Die in Zürich ansässige Jacobs Foundation hat sich seit mehr als 20 Jahren einen Namen als Förderer im Bereich der Kinder- und Jugendentwicklung gemacht. Dabei hat die Stiftung bislang immer andere Akteure aus Forschung und Praxis unterstützt. Jetzt wird die Jacobs Foundation selbst zum Handelnden. Ein Rollenwechsel mit deutlichen internen und externen Konsequenzen.
Von Dr. Bernd Ebersold und Sandro Giuliani
Als unser Stiftungsrat im April 2011 sein Okay für das neue Programm „Bildungslandschaften Schweiz“ gab, waren wir entspannt und angespannt zugleich. Einerseits hatten wir nach eingehender Vorbereitung den Beschluss für unser erstes Programm mit eigener operativer Verantwortung erhalten und damit unser erstes Etappenziel auf dem Weg von einer reinen Förderstiftung zu einer auch operativ tätigen Stiftung erreicht. Andererseits war uns klar, dass die eigentliche (Programm-)Arbeit mit möglichen Hürden und Hindernissen erst noch vor uns lag.
Rückblende: Bereits im Jahr 2006 begannen wir mit der gezielten Vorbereitung unseres Einstiegs in die operative Projektarbeit. Der erste Schritt war die Einrichtung einer Geschäftsführung mit verschiedenen Programmbereichen und Programm-Managern, der nächste Mitte 2009 die Verdopplung des für die Programmarbeit verantwortlichen Personals von drei auf sechs Stellen.
Auf dieser Basis sollen nun zukunftsträchtige Themenschwerpunkte identifiziert werden und die Stiftung zu innovativen Handlungsansätzen gelangen. Ein evolutionär angelegter Veränderungsprozess, der letzten Endes einen großen Wandel in der Organisationsstruktur und -kultur darstellen sollte.
Uns war von Anfang an klar, dass die Übernahme von operativer Verantwortung stiftungsintern nicht ohne größere strukturelle und kulturelle Voraussetzungen gelingen konnte. So mussten beispielsweise etablierte Ablaufprozesse überarbeitet, neue Stellenprofile geschaffen und operativ tätiges Personal rekrutiert werden. Auch rechtliche Fragen stellten sich auf einmal aus einer ganz neuen Perspektive: Decken die jahrelang verwendeten Förderrichtlinien eigentlich die Bedürfnisse von operativ angelegten Kooperationsvereinbarungen ab oder ergeben sich zum Beispiel ganz andere Haftungsfragen?
Außerdem ist es für eine Stiftung, die den wissenschaftlichen Kernprinzipien der Ergebnisoffenheit und Methodenvielfalt verpflichtet ist, ein erheblicher kultureller Unterschied, nun für einen ganz spezifischen Handlungsansatz zu stehen und von außen über diesen wahrgenommen zu werden. Die große Sorge ist natürlich, mit der neuen Projektidee zu Scheitern. Dies mag trivial erscheinen, wiegt aber doch um einiges schwerer, wenn man dieses Risiko zum ersten Mal tatsächlich selbst trägt.
Im April 2011 fiel schließlich der Startschuss für die operative Stiftungsarbeit. Unser erstes Anliegen war, die Zusammenarbeit von schulischen und außerschulischen Akteuren zu verbessern, um Schweizer Kindern und Jugendlichen gleichberechtigte Chancen auf eine umfassende Bildungsqualität über die Schule hinaus zu ermöglichen. Das Projekt „Bildungslandschaften Schweiz“ verfolgt damit einen Handlungsansatz, bei dem es um die Zusammenarbeit von verschiedenen Menschen aus verschiedenen Systemen und Kulturen mit unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen und hierarchisch-administrativen Zuständigkeiten geht.
Und genau hierbei ist unserer Meinung nach eine unabhängige Stiftung ideal platziert, um die Rolle des Vermittlers zu übernehmen. Wir können unsere Erfahrungen aus den Bereichen Forschung und Praxis ohne politische Agenda institutionsübergreifend einbringen und als „neutrale Instanz“ auftreten.
Natürlich haben wir uns gefragt, wie dies tatsächlich am besten geschehen kann. Wir sind nach einigem Pro und Kontra zu dem Entschluss gekommen, diese „Vermittler-Rolle“ in den eigenen Reihen der Stiftung anzusiedeln. Daher haben wir eigens die neue Stelle „Program Manager Bildungslandschaften Schweiz“ geschaffen und die entsprechende Vakanz im Sommer 2011 ausgeschrieben. Von der Bewerberflut waren wir sehr beeindruckt. Die Kombination aus Mitarbeit in einer Förderstiftung bei gleichzeitiger Übernahme von operativer Verantwortung war für die Bewerber offensichtlich sehr attraktiv.
Im August 2011 hatten wir eine geeignete Kandidatin gefunden, die seitdem für die operative Umsetzung des Programms zuständig ist. Derzeit verhandelt sie zum Beispiel Kooperationsvereinbarungen mit interessierten Kantonen, die anschließend Ausschreibungen lancieren, auf die sich interessierte Gemeinden für eine Teilnahme am Programm bewerben können.
Um „Bildungslandschaften Schweiz“ breit verankern und steuern zu können, haben wir außerdem eine nationale Steuergruppe einberufen. Mitglieder dieser Gruppe sind zum Beispiel die Generalsekretäre der Konferenzen der kantonalen Erziehungs- und Sozialdirektoren sowie Spitzenfunktionäre der nationalen Lehrergewerkschaften und Jugendverbände. Programmatische Eigenverantwortung schließt also diskursiv gewonnene Handlungskonzepte und Kooperationen nicht aus – im Gegenteil.
Am deutlichsten manifestiert sich der Rollenwechsel vom Förderer zum Akteur in den Gesprächen und Verhandlungen mit den externen Projektpartnern auf Kantonsebene. Als kapitalstarke Förderstiftung waren wir es bislang gewohnt, uns die Ideen der Projektpartner anzuhören und relativ autonom über eine mögliche Förderung zu entscheiden. Nicht so bei dem Programm „Bildungslandschaften Schweiz“. Hier sind wir nun auf einmal selbst Akteur, stellen bei möglichen Projektpartnern unsere Ideen vor und werben für eine Kooperation.
Dieser Rollenwechsel erfordert natürlich ein internes Umdenken auf Programmebene, beim Management und im eigenen Stiftungsrat. Wir haben daher dieses Gremium frühzeitig in unsere Überlegungen eingebunden und unseren Ansatz klar kommuniziert, so dass wir den entsprechenden Beschluss im Rahmen der Stiftungsratssitzung bekommen haben. Im Team der Stiftung stellen wir zum Beispiel im Rahmen unserer wöchentlichen Meetings sicher, dass alle auf dem letzten Stand der Dinge sind. Die interne Kommunikation hat im Zuge dieses Rollenwechsels eine größere Bedeutung bekommen. Wenn man sich auf diesen Wandel eingelassen hat, kann er sehr bereichernd wirken und einen positiven Einfluss auf die Kooperationskultur der gesamten Organisation haben.
Im Rahmen der externen Kommunikation haben wir eine eigene Website für das Programm gestaltet, die fortlaufend von dem Program Manager betreut wird. Außerdem haben wir verschiedene Publikationen, unter anderem eine Imagebroschüre mit einer eigenen Cartoon-Bilderwelt, herausgegeben. Die Programmankündigung und den offiziellen Programmstart haben wir durch Medienmitteilungen und Journalistengespräche begleitet.
Und wie wird dieser Rollenwechsel der Jacobs Foundation im Schweizer Nonprofit-Sektor gesehen? Eingespielte Wahrnehmungen verändern sich nur sehr langsam. Daher ist es nicht verwunderlich, dass der Großteil der Schweizer Vergabestiftungen die operative Neuausrichtung in unserer Projektarbeit bislang noch wenig wahrgenommen hat. Und den zivilgesellschaftlichen und öffentlichen Partnerorganisationen fällt es teilweise schwer, die Jacobs Foundation nicht „nur“ als Geldgeber, sondern auch als Akteur und möglichen inhaltlichen Partner zu sehen.
Daher sind wir uns sicher: Der weitere Weg – nicht nur als Wegweiser, sondern auch als Wegbeschreiter – wird kein leichter sein.
Was es beim Wandel zur operativen Stiftung zu beachten gilt
- Die Erprobung eines neuen Geschäftsmodells muss auf bewussten Entscheidungen des Stiftungsrates und des Managements beruhen, von langer Hand geplant und in einen praktikablen operativen Handlungsrahmen eingebettet sein.
- Anpassungen in der internen Aufbau- und Ablauforganisation müssen umsichtig geplant und möglicherweise budgetiert werden.
- Die Auswirkungen auf die interne Organisationskultur dürfen nicht unterschätzt werden.
- Im Falle der Übernahme von operativer Verantwortung ist darauf zu achten, nicht unnötigerweise zu etablierten operativen Akteuren in Konkurrenz zu treten.
- Es braucht Verständnis dafür, dass der Rollenwechsel „vom Förderer zum Akteur“ in den ausgewählten Aktionsfeldern in der internen wie externen Wahrnehmung nicht nur viel Zeit benötigt, sondern auch an der einen oder anderen Stelle mit einem Risiko des Scheiterns verbunden ist.
Dr. Bernd Ebersold ist Geschäftsführer der Jacobs Foundation. Die Organisation wurde 1988 von dem Unternehmer Klaus J. Jacobs und seiner Familie gegründet und fördert seitdem weltweit die Entwicklungs- und Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen. Ziel der Stiftungsarbeit ist dabei ein Brückenschlag zwischen Forschung und praktischen Interventionsprogrammen.
Sandro Giuliani ist bei der Jacobs Foundation als Program Officer verantwortlich für den Bereich Interventionsprogramme und Umsetzung. Er hat die Gesamtverantwortung für das Programm „Bildungslandschaften Schweiz“.