DIE STIFTUNG: Herr Dr. von Hirschhausen, Sie sind einer der ganz wenigen deutschen Stifter, die auch als Humorist bekannt sind. Für wie humorvoll halten Sie das deutsche Stiftungswesen?
Dr. Eckart von Hirschhausen: Woody Allen hat mal gesagt: Ich möchte nicht im Andenken der Nachwelt weiterleben. Ich möchte in meinem Appartement weiterleben. Stifter wollen beides. Die Idee einer Stiftung ist im wahrsten und besten Sinne konservativ: Man versucht etwas über die Zeit zu bewahren, was einem wichtig ist. Das kann man aus verschiedenen Gründen wollen. Vielleicht weil man von seiner eigenen Bedeutsamkeit sehr überzeugt ist, oder weil man an etwas glaubt, was größer ist als das eigene Ego. Mischungen sind möglich. Darin liegt aber auch eine verborgene Komik: Wir kommen aus Staub, wir werden zu Staub. Deshalb meinen viele Menschen, es muss im Leben darum gehen, viel Staub aufzuwirbeln. Der Ewigkeit können wir kein Schnippchen schlagen, aber der Jetzt- und Nachwelt einen Impuls zu geben ist doch schon etwas.
Eine ernste Aufgabe, die nicht leichter wird, wenn man sie zu schwer nimmt. „Gutes tun“ klingt so unsexy, „Gutmensch“ schnell nach Versager. Und gerade Intellektuelle ergehen sich oft in einem lähmenden Zynismus – überall durchblicken, aber nichts ändern. Deshalb verdient jeder Respekt, der sich engagiert, gegen alle Widerstände, Zweifel und innere Schweinehunde. Eine der schönsten Ergebnisse der Glücksforschung: Wer sich für andere einsetzt, lebt länger. Bis zu sieben Jahren werden einem geschenkt, wenn man sich engagiert. Wer Sinn empfindet, sich gebraucht fühlt und das Gefühl hat, zu etwas beizutragen, was über ihn hinausweist, ist dadurch glücklicher und gesünder. Es gibt bis heute kein Medikament oder keine Operation, die einen derartigen Effekt hat.

DIE STIFTUNG: Und wie viel Humor könnte ein Stiftungs- oder Fundraisingtag vertragen?
Hirschhausen: Humor ist nichts Oberflächliches, sondern eine tiefe Einsicht in die Widersprüchlichkeit der Dinge. Beim Fundraising gibt es inhärente Widersprüche: Was ist ein guter Zweck wert? Ist der eine gute Zweck besser als ein anderer? Wie kann man sich zwischen Armutsbekämpfung und Denkmalpflege, Lebenretten und Leseförderung ethisch entscheiden? Und warum arbeiten viele Stifter, die denselben Zweck verfolgen, nicht viel besser zusammen? Warum werden so wenige Projekte vernetzt und längerfristig evaluiert? Wie kann man Effekte messen?
Ein echtes Dilemma im sozialen Sektor ist die Bezahlung. Das gilt nicht nur für traditionell zu schlecht bezahlte Lehrer, Erzieher und Krankenschwestern, sondern auch für Geschäftsführer von gemeinnützigen Einrichtungen. Pfiffige Leute sind immer Mangelware und entsprechend teuer. Wenn ein begabter Mensch in der Industrie 300.000 EUR und mehr verdienen kann und davon 100.000 EUR spendet, gilt er als Wohltäter und hat immer noch 200.000 zur Verfügung. Wenn der gleiche Mensch seine Begabung und Arbeitskraft im sozialen Bereich einsetzt, erreicht er schwerlich die 100.000, wird weniger bewundert, fast schon belächelt. Was müsste eigentlich passieren, damit die Leistungsträger nicht erst nach der Pensionierung, der fünften Million oder dem dritten Burnout darüber nachdenken, „mal was Sinnvolles“ zu machen?
Die Öffentlichkeitsarbeit ist auch immer in einem Dilemma. Als edel gilt, wer um sein Engagement kein Aufhebens macht. Mitglieder und Geld bekommt man aber nur – wenn man nicht selbst schon reich oder mit reichen Freunden gesegnet ist –, wenn man sein Anliegen auch bekannt macht. Wie kann man so leise trommeln, dass es alle hören? Das ist doch eigentlich komisch: Man will in den Himmel kommen, aber auch in die Zeitung.

DIE STIFTUNG: Sie selbst sind mit gutem Beispiel vorangegangen und haben eine Stiftung namens „Humor hilft heilen“ gegründet. Was steckt dahinter?
Hirschhausen: Unsere Mission ist es, die heilsame Stimmung im Krankenhaus zu fördern und modernes psychologisches Wissen in die Praxis und Schulen zu bringen. „Humor hilft heilen“ hat vor sechs Jahren angefangen, den Einsatz von Clowns in Krankenhäusern zu unterstützen. Inzwischen machen wir auch viele Workshops, Vorlesungen und Programme, um die Pflegekräfte und künftigen Ärzte für Kommunikation und Seelenhygiene zu sensibilisieren. Das dritte Segment sind Forschungs- und Bildungsprojekte zu „Glück, Gesundheit, soziales Lernen als Schulfach“. Wir erarbeiten Unterrichtsmaterial, das bald kostenlos im Netz zur Verfügung steht.
Humorinterventionen funktionieren auch bei Erwachsenen, nicht mit Clowns, aber mit Trainings, die wir bei Schlaganfallpatienten und Herzpatienten gerade untersuchen. Lachen hilft gegen Schmerzen. Das kann jeder ausprobieren: Hauen Sie sich mit einem Hammer zweimal auf den eigenen Daumen, einmal alleine und dann noch einmal in Gesellschaft. Sie spüren den Unterschied. Alleine tut es lange weh. Wenn ich mit anderen lachen kann, lässt der Schmerz nach. Deshalb sollte jemand mit Schmerzen nicht lange alleine sein und etwas zu lachen bekommen. Inzwischen sind Clowns auch sehr erfolgreich in der Altenpflege, gerade wenn sie Musik einbeziehen, erreichen sie auch bei Dementen eine Stimmungsverbesserung.

DIE STIFTUNG: Wie viele Menschen haben Ihnen deswegen schon mangelnde Seriosität vorgeworfen?
Hirschhausen: Niemand, der mich kennt. Ein guter Teil meiner Arbeit findet hinter den Kulissen statt. Da ich noch bei der Bahnstiftung, der Bundesligastiftung, Phineo und der Krebshilfe aktiv bin, kann ich oft spartenübergreifend Menschen und Ideen verknüpfen, was mir viel Freude macht. Gerade bereite ich den Ort der Begegnung für das Bürgerfest des Bundespräsidenten mit vor, um den ehrenamtlich Engagierten über das Gartenfest hinaus noch Wertschätzung und „Input“ mitzugeben. Und im nächsten Jahr gibt es eine öffentliche Kampagne von Regierung und Ländern zur Ersten Hilfe und Reanimation.

DIE STIFTUNG: Was haben denn eigentlich Menschen, die nach einem Unfall paralysiert sind oder an einer tödlichen Erkrankung leiden, noch zu lachen?
Hirschhausen: Jon Kabat-Zinn, der Begründer der Achtsamkeitsmediation, sagt: „Solange du atmest, ist mehr an dir gesund als krank.“ Gerade durch Krisen, Schicksalsschläge und Krankheiten wachsen Menschen oft über sich hinaus. Schauen Sie Filme wie „Ziemlich beste Freunde“ oder „Das Leben ist schön“. Das Leben hört nicht auf komisch zu sein, wenn wir sterben. So wenig wie es aufhört, ernst zu sein, wenn wir lachen. Über eine theoretische Situation zu reden, ist etwas ganz anderes, als sie selbst zu erfahren. Das ist der große Wert von Selbsthilfegruppen oder „peer to peer counceling“. Jemand, der gerade ein Bein verloren hat, trifft jemanden, der auch amputiert ist, aber schon vor zwei Jahren. Der ehemalige Patient weiß viel besser als jeder Psychologe, wie man sich in der Misere fühlt und was helfen kann, darüber hinaus zu schauen. So kann man selbst zum Experten werden für sich, indem man von anderen lernt. Und man merkt, dass man nicht alleine ist.

DIE STIFTUNG: Und was muss man tun, um Sie selbst zum Lachen zu bringen?
Hirschhausen: Positive Gemeinschaftserlebnisse, wie Konzerte, Public Viewing oder auch Live-Kabarett erleben eine unglaubliche Renaissance. Ich lache gerne und viel, zum Beispiel bin ich ein sehr großer Loriot-Fan. Aber in Deutschland gibt es noch unglaublich viele andere gute Komiker und witzige Autoren, die man am besten live auf der Bühne und nicht „nur“ im Fernsehen erlebt. Zugunsten meiner Stiftung habe ich mit Hellmuth Karasek und Jürgen von der Lippe die besten Witze als Live-Hörbücher unter dem Motto „Ist das ein Witz?“ aufgenommen. Also, wer in Deutschland nichts zu lachen hat, ist selbst schuld. Wir können uns halt nicht selbst kitzeln. Aber sich gegenseitig anstecken mit unseren Launen, das geht – und am besten mit guten.

DIE STIFTUNG: Mal sehen, ob uns dies auch in der Stiftungsszene gelingt. Herr Dr. von Hirschhausen, vielen Dank für dieses Gespräch.

Das Interview führte Gregor Jungheim.

 

Weitere Informationen

www.hirschhausen.com

www.humorhilftheilen.de

 

 

E2 Hirschausen rote NaseDer studierte Mediziner und Wissenschaftsjournalist Dr. Eckart von Hirschhausen ist seit mehr als 15 Jahren als Komiker, Autor und Moderator aktiv. Er ist vor allem bekannt dafür, medizinische Inhalte in humorvoller Art und Weise zu vermitteln. Im Jahr 2008 gründete Hirschhausen die Stiftung „Humor hilft heilen“ für mehr gesundes Lachen im Krankenhaus.

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