Eine Stiftung als Thinktank brauche jemanden an der Spitze, „der am gesellschaftlichen Diskurs Spaß hat, eine Bürgerstiftung eher Praktiker mit Unternehmenserfahrung“. Annette Heuser von der Beisheim-Stiftung drückt aus, wie unterschiedlich die Anforderungsprofile führender Stiftungsmitarbeiter sein können. Und doch beobachtet die Geschäftsführerin einen allgemeingültigen Trend im Stiftungssektor: „Generalistische Profile bewähren sich bei den heutigen schnell wandelnden Anforderungen immer mehr.“
Auch Lennart Brand vom Leadership Excellence Institute (LEIZ) der Zeppelin-Universität hält intersektorale Kompetenzen heutzutage für ausschlaggebend. Das LEIZ setzt sich in seiner Forschungsarbeit unter anderem mit der Rolle von Stiftungen in der Zivilgesellschaft auseinander. „Stiftungen brauchen Stiftungsmitarbeiter, die imstande sind, sich zwischen unterschiedlichen Anspruchsgruppen zu bewegen, denn man kann nicht für alles einen Experten einstellen“, ist der Managing Director überzeugt. Nur so könne man die sich stetig wandelnde Gesellschaft erfolgreich mitgestalten und in Themen wie Globalisierung und technologische Entwicklung mithalten. „Spezialisierungsfähige Generalisten mit einem Bildungshintergrund, der es ihnen erlaubt, sich gut in neue Themen einzuarbeiten“, fasst er das in seinen Augen ideale Profil von einem Stiftungsmitarbeiter einer zusammen.

Annette Heuser ist Geschäftsführerin der Beisheim- Stiftung. Foto: Beisheim-Stiftung
Für die Einarbeitung in die stiftungsspezifischen Themen des Jobs wartet eine Reihe an Weiterbildungen auf Stiftungsmitarbeiter. Die Deutsche Stiftungsakademie (DSA), die Frankfurt School of Finance and Management, die Fundraising Akademie oder auch die EBS Universität für Wirtschaft und Recht bieten Zertifikatsstudiengänge an. Auch Master-Studiengänge im Non-Profit-Management gibt es. An der Universität Münster beinhaltet der berufsbegleitende Master „Non-Profit-Management & Governance“ auch ein Stiftungsmodul, das von Rupert Graf Strachwitz geleitet wird. Besonders wertvoll findet er den Austausch dort. „Da sitzen nicht nur Teilnehmer aus Stiftungen, sondern auch Vertreter anderer Non-Profit-Organisationen und entwickeln ein Verständnis füreinander“, erklärt er.
Die idealen Stiftungsmitarbeiter: Ausgebildete Querdenker
Er scheint nicht zuletzt darauf zu hoffen, dass solch ein Austausch den Stiftungssektor ein wenig wachrütteln könnte. „Ich habe viele exzellente Leute kennengelernt“, sagt er nachdenklich. „Viel zu oft sitzen in Stiftungen aber eher angepasste Menschen, und es herrscht zu wenig Diskurs. Ich würde mir dort mehr exzentrische, mutige Leute wünschen. Wenn wir solchen experimentierfreudigen Querdenkern in Weiterbildungen noch die notwendige fachliche Expertise zufüttern, dann haben wir Stiftungsmitarbeiter, die nicht nur professionell agieren, sondern auch problematischen Entwicklungen wie dem steigenden Bürokratisierungsgrad Einhalt gebieten können“, malt er ein klares Bild und hebt dann noch mal die Relevanz guter Weiterbildungsangebote hervor: „Ich erlebe immer wieder Stiftungen, die über die Grundsätze des Stiftungswesens erschreckend wenig wissen und das nicht mal als großes Defizit betrachten.“

Lennart Brand ist Managing Director beim Auch Lennart Brand vom Leadership Excellence Institute (LEIZ) der Zeppelin-Universität. Foto: Zeppelin-Universität
Dabei ist fundiertes Wissen gerade in heutigen Zeiten wichtig. „Ein Sektor, der in der Demokratie immer mehr Verantwortung trägt, sollte sich auch um professionelle Qualität bemühen“, findet Volker Then. Er ist geschäftsführender Direktor des Centrums für soziale Investitionen und Innovationen (CSI) der Universität Heidelberg. Er weiß aber auch, dass vollständige Studiengänge für viele Stiftungen zeitlich zu aufwendig und finanziell nicht tragbar sind: „Die Leute wollen kein grundständiges Studium im Dritten Sektor. Es geht immer nur um Aufbauqualifizierungen.“
Und wie sieht eine professionell geführte Stiftung aus? „Eigentlich ist es fast unerheblich, ob man in einer GmbH oder in einer professionellen Stiftung arbeitet“, ist Sabrina Scherbarths Meinung. „Verantwortung und Haftung sind dieselben. Es braucht eine gute betriebswirtschaftliche Ausbildung, kombiniert mit einer Weiterbildung für die speziellen Anforderungen im Gemeinnützigkeitsrecht“, so die Geschäftsführerin der gemeinnützigen Stiftung Universität Mannheim. Dass es dementsprechend Weiterbildungsangebote gibt, darüber ist die inzwischen selbst zertifizierte EBS-Stiftungsmanagerin und -beraterin froh. „Die Bomben, die am Wegesrand lauern und für die man haften kann, sind nicht unerheblich.“ Dennoch braucht es nicht immer externe Weiterbildungen. Acht Wochen lang habe Scherbarth in einem Fall einer neuen Mitarbeiterin jeden Tag eine stiftungsspezifische Frage beantwortet, erinnert sie sich. So lange, bis diese ihr Wissen im Bereich Stiftungsknow-how für ihre Position ausreichend ausgebaut hatte.

Beate Heraeus ist Vorstandsvorsitzende der Heraeus-Bildungsstiftung. Foto: Andreas Reeg
Auch Beate Heraeus, Vorstandsvorsitzende der in Hanau ansässigen Heraeus-Bildungsstiftung, setzt auf ständige Weiterentwicklung des eigenen Personals und sieht im Bereich des E-Coachings eine interessante Zukunftsperspektive. Das Beratungsmodell, das die Stiftung mit professionellen Personalabteilungen und -beratungen aus der Wirtschaft entwickelt hat und in der Schulleiter- und Lehrerweiterbildung anwendet, hält sie sowohl digital als auch analog für eine geeignete Alternative zu anderen Professionalisierungsmaßnahmen im Stiftungssektor. „Fragend führen, das heißt über angeleitete Fragen sich selbst näherkommen“, fasst sie die Idee dahinter zusammen. „Die intelligentesten Fragen kommen aus dem System selbst. Es braucht dann nur noch einen geeigneten Coach, der den Prozess moderiert.“ Diese Art des lebenslangen Lernens sei in ihrer Stiftung bewährte Tradition. Und ganz nebenbei erinnert sie noch an die älteste und einfachste Form der Weiterbildung und Qualifizierung: „Ich halte viel davon, einfach mal bei anderen Stiftungen um Rat zu fragen“, ermutigt sie zum Austausch.
Expertise anderer Branchen beim Stiftungsmitarbeiter
Bevor Stiftungen aber Mitarbeiter weiterbilden können, müssen sie diese erst mal finden. Und das ist nicht immer einfach. Von einem „totalen Fachkräftemangel“ spricht Annika Behrendt, Mitglied der Geschäftsleitung von der Personalvermittlungsfirma Talents4Good, die sich auf den Non-Profit-Sektor spezialisiert hat. Zumindest in stiftungsfremden Fachbereichen wie IT oder Buchhaltung sei der Fachkräftemangel im Stiftungssektor genauso deutlich zu spüren wie sonst wo, spezifiziert sie.
Aus diesem Grund setzt die Personalexpertin bei der Suche nach einem geeigneten Stiftungsmitarbeiter auch auf Expertise außerhalb des Sektors. „Wir drehen uns im Kreis, wenn wir nur innerhalb des Sektors rekrutieren“, ist ihre Meinung. Sie rät, Ausschreibungen auch außerhalb der normalen Netzwerke zu verbreiten und Jobbörsen anderer Branchen zu nutzen. Vor allem aber rät sie zur Direktansprache. Dort, wo für die Stiftung interessante Leute sitzen.
Talents4Good möchte die verschiedenen Sektoren weniger getrennt betrachten und versteht sich als Brücke zwischen den Welten. Als Beispiel nennt Behrendt den Bereich Fundraising. Nicht zuletzt weil die Ansprüche an Fundraiser rasant gestiegen sind, gibt es zu wenige ausgebildete Menschen für dieses „relativ neue Berufsbild“, wie Behrendt es bezeichnet. „Leute, die in der Wirtschaft in Marketing oder Vertrieb arbeiten, sind für den Beruf des Fundraisers prädestiniert. Sie wissen nur nicht, wie dieser funktioniert“, so die Personalexpertin. „Diese Qualifikationslücke gilt es zu stopfen.“
Nun kann man sich an dieser Stelle fragen, warum ein Vertriebler aus einer gut bezahlten Wirtschaftsanstellung zu einer gemeinnützigen Stiftung wechseln sollte. „Stiftungsaufgaben sind sinnvoll“, ist Gereon Schuchs simple Antwort. Der Geschäftsführer der Deutschen Stiftungsakademie (DSA), einem Weiterbildungsanbieter des Bundes- und des Stifterverbandes, beobachtet, dass sinnstiftendes Arbeiten und ein respektvolles Miteinander für viele Arbeitnehmer immer mehr an Bedeutung gewinnen und in manchen Fällen inzwischen relevanter sind als ein hohes Gehalt.
Stiftungsmitarbeiter wollen sinnstiftende Arbeit
Gute Nachrichten für Stiftungen, die doch gerade das zu bieten haben: Arbeit mit Sinn. Aber kommunizieren sie das auch genug nach außen? Schuch spricht von einem Defizit in der immer wichtiger werdenden Entwicklung einer attraktiven Arbeitgebermarke. Zu lange habe man sich darauf ausgeruht, der einzige sinnstiftende Sektor zu sein. Und nun treten andere in den Wettbewerb als Arbeitgeber mit Sinn ein: mittelständische Unternehmen und Konzerne, die eigene Stiftungen gründen und sich sozial engagieren.

Sabrina Scherbarth ist Geschäftsführerin der gemeinnützigen Stiftung Universität Mannheim. Foto: Anna Logue
Das sei vor allem deshalb problematisch, da sich der Markt aufgrund demographischer Entwicklungen von einem Arbeitgeber- zu einem Arbeitnehmermarkt entwickle, so Schuch. „Es gibt nicht mehr so viele gute Leute, die Schlange stehen, wie vor 15 Jahren. Und die neue Generation an Bewerbern kommt mit veränderten Erwartungen in die Bewerbungsgespräche. Sie fragen nach Dingen wie Führungsverständnis oder flexible Arbeitsmodelle.“
Egalitäre Teamstrukturen und flache Hierarchien sind gefragt. Mitbestimmung und Flexibilität. „Es gilt aufzuzeigen, was die eigene Arbeit bewirkt und dass Mitarbeiter aktiv mitgestalten und Verantwortung übernehmen können“, so Sabrina Scherbarth (Stiftung Universität Mannheim). „Und die Begeisterung für die Sache rüberzubringen.“
Wer es dann noch schafft, die eigene Sichtbarkeit nach außen zu erhöhen, damit die Welt auch weiß, was man zu bieten hat, der muss vielleicht gar nicht mehr so intensiv nach Mitarbeitern suchen. „Wir müssen gedanklich umstellen vom ‚Ich suche‘ hin zum ‚Ich werde gefunden‘“, ist Volker Then (CSI Heidelberg) überzeugt. „Veranstaltungsarbeit spielt hierbei eine große Rolle“, fügt er hinzu und meint damit nicht nur die Selbstpräsentation auf Podien, sondern auch den Umgang mit späteren potentiellen Arbeitnehmern: „Zeige ich Interesse an den jüngeren Teilnehmern und lerne sie kennen? Schaffe ich vielleicht sogar Traineestellen oder Praktika, um junge Potentiale früh an meine Organisation zu binden?“
Sektor muss bekannter werden
All das sind Dinge, die jede Organisation für sich entscheiden und bearbeiten muss. Doch es gibt auch gewisse Aspekte, die der Sektor als Ganzes ändern könnte. „Die gesamte Branche muss sich als Arbeitgeber bekannter machen“, fordert Annika Behrendt (Talents4Good). Man könne sich zum Beispiel gemeinsam auf Personalmessen oder Karrieretagen an Universitäten präsentieren und als Sektor dort auftreten. Gleichzeitig spricht sie aber auch von notwendigen strukturellen Änderungen: Unbefristete Verträge für Stiftungsmitarbeiter beispielsweise würden erst dann flächendeckend möglich, wenn die Förderstrukturen geändert würden. Weg von projektbezogenen, hin zu langfristigen Förderungen.
Neben einem fehlenden Bewusstsein für solche Entwicklungsschritte beobachtet Behrendt „Veränderungsschmerzen“ im Stiftungssektor. „Leider ist in der Stiftungsszene die Haltung noch relativ häufig, dass Bewerber sich freuen dürfen, wenn sie den Job bekommen. Da ist es dann nicht weit her mit der propagierten Augenhöhe und Offenheit“, beobachtet sie frustriert. „Um als Arbeitgeber attraktiv zu sein, muss man sich aber oft von veralteten Strukturen und Mindsets lösen.“
Die gute Nachricht: Hat sich eine Stiftung erst dazu durchgerungen, sich selbst zu hinterfragen, sind für die Selbstentwicklung und – damit verbunden – ein erfolgreiches Personalmanagement laut Behrendt keine großen Ressourcen notwendig. „Ich glaube, man kann viel umsetzen mit kleinen Mitteln. Die Fragen, die man sich stellen muss, sind: Wer sind wir als Arbeitgeber und was ist unsere Vision? Ich kann meine Mitarbeiter befragen, wieso sie für die Stiftung arbeiten, was sie mögen und was nicht. Auch aus Bewerbungsgesprächen kann ich lernen. Ich muss nur aufmerksam zuhören: Wonach haben Bewerber gefragt, was haben sie gesagt? Dafür brauche ich kein großes Personalmanagement oder Budget. Das ist eine Haltungsfrage. Die Frage ist: Besteht der Wille, etwas zu verändern, oder nicht?“
Info
Arbeitnehmermarkt und aktuelle Krise
Die Zahl offener Stellen in Deutschland ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, wie die Auswertungen des Instituts für Arbeits- und Berufsforschung (IAB) zeigen. Die Einrichtung der Bundesagentur für Arbeit meldete im vierten Quartal 2013 rund 900.000 offene Stellen, im vierten Quartal 2019 lag der Wert bei 1,4 Millionen. Zugleich halbierte sich die statistische Zahl an Arbeitslosen pro Stelle, und die Schwierigkeiten bei der Besetzung wuchsen. Es sei damit zu rechnen, „dass sich immer mehr Teilarbeitsmärkte – insbesondere die für qualifizierte Kräfte – zu Arbeitnehmermärkten wandeln, die Nachfrage nach Arbeitskräften also nicht vollständig gedeckt werden kann“, heißt es bereits in einem Beitrag aus dem Jahr 2014 auf der Seite des IAB. Angesichts der Coronakrise hat sich die Lage zuletzt deutlich verändert. Die Arbeitslosigkeitskomponente des IAB-Arbeitsmarktbarometers liege jetzt „klar im negativen Bereich“, so das Institut. Und das, obwohl die gravierenden Corona-Eindämmungsmaßnahmen erst nach der Befragung der Arbeitsagenturen in der ersten Märzhälfte erfolgten. „Schon vor Monatsmitte erwarteten die Arbeitsagenturen deutlich steigende Arbeitslosigkeit. Innerhalb kürzester Zeit setzte die Coronakrise den starken Arbeitsmarkt in Deutschland massiv unter Druck“, so Enzo Weber, Leiter des IAB-Forschungsbereichs „Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen“. Der Ausblick auf die kommenden Monate lasse erwarten, dass der Arbeitsmarkt stark unter Spannung gerät. Das IAB-Arbeitsmarktbarometer verzeichnete im März den stärksten Rückgang seit seinem Bestehen.
Dieser Beitrag erschien in DIE STIFTUNG 2/2020.