Besucher müssen sich erst einmal zurechtfinden, wenn sie den Campus der Montag-Stiftungen betreten: Drei modern sanierte Villen blicken in Bonn Gronau zwischen Bundesrechnungshof und Kartellamt auf den Rhein, unweit der Villa Hammerschmidt, wo bis 1994 der Sitz des Bundespräsidenten war.

Der Stifter Carl Richard Montag. Foto: Claudia Reiter
Gleich fünf Stiftungen haben am Montag-Campus ihren Sitz, alle tragen den Nachnamen des Stifters Carl Richard Montag im Namen. Eine der Stiftungen befasst sich mit Jugend und Gesellschaft, eine mit urbanen Räumen, eine dritte mit Kunst und Gesellschaft, zwei weitere Stiftungen haben eine unterstützende Funktion in der Stiftungsgruppe – eine Stiftung finanziell, die andere ideell. Der Schlüssel zu dem komplexen Stiftungsgeflecht liegt in der Vita des Stifters.
Der inzwischen 93-jährige Stifter Montag gibt in dem von seiner Förderstiftung herausgegebenen Bildband „So war’s“ Einblicke in sein Leben. Er beschreibt in kurzen, elliptischen Sätzen und mit Fotos untermalt seinen Werdegang: seine frühe Begeisterung für Musik und Malerei, das Aufkommen des Nationalsozialismus, der den ablehnenden Vater und seinen begeisterten Bruder entzweite, die Begegnung mit einem russischen Kriegsgefangenen, der Mendelssohn und Bach spielte und dem der damals 14-jährige Montag seine Geige schenkte.
Ritt durch Kriegswirren

Bernd Bach ist Vorstand der Carl-Richard-Montag-Förderstiftung. Foto: Montag-Stiftungen/Sarah Heuser
Die Kurzbiographie, die sich wie ein Ritt durch die Wirren der späten Kriegsjahre und der Nachkriegszeit liest, ist gespickt mit Kommentaren, die ein humanistisches Weltbild offenbaren und das Zeitgeschehen teils kritisch kommentieren („Nazis gibt es über Nacht nicht mehr“). Auch gibt Montag Einblicke in sein Gefühlsleben, etwa in der Beschreibung seiner späteren Frau, die der deutlich jüngere Montag mit 17 Jahren kennenlernt („Ich erlebe, wie sie möglichst verborgen das Wenige, das sie hat, mit Menschen in Not teilt“).
Diese Bekanntschaft ist eine Zäsur in seiner Vita: Durch die Verantwortung für die Familie seiner Frau – sie hat bereits drei Kinder – und seine eigene Familie – der Vater verstirbt 1955 – gerät Montag unter wirtschaftlichen Druck. „Herr Montag ist als Landschaftsmaler in die Welt gestartet“, sagt Bernd Bach, einer von zwei Vorständen der Carl-Richard-Montag-Förderstiftung. „Er kam durch die Kriegswirren zu seinem unternehmerischen Engagement. Aber er ist auch ein unternehmerischer Mensch.“
Anders als andere Unternehmer der Nachkriegszeit erbt Montag keine große Firma. „Sein Vater war ein Ein-Mann-Malerbetrieb“, sagt Bach. „Montag hat mit eigenen Bauprojekten sein Vermögen erarbeitet.“ Während die Renovierungs- und Bauprojekte, die Montag mit einer wachsenden Zahl an Mitarbeitern bewerkstelligt, im Laufe der Jahre deutlich umfangreicher werden, findet sich in der Biographie Montags auch immer wieder das Motiv des verhinderten Künstlers. Zugleich reflektiert Montag in seiner Kurzbiographie, vermerkt unter der Jahreszahl 1947: „[Ich] erkenne, wie Malerei, Bildhauerei und Handwerk in der Architektur zu Hause sind.“

Ein Fest auf dem durch die Stiftung Urbane Räume geförderten „FreiFeld“ in Halle an der Saale. Foto: Steffen Schellhorn/Montag-Stiftungen
Strukturschwache Regionen
Als Montags Frau 1989 nach 43 Jahren Partnerschaft verstirbt, gründet Montag eine Kunststiftung. Weitere Stiftungen folgen, etwa 1998 die Montag- Stiftung Jugend und Gesellschaft, die sich mit inklusiver Pädagogik beschäftigt und auch die Frage aufwirft: Wie müssen Schulgebäude beschaffen sein, um Inklusion zu ermöglichen?

Karl-Heinz Imhäuser ist Vorstand der Carl-Richard-Montag-Förderstiftung. Foto: Montag-Stiftungen/Sarah Heuser
An der Schnittstelle zu pädagogischer Architektur ist auch die Montag-Stiftung Urbane Räume tätig. Diese Stiftung, der Rechtsform nach eine gAG, ist die Stiftung in dem Konglomerat, die der Erwerbsarbeit Montags am nächsten steht. Heute führt sie große Immobilienprojekte in strukturschwachen Regionen mit dem Ziel durch, diese Nachbarschaften attraktiver zu machen und Räume für Begegnung anzubieten. In den sanierten Gebäuden – häufig alte Fabrikhallen – entstehen Wohn-, Büro- und Gemeinschaftsflächen. Die Bauprojekte sollen immer auch die Anwohner zum Mitmachen und -gestalten animieren. „Wir schaffen Wohnraum für Milieus, die ansonsten keinen Wohnraum finden, Handwerksbetriebe lassen sich nieder, Co-Working-Räume und Flächen für Start-ups entstehen, Jugendliche sollen Andockungsmöglichkeiten finden. Die Immobilien sollen attraktive Zentren sein und Perspektiven für durch den Strukturwandel benachteiligte Stadtquartiere bieten“, sagt Bach.
Karl-Heinz Imhäuser, ebenfalls Vorstand der Dachstiftung der Montag-Stiftungen, erklärt, wie die Stiftung geeignete Immobilien findet: „Die Montag Stiftung Urbane Räume hat eigene Kriterien bei der Auswahl. Dazu zählen etwa die Größe der Stadt, der Anteil an Arbeitslosengeld-II-Beziehern, Anzahl an Alleinerziehenden und weitere Sozialindexkennzahlen.“ Bei diesen Suchkriterien kommt die Stiftung keinen gewerblichen Immobilienentwicklern in die Quere, rein wirtschaftlich seien die Orte nicht attraktiv genug: „Kein freier Investor geht in die Quartiere, wo wir hingehen. Deswegen sprechen wir auch von Initialkapital. Die Projekte sind Plattform und Motor, die das Engagement der Akteure langfristig sichern. Auch sind sie ein Startschuss für umliegende Hausbesitzer und weitere Unternehmer, die investieren und dann mit ihrer Firma dorthin gehen – uns geht es auch um Nachahmer“, sagt Imhäuser.
Insgesamt vier solcher Immobilienprojekte hat die Stiftung mittlerweile entwickelt: Die Samtweberei in Krefeld, die Ko-Fabrik in Bochum, den Bob-Campus in einer früheren Textilfabrik sowie das Freifeld in Halle an der Saale, das mittlerweile in die langfristige Trägerschaft des Vereins von Akteuren vor Ort „Freiimfelde e.V.“ übergegangen ist. Zwei weitere Projekte in Remscheid auf dem Honsberg und die ehemaligen Gold-Zack-Werke in Wuppertal geht die Stiftung gerade an. Einen regionalen Schwerpunkt gibt die Stiftungssatzung nicht vor. Da die Projekte aber erreichbar sein sollen, hat sich NRW als Förderschwerpunkt herauskristallisiert. „NRW ist ja auch total im Strukturwandel“, kommentiert Bach.
- Die Immobilienprojekte der Montag Stiftung Urbane Räume: Die Samtweberei in Krefeld. Foto: Marcel Rotzinger
- Die KoFabrik in Bochum. Foto: Alexander Schneider
- Der BOB-Campus im Bau …
- … und bei der Eröffnung. Fotos (x2): Simon Veith
- Die Gummibandweberei Gold-Zack in der Elberfelder Nordstadt in Wuppertal. Foto: Montag-Stiftungen
Die Financier-Stiftung der Montag-Stiftungen
Bei den Immobilienprojekten – wie bei überhaupt allen Projekten der Montag-Stiftungen – fungiert die Carl-Richard-Montag-Förderstiftung als Financier. Zwar sind die meisten Montag-Stiftungen Stiftungen bürgerlichen Rechts. Die Förderstiftung verfügt aber über das gesamte Stiftungskapital der Montag-Stiftungen. Einen Großteil seines privaten Vermögens soll Montag dort eingebracht haben. Genaue Zahlen wollen die Vorstände nicht nennen, nur so viel: „Das Kapital ist im Wesentlichen in Immobilien angelegt. Wir verfügen über vermietete Flächen in großen Gewerbeimmobilien. Ein wesentlicher Teil der Einnahmen geht in die Projekte nach dem Initialkapital-Prinzip. Die Investitionen in die Instandsetzung dieser Immobilien umfassen jeweils rund zehn Millionen Euro.“
Die Vorstände der operativen Montag-Stiftungen beantragen Mittel bei der Förderstiftung. „So kann die Förderstiftung sicherstellen, dass ihre finanziellen Mittel nur für Aktivitäten und Projekte bereitgestellt werden, die sich an den zentralen Anliegen des Stifters orientieren“, erklärt Imhäuser. Das sei in der Satzung so verankert.
„Die Investitionen in die Instandsetzung umfassen jeweils rund zehn Millionen Euro.“
Bernd Bach
Bauunternehmer Carl Richard Montag selbst ist nicht mehr für die Stiftungen tätig. „Herr Montag hat weder eine Vorstandsfunktion noch einen Sitz im Beirat oder Kuratorium und hat auch keine Familienmitglieder durch die Stiftung versorgt. Er vertraut auf seine Charta und Satzung.“ In seiner Charta führt Montag aus, dass die Stiftungen offen, sachorientiert und transparent handeln sollen, und formuliert einen Rahmen für die Zusammenarbeit der Montag-Stiftungen.
Montag lebt teilweise in Italien, teils in Bonn und widmet sich wieder vermehrt der Kunst. „Er arbeitet mit Ton, mit Glas und mit Metall. Er ist zu seinen Ursprüngen zurückgekehrt“, sagt Bach. Seinen Stiftungen stattet er weiterhin regelmäßig Besuche ab. „Ihn interessiert alles, was in diesen Stiftungen passiert. Alle paar Wochen ist er da und informiert sich“, sagt Imhäuser. „Es ist aber mehr ein Interesse als ein Eingreifen. Wenn wir ihn fragen ‚Sind Sie damit zufrieden?‘ ist die Antwort immer: ‚Ja!‘ Und seine Dauerfrage lautet: ‚Was machen wir als Nächstes?‘ Das ist der Unternehmer in ihm.“