Quelle: panthermedia/Sebastian Duda

Klassische Stiftungen sind für die Ewigkeit angelegt. Die Kriterien, die für den gemeinnützigen Status von Einrichtungen definiert werden, unterliegen jedoch einem ständigen Wandel. Hierdurch entsteht ein Spannungsverhältnis, das bei Errichtung der Stiftung bedacht und später durch begleitende Beratung berücksichtigt werden sollte.
Von Dr. Daniel Lehmann

Als der Buxtehuder Magister und Priester Gerhard Halepaghe im Jahr 1485 starb, hinterließ er ein ansehnliches Vermögen und ein Testament, das in lateinischer Sprache und gotischer Schrift verfasst war. Darin verfügte Halepaghe, eine gemeinnützige Stiftung zum Nutzen von Buxtehuder Bürgern ins Leben zu rufen. Die Stiftung, die kirchliche und soziale Zwecke fördert, existiert heute noch.

Mit Vorschriften zur steuerlichen Anerkennung der Stiftung als gemeinnützige Einrichtung musste sich Magister Halepaghe damals noch nicht beschäftigen. Wer heute vorhat, eine gemeinnützige Stiftung zu gründen oder sich selbst im Vorstand einer solchen Einrichtung zu engagieren, kommt um diese Fragen und die Fragen des Stiftungsrechts nicht herum. Im Januar 2012 hat das Bundesfinanzministerium einen neuen Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) veröffentlicht, der unter anderem festlegt, welche Kriterien die Finanzämter künftig an die Gemeinnützigkeit von Stiftungen anlegen sollen.

Erheblicher bürokratischer Aufwand
Der Erlass widmet dem Gemeinnützigkeitsrecht ganze 58 Seiten. Hier treffen erfreuliche und unerfreuliche Vorgaben aufeinander: Wer sich mildtätig für Bedürftige einsetzt, muss für jeden Hilfeempfänger mit einer konkreten Aufstellung seiner Bezüge und seines Vermögens nachweisen, dass der Empfänger auch wirklich bedürftig ist. Bürokratischer Aufwand und Kosten dieser Regelung dürften in Zukunft erheblich sein und ein Gutteil der für mildtätige Zwecke bestimmten Stiftungsmittel aufzehren.

Erfreulich, insbesondere für kleinere Einrichtungen, ist die mit dem jüngsten Erlass vollzogene Abkehr der Finanzverwaltung von der seit Jahren kritisierten sogenannten Geprägetheorie. Bei dieser Regelung wurde bisher Einrichtungen die Anerkennung der Gemeinnützigkeit verweigert, wenn sie durch wirtschaftliche Betätigungen, etwa Veranstaltungen, geprägt waren. In der Sache eher neutral, wenn auch in der Umsetzung etwas lästig, ist eine für Stiftungen neue Vorschrift, die ausschließt, dass ehrenamtlich tätige Vorstandsmitglieder Aufwandsentschädigungen erhalten, wenn dies in der Stiftungssatzung nicht ausdrücklich vorgesehen ist.

Immer mehr formale Vorschriften
Schon seit einigen Jahren ist die Zunahme formaler Vorschriften zu beobachten, in die sich der aktuelle Anwendungserlass nahtlos einfügt. Schon das Jahressteuergesetz 2009 hatte eine Mustersatzung vorgeschrieben, an deren Wortlaut sich gemeinnützige Einrichtungen orientieren müssen. Dies gilt allerdings – anders als die geänderten Vorgaben des Anwendungserlasses – nicht für bestehende Einrichtungen, sondern nur für Neugründungen. Im Vorteil ist der Stifter, der – entgegen dem Vorbild Halepaghes – seine Stiftung rechtzeitig bereits zu Lebzeiten errichtet hat und von diesen neuen Anforderungen daher nicht betroffen ist. Für die Gründung einer Stiftung zu Lebzeiten sprechen aber noch weitaus gewichtigere Argumente: Wer eine Stiftung bereits zu Lebzeiten (gegebenenfalls mit beschränkten Mitteln) gründet, kann den Gründungs- und Anlaufprozess aktiv mitgestalten und bei möglichen Fehlentwicklungen noch eingreifen. Eine erfolgreiche und aktive Stiftung kann ihrem Stifter tiefe Befriedigung vermitteln. Zudem erweist sich der treibende und visionäre Einfluss des Stifters gerade in der Gründungsphase regelmäßig als wesentlicher Erfolgsfaktor.

Da trifft es sich gut, dass Stifter für ihre lebzeitige Spende einen steuerlichen Spendenabzug geltend machen können, der bei letztwilligen Stiftungsgründungen verloren geht.



Dr. Daniel Lehmann ist Partner und Rechtsanwalt bei Rölfs RP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.
Der Artikel ist ursprünglich erschienen in: Magazin für gemeinnützige Organisationen – Engagiert für Werte, Bethmann Bank, November 2012


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