Warum haben Sie die Ricola Foundation gegründet?
Lukas Richterich: Die Idee war, ein Gefäss zu errichten, um einigermassen gezielte Vorstellungen und Strategien umzusetzen und nicht irgendwelche Projekte zu unterstützen. Mein Bruder und ich dachten, dass es sinnvoll wäre, dass die Stiftung im Namen mit der Firma verbunden ist – aber als Stiftung zugleich klar die Möglichkeiten bietet, uns in Bereichen zu engagieren, die keinen kommerziellen Zweck haben. Das war keine spontane, aber doch eine recht unkomplizierte Entscheidung. Wir haben uns überlegt, was die Stiftung bewirken soll, haben eine Formulierung gefunden, gegründet und sehr opportunistisch geschaut, was wir tun können.
Und in den Zwecken auch eine Verbindung zu den Themen des Unternehmens gefunden.
Richterich: Es war für uns klar, dass die Themen Natur und Kultur eine Rolle spielen sollten. Wir als Firma und Eigentümerfamilie verstehen uns als sehr naturverbunden. Auch Kultur hat einen hohen Stellenwert. Es gibt durch die Emil-und-Rosa-Richterich-Beck-Stiftung, benannt nach meinen Grosseltern, schon eine Tradition, mit der wir kulturelle Bestrebungen unterstützen. Für uns war es reizvoll, Natur und Kultur zusammenzudenken. Ausgehend von der Überlegung, dass in Kultur das Kultivieren, das Anbauen, steckt – das für die Kräuter in unseren Produkten wesentlich ist.
„Ich bin mir bewusst, dass wir so, wie die Stiftung funktioniert, vieles nicht nach Lehrbuch umsetzen können.“
Lukas Richterich
Wie finden Sie Projekte?
Richterich: Wir bearbeiten keine Gesuche, sondern suchen selbst aktiv die Partner. So haben wir etwa Kontakt zu Bienenforschern der Universität Bern geknüpft. Aufgrund der Bedeutung der Bienen für die Bestäubung unserer Kräuter und Lebensmittel generell ist das ein ideales langfristiges Projekt. Seit zwölf Jahren haben wir damit eine recht konstante Gruppe von Ansprechpersonen, die sich organisiert haben in einem Netzwerk namens Coloss – Prevention of Honeybee Colony Losses. Darin koordinieren sich weltweit rund 1’500 Forscher. Unser zweites Thema ist Lehmbau. Wir haben vor acht Jahren einen grossen Bau aus Lehm errichtet, geplant von den Architekten Herzog und de Meuron, die etwa für die Hamburger Elbphilharmonie bekannt sind. Es geht um klimaschonende Faktoren des Lehms: Wir lagern darin Kräuter, ohne dass man heizen oder kühlen muss. Das Bauen mit recyclierbaren Materialien ist ein Thema zwischen Natur und Kultur, das gut zu unserer Stiftung passt. Wir unterstützen an der ETH Zürich die Forschung im Bauen mit regenerativen Materialien wie Lehm, Stroh oder auch Reis.
Wie ist die Stiftung organisiert?
Richterich: Für mich war von Anfang an die Idee, sie mit möglichst wenig Aufwand zu betreiben. Der Stiftungsrat ist das einzige Gremium. Er besteht aus mir, meinem Neffen Raphael Richterich und Matthias Schweighauser, einem externen Mitglied. Unser Mitarbeiter, Roman Kurzmeyer, ist für administrative und Geschäftsbelange zuständig. Wir haben einen Informationsaustausch mit der Ricola Group AG, wo wir uns gelegentlich austauschen und informieren, welche Aktivitäten wir fördern.
Wie läuft die Finanzierung?
Richterich: Die Stiftung ist hier im Umfeld unseres Familienunternehmens zu sehen. Das Unternehmen gehört der Ricola Familienholding AG. Sie fühlt sich auch zuständig für die Stiftung. Wir haben nur ein kleines Anfangsvermögen und alimentieren jährlich aufgrund der Geschäftslage die Stiftung mit einem bestimmten Betrag, der als Zuwendung weitergegeben wird. Das war eine grundsätzliche Entscheidung: Wir wollten keine Vermögensverwaltung für die Stiftung aufbauen, um aus deren Erträgen fördern zu können. Ich bin in beiden Gremien in Stiftung und Holding Mitglied.
Durch die finanzierende Holding besteht also auch eine Art Kontrollinstanz.
Richterich: Die Stiftung ist zwar autonom, aber die Kontrolle geschieht dadurch, dass nicht viel Geld zugesprochen würde, wenn der Stiftungsrat etwas täte, das nicht von der Mehrheit getragen würde. Insofern ist es schon so, dass die Familienaktionäre alle dahinterstehen – und auch stolz sind, dass es so eine Stiftung gibt. Wenn wichtige Entscheide anstehen, dann werden wir die nicht fällen, ohne dass wir eine Art Vernehmlassung oder Diskussion in der Familie führen. Wir schauen, dass alle dahinterstehen. Das Konsensprinzip ist uns wichtig.
Schwankt der Förderbetrag?
Richterich: Er kann schwanken, aber wir sorgen natürlich dafür, dass die Kooperationspartner genügend Geld für ihre Arbeit haben. Wir gehen nicht mehr Verpflichtungen ein, als wir finanziell unterstützen können.
Hat es in der Vergangenheit Überlegungen gegeben, eine Stiftung als Nachfolgelösung aufzubauen?
Richterich: Nein. Weder bei dieser Stiftung noch sonst. Wir sind mit der Holding sehr zufrieden.
Hätte bei dieser Struktur nicht verstetigtes Spenden ausgereicht?
Richterich: Ja, aber ich sehe eine andere Funktion: Wir können mit der Ricola Foundation eine gewisse Öffentlichkeit herstellen, die wir mit der Familienholding nicht möchten. So haben wir mit der Stiftung zum Beispiel schon eine Nummer einer Kulturzeitschrift gesponsert – und das auch gerne öffentlich kommuniziert. Die Familienholding hat eine ganz andere Funktion. Die Stiftung ist verbunden mit der Firma, will aber keine direkte kommerzielle Wirkung erzielen, wirbt auch nicht. Aber sie kann am Rand der Firma gesellschaftlich und kulturell unterstützen und auch wahrgenommen werden.
Das ist die Aussenwirkung. Welche Funktion hat die Stiftung in der Innenwirkung?
Richterich: Wir informieren die Mitarbeiter etwa über das Intranet über Aktivitäten der Stiftung, organisieren meist ein- bis zweimal jährlich einen Vortrag für die Mitarbeiter und dem Unternehmen zugewandte Personen. Da geht es dann um Themen aus der Stiftungsarbeit, etwa wenn ein Architekt zu Lehm oder ein Bienenforscher berichtet. Das sind kleine Aktivitäten des Austausches mit der Firma, die aber immer auf Interesse stösst und begleitend läuft. Aktivitäten, die wir als Unternehmerfamilie verantworten und durchführen.
Ist die viel diskutierte systematische Wirkungsmessung für Sie ein Thema?
Richterich: Nein. Ich bin mir bewusst, dass wir so, wie die Stiftung funktioniert, vieles, das wahrscheinlich Stiftungslehrgänge vermitteln, nicht nach Lehrbuch umsetzen können – und auch wollen. Der Vorteil der schlanken Struktur hat damit zu tun, dass die Wirkung relativ leicht messbar ist. Die Messung besteht darin, dass ich die relevanten Personen kenne und mir von ihnen glaubhaft schildern lasse, was sie mit dem Geld tun und was die Auswirkungen sind. Wir bekommen natürlich Berichte, aber letztlich funktioniert Qualitätssicherung und Messung über Auswahl und Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern.
Gremien zu besetzen, beschäftigt viele Stiftungen. Wie gehen Sie mit der Nachfolgefrage um?
Richterich: Sie beschäftigt uns natürlich. Raphael Richterich, mein Neffe, ist schon für meinen Bruder eingetreten. Die Idee ist also schon da. Ich werde die Arbeit noch ein paar Jahre machen und auch weiterentwickeln. Es ist klar, dass diese Art von Stiftung sehr persönlich geführt und geprägt ist. Die Frage, wie es weitergeht, ist berechtigt. Es gibt allerdings genügend Ressourcen in der Familie.