Zur Premiere der Zürcher Debatte lud DIE STIFTUNG drei Experten ein: Dr. Peter Spinnler (Aminato-Stiftung), Jan Viebig (Bank Vontobel) und Holger Gachot (Star Capital). Die Diskussion drehte sich um die Möglichkeiten, die Stiftungen angesichts des Niedrigzinsumfeldes ergreifen können und welche Voraussetzungen, etwa bei der Expertise eines Stiftungsrates, dafür notwendig sind.

DIE STIFTUNG: Es ist mehrfach angeklungen: Buy & Hold ist Vergangenheit, aktives Portfoliomanagement angesichts der Komplexität notwendig. Stiftungen müssen sich also vermehrt externen Sachverstand sichern?
Spinnler: Die zunehmende Komplexität ist unbestritten. Aber wenn Sie an die verschiedenen Risikoprämien-Strategien denken, die Herr Viebig angesprochen hat, da bekommen Sie mit dem Stiftungsrat ein Problem: Dort fehlt genau dieses Know-how. Wir sprechen in der Schweiz massiv von einer Professionalisierung. Denn selbst wenn Sie das delegieren: Dann müssen Sie ja immer noch überprüfen, was der Mandatierte mit dem Stiftungsvermögen macht. Und das setzt ein Verständnis voraus, wie die Performance, die gute oder die schlechte, zustande kommt. Und da sind wir beim kritischen Punkt, denn dieses Verständnis ist im Stiftungsrat nur sehr selten vorhanden. Das führt dazu, dass Sie klassisch anlegen, also simpel. So wie es Warren Buffet einst formulierte: Lege nur in das an, was du verstehst. Wenn Sie die Techniken einsetzen, die Herr Viebig mit den verschiedenen Strategien für Stiftungen vorgeschlagen hat, dann versteht der Stiftungsrat in aller Regel nur Bahnhof.
Viebig: Hier haben wir ein strukturelles Problem. Die traditionelle Anlageform von Stiftungen wird auch in den kommenden Jahren nicht mehr so funktionieren wie in der Vergangenheit, weil wir im Niedrigzinsumfeld sind und Aktienbewertungen insbesondere in den USA nicht mehr niedrig sind. Kapitalstock bewahren und Rendite für Stiftungszweck erwirtschaften: Kann das mit den traditionellen Assetklassen funktionieren? Ich meine: Nein. Stiftungen müssen heute nicht nur über Assetklassen und Sektoren diversifizieren, sondern auch über Strategien. Sie sind dort gut aufgehoben, wenn diese Strategien transparent, liquide und kosteneffizient sind. Es muss ein Umdenken bei Stiftungen stattfinden, um den Kapitalstock zu erhalten.
Gachot: Stiftungen stehen ja in dem Dilemma, dass hoch verzinste Anleihen jetzt auslaufen und die Mittel neu angelegt werden müssen. Und das in einem Umfeld, wo wir auf einem 30-jährigen Zinstief angelangt sind und nach einer Marktphase, in der jeder wohl auch privat bei Investments Blessuren erlitten hat und eingeschüchtert ist. So etwas führt zu defensiven Investments. Das ist gefährlich, wenn man sich die Geschichte anschaut, denn die Hälfte der Stiftungen hat die Weltwirtschaftskrise wegen ihres Anleiheübergewichts nicht überlebt. Überlebt hat Sachwertkapital. Hier ist die Aktie unverzichtbar als Sachwert mit Wertschöpfungscharakter. Natürlich unterliegt die Aktie Schwankungen, was bei Aktien besonders stört, ist der tägliche Preis. Wir erhalten Dividendenrenditen von bis zu 3%, das heisst, wir liegen sogar auf höherem Niveau als bei Staatsanleihen.

DIE STIFTUNG: Welche Assetklassen sehen Sie denn über Aktien und Anleihen hinaus als geeignet und auch für Stiftungen vermittelbar an?
Spinnler: Bei uns ist seit einigen Jahren eine Alternative ziemlich klar, und das sind nachhaltige und zweckgerichtete direkte Investitionen. Da gibt es in der Schweiz eine Reihe von Stiftungen, die das sogenannte Mission Related Investing umsetzen. Klar muss sein, dass Sie bei diesen Private-Equity-ähnlichen Direktinvestments in eine ganz andere Risikostruktur gehen. Aber Sie realisieren den Stiftungszweck auf eine andere Weise. Für eine andere Stiftung bin ich in einem Mikrofinanzfonds involviert. Da haben Sie finanztechnisch eine sehr geringe Korrelation. Die Pensionskasse der Schweizer Post hat ca. 150 Mio. CHF in einen solchen Mikrofinanzfonds gesteckt – nicht als Mission Related Investing, sondern weil die Anlage-Gremien von der geringen Korrelation beeindruckt waren.
Viebig: Um Renditen oberhalb des risikolosen Zinses zu erzielen, müssen Sie Risiken eingehen. Das gilt für Investments in traditionelle Anlagen ebenso wie für Investments in Alternatives. Heute werden Produkte nachgefragt, die eine Zielrendite von Libor (Referenzzinssatz im Interbankengeschäft, Anm. d. Red.) plus 300 bis 500 Basispunkte bei einer erwarteten Volatilität von maximal 7% pro Jahr erwirtschaften sollen. Bei der Umsetzung dieses Zieles stehen Stiftungen, Pensionsfonds und andere institutionelle Anleger vor dem Problem, dass die Zinsen von Anleihen derzeit mager sind und Aktien über lange Zeiträume eine Volatilität von rund 16% pro Jahr aufweisen. Allein mit Investments in traditionelle Anlagen können Stiftungen ihre Anlageziele im derzeitigen Niedrigzinsumfeld nur schwer realisieren. Renditen in Höhe von Libor plus 300 bis 500 Basispunkten kann man im derzeitigen Kapitalumfeld bei vertretbaren Risiken am besten erzielen, wenn man traditionelle und alternative Risikoprämien gleichzeitig nutzt. Stiftungen, die den Kapitalerhalt sicherstellen müssen, sind gut beraten, wenn sie sich auf Risikoprämien konzentrieren, die ökonomisch wohl begründet und empirisch gut belegt sind. Zu diesen Strategien zählen insbesondere die bereits erwähnten Value-, Momentum- und Prämienstrategien. Die richtige Auswahl und die intelligente Mischung von Investmentstrategien sind im derzeitigen Niedrigzinsumfeld entscheidend für den Anlageerfolg.
Gachot: Wenn ein Stiftungsrat nicht die Fach- und Sachkenntnis hat, um Entscheidungen zu treffen, die über das normale Anlageuniversum hinausgehen, dann wird oft entschieden, eine direkte Beteiligung einzugehen, beispielsweise in Private Equity oder Mission Related Investing. Das setzt meines Erachtens aber eine viel höhere Kompetenz voraus. Ich möchte nur mal erinnern: Wenn Sie eine Stiftung auf dem Gebiet alternativer Energien haben und die ihr Kapital in Hersteller von Solarenergie investiert hat, wo wir ja erst kürzlich einige Pleiten gesehen haben, dann ist das Stiftungskapital auch weg. Thema Mikrofinanz: Ja, sie haben eine niedrige Korrelation zu klassischen Assetklassen, sind aber oft nicht liquide. Ich möchte nicht wissen, wie die Postpensionskasse 150 Mio. CHF kurzfristig abziehen könnte, wenn sie das möchte. Daneben möchte ich ein in Deutschland beliebtes Thema nennen, sogenannte Mittelstandsanleihen. Da wird immer gesagt, da kauft man eine schöne Anleihe eines mittelständischen Unternehmens und man bekommt 8 oder 9%. Aber der Micro-Bond-Index hat seit Auflage 4% Verlust gemacht, gegenüber dem Rex Performance Index mit ca. 5% p.a.

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