Neue Formen der Kooperation, des Lernens und der Kommunikation – die Digitalisierung stellt Stiftungen vor Herausforderungen, bringt aber auch viele neue Möglichkeiten mit sich. Richard Heinen, Projektleiter der Montag-Stiftung Jugend und Gesellschaft, setzt sich im Bereich Bildung mit dem digitalen Wandel auseinander.

Die Montag-Stiftung Jugend und Gesellschaft setzt sich mit Ihrem Projekt „Bildung im Digitalen Wandel“ dafür ein, Lernende auf das Leben in einer digitalisierten Welt vorzubereiten. Geht es bei der Digitalisierung um bessere technische Ausstattung und die Integration von Programmiersprache in den Lehrplan?

Digitalisierung bedeutet in diesem Kontext deutlich mehr als neue Geräte und Anwendungen oder ein neues Schulfach. Die Digitalisierung durchdringt alle Bereiche des Lehrens, Lernens und des Lebens. Es ändern sich vor allem Prozesse und Methoden. Durch die digitale Technik sind neue Formen der Kommunikation, Kooperation, Kreativität und des kritischen Denkens gefragt, die über die reine Anwendung von Technik hinausgehen. Ziel von Bildung im digitalen Wandel ist nicht das „Fitmachen“ von effizienten Anwendern oder spezialisierten Fachkräften. Zeitgemäße Bildung muss Kindern die erforderlichen Kompetenzen vermitteln, um ein selbstbestimmtes, erfolgreiches und kreatives Leben in einer digitalen Gesellschaft gestalten und aktiv daran teilnehmen zu können. Die Digitalisierung als isoliertes technisches Problem zu betrachten, greift zu kurz. Sie ist eine gesamtgesellschaftliche Chance.

Wie können Stiftungen diese gesamtgesellschaftliche Chance nutzen?

Richard Heinen ist bei der Montag-Stiftung Jugend und Gesellschaft Projektleiter im Bereich Bildung im digitalen Wandel. Foto: 4.0 Klaus Schwarten

Digitalisierung ist ein umfassender gesellschaftlicher Prozess und bietet eine neue Perspektive auf bestehende Themen, die Stiftungen bearbeiten. Am Beispiel der Montag-Stiftung Jugend und Gesellschaft gilt dies etwa für die Projektschwerpunkte „Pädagogische Architektur“, „Inklusion“ und „Lernen im Ganztag“.  Es geht nicht um ein „Jetzt auch noch Digitalisierung“, sondern um Fragen wie: Wie spielen pädagogische Architektur und Digitalisierung zusammen? Wie kann Digitalisierung Inklusion unterstützen und welche Potenziale hat digitale Technik in einer ganztägigen Bildungsreinrichtung, in der multiprofessionelle Teams zusammenarbeiten.

Mit welchen konkreten Maßnahmen können Stiftungen einen Beitrag zur Digitalisierung und dem damit einhergehenden gesellschaftlichen Wandel leisten?

Lernen mit digitaler Technik ermöglicht ganz neue Formen der Differenzierung und kann damit den Wandel zum individualisierten Lernen nachhaltig unterstützen. Der Unterricht mit digitalen Lernmitteln steckt an vielen Schulen in Deutschland noch in den Kinderschuhen und ist oftmals nur eine Kopie überholter Lernformate und Materialien, welche nicht auf die Herausforderungen inklusiven Lernens eingehen. Individualisierte Lernarrangements zeigen ihre volle Wirkung erst durch den Einsatz entsprechender Lernmaterialien, die nicht nur selbsterklärend sind, sondern Schülerinnen und Schüler in ihrem Lernprozess bestmöglich unterstützen. Dazu gehören die Nutzung verschiedener Medien zur Präsentation neu erworbenen Wissens, Internetzugang zur selbstständigen Recherche, sowie die Schulung von Medienkompetenz. Darüber hinaus eröffnen digitale Nutzerdaten neue Formen der Selbstreflexion und Dokumentation von Lernerfolgen. Trotz der Vorteile digitalen Lernens mangelt es noch an Konzepten, die ausreichend auf die Bedürfnisse von Lernenden als auch der Lehrenden eingehen und auf die deutsche Bildungslandschaft skaliert werden können.

Welchen Beitrag leisten die Projekte der Montag-Stiftung Jugend und Gesellschaft?

Das Pilotprojekt „Digitales Lernbüro” setzt mit dem Ziel an, Herausforderungen für Lernende und Lehrende in Lernumgebungen mit digitaler Technik zu ermitteln. Gleichzeitig soll der Austausch zwischen Stakeholdern im Bereich individualisierter und digitaler Lernformate angeregt und gefördert werden. Im Fokus steht dabei, spezifische Anforderungen an digitale Lernmaterialien zum individualisierten Lernen zu identifizieren. Mit der Heliosschule in Köln unterstützen wir außerdem eine neue reformpädagogische Schule, die mit ihren didaktischen Konzepten Inklusion, Individualisierung, kooperatives Arbeiten und selbstgesteuertes Lernen umsetzt. Dafür nutzt sie digitale Instrumente wie Lernbausteine in Lernbüros und Werkstätten, Lerntagebücher und gemeinsame Materialentwicklung – alles als Open Educational Ressources (OER), um andere Schulen bei der Einführung und Umsetzung ähnlicher didaktischer Konzepte zu unterstützen. Dazu setzen wir auf Kooperation: Um das Gründungsteam der Heliosschule hat die Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft ein Netzwerk von Schulen mit ähnlichen pädagogischen Grundsätzen und dem Ziel einer gemeinsamen Reaktion auf die Anforderungen der Digitalisierung aufgebaut, in dem sich die Schulen unterstützen und gemeinsam arbeiten.

Wie wichtig sind Kooperationen, um dieses gesamtgesellschaftlichen Herausforderung zu bewältigen?

Digitalisierung bedeutet eben auch: Neue Formen der Kooperation erproben, kreative Lösungen finden und gesellschaftliche Prozesse gemeinsam kritisch begleiten. Um im Bereich der Bildung im digitalen Wandel eine größere Reichweite zu haben, ist die Montag-Stiftung Jugend und Gesellschaft Mitglied im „Forum Bildung Digitalisierung“, zu dem sich mit der Deutsche-Telekom-Stiftung, Bertelsmann-Stiftung, Robert-Bosch-Stiftung, Siemens-Stiftung, Dieter-Schwarz-Stiftung und der Montag-Stiftung Jugend und Gesellschaft, unterstützt von der Stiftung Mercator, sieben Stiftungen zusammengeschlossen haben. Ihr Ziel ist es, die Fragen einer Schulentwicklung in einer Gesellschaft im digitalen Wandel gemeinsam zu adressieren. Die Montag-Stiftung Jugend und Gesellschaft bringt sich aktiv in diesen Prozess ein.

www.montag-stiftungen.de

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