Für reichlich Beunruhigung sorgte im Frühjahr ein Gerichtsurteil zur Haftung von Stiftungsvorständen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass diese Entscheidung einen extremen Fall betraf. Vorständen, die Satzung, Anlagerichtlinien und Gesetze beachten sowie bei Kursverlusten rechtzeitig eingreifen, droht in der Regel auch weiter keine Inanspruchnahme.
Von Dr. Robert Schütz
Als das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg den Alleinvorstand einer kirchlichen Stiftung privaten Rechts zu rund 450.000 EUR Schadensersatz verurteilte, entschied es einen Einzelfall (Aktenzeichen 6 U 50/13). Nach seiner Veröffentlichung hat das Urteil jedoch weit darüber hinaus für Unruhe im Dritten Sektor gesorgt. Nicht wenige Stiftungsvorstände stellen sich nun die Frage, ob sie immer haften, wenn das Stiftungsvermögen durch Wertverluste derart reduziert wird, dass sich auch das Grundkapital mindert. Zudem wird das Urteil in einer Zeit publik, in der sich Stiftungsvorstände schon dann gezwungen sehen, in Anlageformen mit höheren Verlustrisiken zu investieren, wenn sie mehr als 1% Zinsen nach Abzug der Verwaltungsgebühren erzielen wollen.
Hier kann es beruhigen, einen Blick auf den sehr speziellen Sachverhalt zu werfen, der dem Urteil des OLG Oldenburg zugrunde lag:
Das Stiftungsvermögen betrug zu Beginn der Amtszeit des Vorstands im Februar 2001 rund 8,9 Mio EUR. Zum Zeitpunkt seiner Abberufung Ende September 2008 lag es bei rund 2,6 Mio. EUR. Es war also innerhalb von sieben Jahren um rund 6,3 Mio. EUR reduziert worden und damit auf weniger als 1/3 der Summe zu Beginn der Amtszeit.
Bereits wenige Wochen nach Amtsantritt hatte der Vorstand zwei Vermögensverwaltungsverträge unterzeichnet, die eine Vermögensanlage von bis zu 80% des Depotvolumens in Aktien zuließ. Bereits im Jahr 1994 hatte das als Kontrollorgan ausgestaltete Kuratorium Anlagerichtlinien beschlossen, nach denen maximal 1/3 des Stiftungskapitals in nicht mündelsichere Papiere angelegt werden dürfen. Zudem hatte das Kuratorium 2003 die jährlichen Projektausgaben gegenüber dem Vorstand auf rund 192.000 EUR p.a. beschränkt. Trotzdem hatte der Vorstand im Jahr 2004 bis 2007 etwa 1 Mio. EUR mehr aus dem Stiftungskapital ausgegeben.
Das OLG Oldenburg sah in der gewählten verlustbringenden Vermögensanlage und der darüber hinausgehenden Ausgabe des Stiftungskapitals eine schuldhafte Pflichtverletzung des Vorstands. Gleichzeitig stellte es ein Mitverschulden des Kuratoriums als Kontroll- und Aufsichtsorgan fest, da es die Vermögensanlage des Vorstands nicht korrigierte, sondern stattdessen durch die Vorgabe hoher Renditeziele mit verursacht hatte. Wesentlicher Vorwurf war dabei, dass sich die Vermögensanlage an der Prämisse „Vermögensmehrung statt Vermögenserhaltung“ orientierte, um die erheblichen Ausgaben der Stiftung finanzieren zu können.
Das OLG erkennt sehr wohl an, dass das stiftungsrechtliche Gebot der dauernden und nachhaltigen Erfüllung der Stiftungszwecke mit dem Gebot der Vermögenserhaltung kollidieren kann. Hierbei ist allgemein anerkannt, dass die in der Stiftungssatzung festgelegten Regelungen zur Vermögensanlage Vorrang vor diesen Geboten haben.
Enthält die Stiftungssatzung demgegenüber lediglich die allgemeinen stiftungsrechtlichen Gebote der dauernden und nachhaltigen Erfüllung des Stiftungszwecks, der sicheren und rentierlichen Vermögensanlage sowie der Vermögenserhaltung, so spiegelt die Reihenfolge der drei Gebote auch deren Rangordnung untereinander wider. Vorrangiges Gebot ist nach allgemeiner Auffassung das Gebot der dauernden und nachhaltigen Erfüllung des Stiftungszwecks. Wie das Urteil des OLG Oldenburg verdeutlicht, rechtfertigt die Erfüllung des Stiftungszwecks und die damit zusammenhängenden Ausgaben jedoch nicht jede noch so riskante Vermögensanlage.
Unklar ist jedoch, ob das OLG bereits in dem Umstand, dass das Stiftungsvermögen statt in mündelsichere Anlagen in Aktien angelegt wird (abgesehen vom zu entscheidenden Fall mit entsprechenden Anlagerichtlinien), im Falle von Vermögensverlusten eine Pflichtverletzung sieht. Dieser These wird von den meisten Stiftungsjuristen vehement widersprochen. Gerade das aktuell niedrige Zinsniveau verdeutlicht, dass eine Anlage in sogenannte mündelsichere Wertpapiere, d.h. insbesondere in Anleihen des Bundes und der Länder sowie mit Hypotheken beziehungsweise Grundschulden inländischer Grundstücke gesicherter Anleihen, nur noch Zinsen erwirtschaftet, die kaum über die üblichen Kosten für die Vermögensverwaltung hinausgehen. Insofern sind Stiftungen bei der Neuanlage von Stiftungsvermögen geradezu gezwungen, in riskantere Anlageformen wie Staatsanleihen anderer Länder, Unternehmensanleihen sowie Aktien zu investieren, um Zinsen und Dividenden zu erwirtschaften. Insofern muss eine Vermögensanlage unter Beimischung von Unternehmensanleihen sowie Aktien dividendenstarker Unternehmen auch stiftungsrechtlich zulässig sein.
Wird das Stiftungsvermögen entsprechend den stiftungsrechtlichen Grundsätzen angelegt, so führen Vermögensverluste allein durch Kursverluste nicht zu einer Vorstandshaftung. Weitere Voraussetzung für eine Vorstandshaftung ist vielmehr, dass dieser seine Pflichten schuldhaft verletzt hat. Während hauptamtliche Vorstände für jede fahrlässige und vorsätzliche Pflichtverletzung haften, ist die Haftung bei Vorständen, die ausschließlich ehrenamtlich oder für ihre Tätigkeit eine Vergütung von maximal 720 EUR jährlich erhalten, auf vorsätzliche und grob fahrlässige Pflichtverletzungen beschränkt (§ 31a BGB).
Eine Pflichtverletzung kann dadurch erfolgen, dass der Vorstand nach Eintritt von ersten Vermögensverlusten nicht versucht, diese zu begrenzen, etwa in dem er Wertpapiere veräußert, die sich als spekulativ herausstellen. Eine Pflichtverletzung kann auch darin bestehen, dass der Vorstand das Ausgabeverhalten der Stiftung nicht an die durch Niedrigzinsen reduzierten Einnahmen der Stiftung anpasst. Zudem muss der Vorstand etwaige Anzeigepflichten in den Stiftungsgesetzen der Länder berücksichtigen.
Fazit
Das Urteil bestätigt, dass der Vorstand nicht nur bei der Projektauswahl, sondern auch bei der Vermögensanlage einen haftungsfreien Ermessensspielraum hat. Dieser wird allerdings durch die Satzungsregelungen zur Vermögensanlage eingeschränkt. Offen bleibt trotz der Entscheidung, inwieweit der Vorstand in riskantere Vermögensanlagen investieren darf. Eine Aktienquote von 80% scheint dabei nach Auffassung des OLG Oldenburg zumindest bei Eintritt von erheblichen Vermögensverlusten zu hoch. Schließlich legt das Urteil nahe, dass bei Entscheidungen über die Investition in Aktien weniger auf etwaige damit verbundene Wertsteigerungen zu spekulieren ist, sondern die mit dem Aktieninvestment verbundenen zu erwartenden Dividenden im Mittelpunkt stehen sollten.
Dr. Robert Schütz ist Rechtsanwalt, Steuerberater und Partner bei Esche Schümann Commichau Partnerschaftsgesellschaft mbB in Hamburg. Neben der rechtlichen und steuerlichen Beratung von vermögenden Privatpersonen und Familienstiftungen berät er insbesondere gemeinnützige Stiftungen und Organisationen.
Lesetipp: Sehr wohl haftet der Stiftungsvorstand jedoch für eine fehlerhafte Abrechnung