Mit der Klima-Arena will Stifter und SAP-Gründer Dietmar Hopp den Klimawandel für Besucher begreifbar machen. Für den Bau des Vorzeigeprojekts hat seine Stiftung 40 Millionen Euro gezahlt und eine weitere Stiftung gegründet. Die Klima-Arena soll auch ein Ort für Kontroverse sein.

Der Amazonas ist zerstört. Nur in vereinzelten Gewächshäusern wächst der Urwald noch so grün und üppig, wie man ihn heute kennt. Außerhalb der Glaskuppel ist verwüsteter, kahler Boden, auf dem die Maschinen stehen, die die grüne Illusion am Leben halten. Die Fahrt durch den zerstörten Amazonas spielt sich in einer Simulation ab, die im Jahre 2100 in einem fliegenden „Hyperbus“ um die Erde führt. Besuchern der Klima-Arena im baden-württembergischen Sinsheim zeigt das dargestellte Szenario den von Klimaforschern untersuchten Worst Case: In diesem steigt die Weltbevölkerung bis 2100 auf zwölf Milliarden Menschen an, der Primärenergieverbrauch verdreifacht sich, und der erhöhte Energiebedarf wird größtenteils durch fossile Brennstoffe gedeckt. Der Boden vibriert, als der Hyperbus wieder abhebt.

Alfred Ehrhard ist Vorstandsvorsitzender der Klimastiftung für Bürger. Foto: Klimastiftung

Ein weiteres Problem, das die Menschheit bis Ende dieses Jahrhunderts beschäftigen wird, ist der Rückgang der Biodiversität. Der Hyperbus gleitet an Reklametafeln vorbei, die Zoos bewerben, in denen die letzten Exemplare verschiedener Tierarten zu besichtigen sind. Als weitere Reiseziele werden Naturwunder wie die Iguazu-Wasserfälle an der Grenze zwischen Brasilien und Argentinien angepriesen. „Die Botschaft der Animation lautet: ‚Die Erde ist so schön, warum zerstören wir sie?‘“, sagt Alfred Ehrhard, Vorstandsvorsitzender der Klimastiftung für Bürger, die die Klima-Arena betreibt.

Auf dem Weg zur nächsten Station kommt es zu einem unerwarteten Zwischenstopp: In einer überfluteten ehemaligen Nasa-Station muss der Bus notlanden. Um den Flieger wieder zum Starten zu bringen, müssen die Besucher Hand anlegen und mit Controllern Rätselaufgaben lösen; manche davon sind nur im Team zu schaffen. Das Rätsel solle zu Kooperation animieren, erklärt Simone Schiebold, geschäftsführende Gesellschafterin der Kommunikationsagentur Flad & Flad, die die Ausstellung größtenteils konzipiert hat. „Wie man konkret zusammenarbeiten kann, löst die Ausstellung dann auf.“ Haben die Besucher das Rätsel gelöst, geht der Flug weiter und führt in eine Megacity mit Hochhäusern und fliegenden Fahrzeugen. Kurz vor Ende des Flugs ertönt noch eine Stimme, die die Besucher daran erinnert, vor Verlassen des Busses Atemschutzmasken aufzusetzen – wegen der gesundheitsschädlichen Atmosphäre.

Nicht nur für Kinder

Hinter dem Drehkreuz steht ein großer blauer Gletscher, der die Ausstellung überragt. In diesem wird der Besucher der Klima-Arena in Sinsheim durch das beschriebene virtuelle Szenario geführt. Die Animationen und Rätselaufgaben sollen in das Thema einführen und zeigen, was durch eine ungebremste Klimaveränderung auf dem Spiel steht. Die Ausstellung besteht aus 29 Stationen, die jeweils einen Einzelaspekt rund um die Themen Klimawandel und Ressourcenverbrauch behandeln.

Klima Arena Sinsheim

Die 29 Stationen sind mit vielen haptischen und akustischen Elementen gestaltet.

Eine der Stationen zeigt in einer bunten Animation den natürlichen Wasserkreislauf und den Treibhauseffekt. An einem Hörer ist die Stimme einer Kuh zu hören, die über die durch Rinderzucht entstehenden Emissionen spricht. Bei den vielen haptischen und spielerischen Elemente kann man sich leicht vorstellen, dass Schulklassen und Familien die Klima-Arena besuchen. Für die Schulklassen gibt es an jeder Station Frageterminals, an denen die Schüler ihr Wissen abfragen können. Und auch die Kleinsten unter den Besuchern können sich im nachhaltigen Bauen erproben – die Bauklötze sind mit kleinen Solarpanelen und Begrünung bemalt.

Kinder und Jugendliche sind allerdings nicht die alleinige Zielgruppe: „Die Ausstellung richtet sich an Besucher jeder Altersgruppe“, sagt Ehrhard. Sie ist außerdem so konzipiert, dass sie Informationen auf verschiedenen Anspruchsniveaus liefert. „Es ist wichtig, dass der Besucher selbst dosieren kann, wie viel Information er bekommt“, betont Schiebold. „In der Präsentation von grundlegenden Informationen setzen wir auf Storytelling und einen emotionalen Zugang zu den Themen.“ An Terminals an den Stationen können Besucher sich vertiefende Informationen beschaffen.

Uran zum Anfassen

Klima Arena

Auf Knopfdruck zeigt der Globus verschiedene geographische Daten: Von Waldbränden über Lichtverschmutzung bis zu den Auswirkungen eines Anstiegs des Meeresspiegels.

Ein paar Meter weiter dreht sich ein mannshoher Globus. An einem Display kann der Besucher einstellen, ob der Globus weltweit Brände, Lichtverschmutzung oder die Regionen anzeigen soll, die bei einem Anstieg des Meeresspiegels überflutet werden könnten.

An einer weiteren Station lässt sich „die Vielfalt der Elemente“ erfahren. Besucher können dort in kleine Boxen fassen, in der die Energieträger dargestellt sind: von Wasser über Geothermie, Wind und Kohle; die Box mit Kernenergie ist allerdings nur für furchtlose Besucher geeignet. Zugleich klärt die Station über Chancen und Risiken der Energieformen auf. „Die Ausstellung vermittelt neutrale Informationen“, sagt Schiebold. „Es wird nicht der moralische Zeigefinger erhoben.“ Der Besucher solle in die Lage versetzt werden, sich eine eigene Meinung zu bilden. So etwa in einem Spiel zum Thema Mobilität. Der Besucher soll dort eine Reise in mehreren Etappen planen: Zur Verfügung stehen ihm verschiedene Verkehrsmittel: von der Bahn über das Fahrrad oder Carsharing bis hin zum Flugzeug. Das Ziel ist es, die Strecke auf drei verschiedene Arten zurückzulegen: einmal möglichst schnell, einmal möglichst billig und einmal mit möglichst geringen CO2-Emissionen.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Stifter Dietmar Hopp bei der Eröffnung der Arena (von links).

Merkel ordert Hähnchen

In der Klima-Arena gibt es auch einen kleinen Supermarkt, in dem die Besucher virtuell ihren eigenen Einkauf zusammenstellen können und der die Frage aufwirft: Welchen ökologischen Fußabdruck hat mein Einkaufsverhalten? Der Supermarkt erlangte eine gewisse mediale Aufmerksamkeit, als Bundeskanzlerin Angela Merkel dort Hähnchenfleisch in den fiktiven Warenkorb packte – das deutlich emissionsärmer ist als Rindfleisch. Gemeinsam mit Winfried Kretschmann eröffnete Merkel die Klima-Arena am 7. Oktober, eine Woche später öffnete die Arena ihre Tore für Besucher. Die Bundeskanzlerin und der Ministerpräsident kamen auf Einladung des Stifters und SAP-Mitgründers Dietmar Hopp, der die Stiftung aus den Mitteln einer weiteren Stiftung, der Dietmar-Hopp-Stiftung, gründete: Sie zahlte das Stiftungskapital von 100.000 Euro der Klimastiftung für Bürger und finanzierte den Bau der Klima-Arena, der über 40 Millionen Euro kostete.

Auch im laufenden Betrieb wird die Dietmar-Hopp-Stiftung die Klimastiftung für Bürger weiterhin finanziell unterstützen. Die Erlöse durch Eintrittskarten – 9,50 Euro für Erwachsene und 6,30 Euro für Kinder ab sechs Jahren – werden die Kosten nicht alleine decken können: Die Dietmar-Hopp-Stiftung werde die Klima-Arena mit jährlichen Zuschüssen unterstützen, schätzt Vorstand Ehrhard. Bei solchen Aufwendungen bleibt nicht aus, dass der Stifter einen gewissen Einfluss auf die Stiftung geltend machen will. In diesem Fall hat Hopp zu einer sehr pragmatischen Lösung gegriffen: Neben dem dreiköpfigen Vorstand und dem Stiftungsrat mit sechs Mitgliedern bildet Stifter Hopp ein eigenes Gremium – mit Vetorecht bei allen Entscheidungen des Vorstands binnen 14 Tagen.

Klima Arena mit Themenpark

Vorzeigebau: Die Klimaarena hat Photovoltaikanlagen auf dem Dach und in die Fassade eingelassen.

Klimagegner und Aktivisten

Damit sich in der Klima-Arena nicht nur inhaltlich alles um den Themenkomplex Nachhaltigkeit dreht, sondern diese auch ein anschauliches Beispiel für klimafreundliches Bauen liefert, ist die Arena, die in Sichtweite des Stadions des ebenfalls von Dietmar Hopp unterstützten TSG Hoffenheim liegt, als Passivhaus konstruiert. Beheizt und gekühlt wird das Gebäude durch eine Wärmepumpe, das Parkhausdach ist mit einer Solaranlage bestückt, das Regenwasser wird in zwei Zisternen gesammelt und verwendet. Auch Fassade und Dach der Arena sind mit Photovoltaikanlagen ausgestattet.

In der Klima-Arena befinden sich auch die Büros der Mitarbeiter der Klimastiftung für Bürger – insgesamt hat die Stiftung 34 Angestellte – sowie größere Versammlungsräume. Von den hohen Fenstern eines der Räume blickt Ehrhard runter auf den Außenbereich, der die Klima-Arena umgibt. Auf über 13.000 Quadratmetern Außenbereich finden sich der Themenpark mit weiteren Erklärstationen, etwa die Streuobstwiese oder der Tief- und Seichtwasserbereich. Auch ein eigenes kleines Moor hat die Stiftung anlegen lassen.

„Neben der Wissensvermittlung durch die Ausstellung und dem schulischen Teil, in dem wir Workshops anbieten, sehen wir unsere dritte Funktion darin, eine Plattform zu bieten. Wir wollen hier Leute zusammenbringen, die sonst nicht miteinander sprechen – vom Klimagegner bis zum Klimaaktivsten“, sagt Ehrhard. Um dies zu realisieren, bietet die Klimastiftung regelmäßig Veranstaltungen mit einem gewissen Themenfokus an. Derzeit werden im Rahmen der Vortragsreihe Klimaaktiv Projekte vorgestellt, die sich dem Klimaschutz verschrieben haben. Bei dem zweiten Themenschwerpunkt Klimafacetten beleuchten die Referenten den Klimawandel aus verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven.

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