genau zu befolgen?
Janssen: Dann kann man davon ausgehen, dass sich die Stiftung mit der Aufgabenstellung vertieft auseinandergesetzt, Lösungsmöglichkeiten evaluiert und einen überlegten Entscheid getroffen hat, wie die Stiftung geführt werden soll.
DIE STIFTUNG: Der Code fordert u.a. die Entwicklung von Kontrollmaßnahmen. Was entgegnen Sie einem Stifter, der z.B. auf einen Beirat verzichtet, um zügiger Entscheidungen treffen zu können?
Janssen: Ein Beirat ist nicht prinzipiell eine wichtige Institution. Wenn die Entscheidungen nicht systematisch und wesentlich verbessert werden, können Sie auf einen Beirat verzichten. Vor allem dann, wenn die Entscheidungen beschleunigt werden können.
DIE STIFTUNG: Warum empfiehlt der Code zudem mindestens dreiköpfige, am besten noch größere Stiftungsräte?
Janssen: Der Stiftungsrat ist nie der Eigentümer der Stiftung. Das ist auch dann so, wenn der Stiftungsrat die Stiftung gegründet hat. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, braucht es eine automatische Kontrolle, die mittels drei oder mehr Stiftungsräten effizient umgesetzt werden kann.
DIE STIFTUNG: Sehr ausführlich sind im Code auch die Empfehlungen zur Anlagestrategie geregelt. Inwiefern hat dies den Stiftungen weitergeholfen?
Janssen: Die meisten Stiftungen haben im Bereich der Anlagen die größten Defizite. Viele, vor allem kleinere Stiftungen geben etwa 50% der Förderbeiträge in Form von Bankgebühren aus, wenn diese richtig und vollständig erfasst werden. Hier können die Stiftungen also mit beschränktem Aufwand am meisten tun, um den Stiftungszweck zu erreichen. Man darf sich aber keiner Illusion hingeben: Es wird noch einige Zeit dauern, bis hier ein Umdenken passieren wird. Die tiefen Kapitalerträge tragen dazu bei, gegenüber hohen ausgewiesenen und versteckten Gebühren aufmerksamer zu werden. Der Swiss Foundation Code bewirkt hier sicher sehr viel, um diese Szene zu verändern.
DIE STIFTUNG: Was genau verlangt der Code von Stiftungen, wenn es heißt, dass die Anlagestrategie den Stiftungszweck widerspiegeln soll?
Janssen: Die Anlagestrategie sollte bei jedem Anleger aus dem Zweck der Kapitalanlage und der Menge an Risiko, die der Anleger einzugehen bereit ist, abgeleitet werden. Die konkrete Anlagestrategie richtet sich entsprechend nach Liquiditätsanforderungen, nach der objektiven Risikofähigkeit und nach der subjektiven Risikobereitschaft. Diesen Anforderungen kann man im Rahmen einer „Asset Liability Management“-Analyse am einfachsten genügen.
DIE STIFTUNG: Wie gewissenhaft befolgen Stiftungen den Code und wer kontrolliert das eigentlich?
Janssen: Der Swiss Foundation Code hat empfehlenden Charakter. Die Kontrolle obliegt der Stiftung, die diese Kontrolle – natürlich freiwillig – an einen Dritten auslagern kann. Aber es gibt keine staatlichen Organe, die mit der Kontrolle beauftragt wären. Die Gewissenhaftigkeit der Umsetzung kann man an Veranstaltungen ablesen, welche die Vereinigung SwissFoundation regelmäßig zu Themen des Codes durchführt und die von vielen Stiftungen besucht werden.
DIE STIFTUNG: Sie selbst sind ebenfalls philanthropisch engagiert. Wie sieht dieses Engagement genau aus und wie gehen Ihre eigenen Organisationen mit dem Code um?
Janssen: Mein Engagement ist sehr beschränkt. Ich bin einerseits Stiftungsrat in Förderstiftungen, wo ich mich bemühe, den Swiss Foundation Code, teilweise gegen erheblichen Widerstand, durchzusetzen. Andererseits bin ich als Ausbilder und Dienstleister zugunsten von Stiftungen bei der Umsetzung des Swiss Foundation Code tätig.
DIE STIFTUNG: Herr Prof. Dr. Janssen, wir danken für diesen interessanten Einblick in das schweizerische Stiftungsmanagement.
Das Interview führte Gregor Jungheim.