Wegfall der Geprägetheorie
Als Paradebeispiel kann der Wegfall der sogenannten Geprägetheorie herangezogen werden, mit der in der Vergangenheit manche Stiftung zu kämpfen hatte. Danach wurde einer Stiftung die Anerkennung der Gemeinnützigkeit versagt oder entzogen, wenn die wirtschaftlichen Tätigkeiten ihr das Gepräge gaben. Als Maßstab wurde hierbei nicht nur das Verhältnis der erzielten Einnahmen, sondern auch der jeweils eingesetzte Personalaufwand herangezogen. Im Ergebnis war eine Einzelfallentscheidung anzustellen.
Nunmehr ist nach dem sogenannten Ausschließlichkeitsgrundsatz zu unterscheiden, eine Einzelfallprüfung bleibt Stiftungen aber auch diesmal nicht erspart:
a) Stiftungen mit eigener Zweckverwirklichung
Nach AEAO zu § 56 Nr. 1 neue Fassung (n.F.) sind steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe sowie die Vermögensverwaltung für die Steuerbegünstigung einer Stiftung schädlich, wenn sie deren Hauptzweck darstellen. Streng nach dem Wortlaut des AEAO gilt dies auch, wenn die Mittel zur Verfolgung der gemeinnützigen Zwecke verwendet werden. Wann jedoch eine Tätigkeit als Hauptzweck zu beurteilen ist, geht aus der Neuregelung nicht hervor, d.h. auch hier ist der jeweilige Einzelfall maßgeblich. Die weitere Entwicklung in diesem Bereich bleibt abzuwarten.
b) Förderstiftungen (§ 58 Nr. 1 AO)
Von diesem Grundsatz macht die Finanzverwaltung für Förderstiftungen eine Ausnahme. Deren Gemeinnützigkeit wird unabhängig vom Umfang der Vermögensverwaltung oder steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe nicht gefährdet (AEAO zu § 56 AO Nr. 1, S. 6 n.F.). Die Verwaltungsauffassung hat sich in diesem Punkt zum Positiven entwickelt.
Auslandsaktivitäten
Um auch Engagement im Ausland als gemeinnützig anzuerkennen, ist im Jahr 2009 der sogenannte „strukturelle Inlandsbezug“ nach § 51 Abs. 2 AO ins Gesetz aufgenommen worden. Danach müssen durch die Auslandsaktivitäten Menschen im Inland gefördert werden oder das Engagement muss geeignet sein, das Ansehen der Bundesrepublik im Ausland zu erhöhen. Hintergrund dieser Vorschrift war die aus europarechtlichen Gesichtspunkten geschuldete Gleichstellung inländischer und ausländischer steuerbegünstigter Stiftungen.
Die Finanzverwaltung hat nunmehr die bislang lediglich in der Gesetzesbegründung vorhandenen Auslegungshilfen in den AEAO übernommen. Dadurch wurde zwar für inländische steuerbegünstigte Stiftungen Rechtssicherheit geschaffen, für ausländische dagegen nicht.
a) Inländische Stiftungen
Regelmäßig erfüllen inländische Stiftungen, die ihre Zwecke im Ausland verwirklichen, die Voraussetzungen des § 51 Abs. 2 AO. Bei Zweckverwirklichung im Ausland unterstellt nun auch die Finanzverwaltung, dass diese zur Ansehenssteigerung von Deutschland beiträgt (Indizwirkung). Der Ansehensbeitrag muss also nicht messbar sein. So trägt zum Beispiel eine Stiftung, die Trinkbrunnen- oder Bildungsprojekte in Afrika durchführt, ohne Zweifel zum positiven Ansehen von Deutschland in Afrika bei. Die erhöhten Mitwirkungs- und Nachweisepflichten, beispielsweise im Rahmen der Mittelverwendung im Ausland, gelten jedoch nach wie vor.
b) Ausländische Stiftungen
Grundsätzlich können nach § 51 Abs. 2 AO auch ausländische Stiftungen im Inland als gemeinnützig anerkannt werden. Hierzu müssen sie jedoch eine inländische Person direkt unterstützen. Daneben steht den ausländischen Stiftungen auch die zweite Variante der Vorschrift offen (Tätigkeit muss zur Ansehenssteigerung Deutschlands im Ausland beitragen). Eine wie bei inländischen Stiftungen vergleichbare Indizwirkung ist jedoch nicht vorgesehen, d.h. die Ansehenssteigerung muss im Einzelfall nachgewiesen werden. Wie dieser Nachweis jedoch erbracht werden kann, bleibt auch durch den neuen AEAO ungeklärt.
Zusätzlich müssen alle weiteren Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit von der ausländischen Stiftung erfüllt werden. Dies scheitert unseres Erachtens bereits in den meisten Fällen daran, dass die Satzungsinhalte nicht der in der Abgabenordnung vorgeschriebenen Mustersatzung entsprechen.
Aufgrund der evidenten Ungleichbehandlung wird die Vorschrift des § 51 Abs. 2 AO zu Recht in der Fachliteratur als nicht europarechtskonform angesehen.
Tätigkeitsvergütungen für Organmitglieder
Tätigkeitsvergütungen an Vereinsvorstände sind gemeinnützigkeitsrechtlich nur zulässig, wenn dies ausdrücklich in oder aufgrund der Satzung vorgesehen ist. Hierzu hatte das Bundesfinanzministerium mehrere Schreiben veröffentlicht und eine Übergangsregelung bis zum 31.12.2010 geschaffen.
Durch den neuen Anwendungserlass wurde nun klargestellt, dass die Regelungen zur Tätigkeitsvergütung entsprechend auf die Organe der Stiftungen anzuwenden sind. Da keine Übergangsvorschriften existieren, ist diese Regelung vorerst ab sofort anzuwenden. Es bleibt zu hoffen, dass die Finanzverwaltung im Nachgang eine großzügige Übergangsfrist für die Anpassung der Satzung erlässt.
Allen Stiftungen sei an dieser Stelle dringend empfohlen, ihre Satzungen daraufhin zu überprüfen. Soweit Tätigkeitsvergütungen ausbezahlt werden und dies von der Satzung nicht vorgesehen ist, sollte die Satzung in diesem Punkt angepasst werden. Bis zur Wirksamkeit der Satzungsänderung (Genehmigung durch die Stiftungsaufsichtsbehörde) ist die Auszahlung von Tätigkeitsvergütungen zu unterlassen. Zusätzlich ist dann die Satzung entsprechend den Vorgaben der Mustersatzung anzupassen.
Mildtätige Zwecke
Materiell hilfsbedürftige Personen dürfen nur dann von steuerbegünstigten Stiftungen unterstützt werden, wenn ihr gesamtes Nettovermögen 15.500 EUR nicht überschreitet. Um die eigene Steuerbefreiung nicht zu gefährden, muss dies von den Stiftungen in ihren Unterlagen nachgewiesen werden.
Leider belässt es die Finanzverwaltung bei diesem guten Ratschlag. Welche Unterlagen im Einzelfall zum Nachweis der materiellen Hilfsbedürftigkeit geeignet und erforderlich sind, bleibt der steuerbegünstigten Stiftung überlassen. Wir empfehlen daher, die Dokumentation mit der Finanzverwaltung abzustimmen.
Fazit
Der neue Anwendungserlass ist sicherlich ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, nicht zuletzt da viele Anpassungen an die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs vorgenommen wurden. Der „große Wurf“ ist der Finanzverwaltung damit jedoch leider nicht gelungen, da nach wie vor nicht nur die exemplarisch dargestellten Zweifelsfragen, sondern noch weitere Punkte ungeklärt sind. Um ihre Steuerbegünstigung nicht zu gefährden, ist daher gemeinnützigen Stiftungen und deren Beratern in ihrer täglichen Arbeit weiterhin die enge Abstimmung mit der Finanzverwaltung zu empfehlen.
Dr. Jörg Sauer ist Rechtsanwalt und Steuerberater bei Ebner Stolz Mönning Bachem in Stuttgart. Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt in der umfassenden steuerlichen und rechtlichen Beratung gemeinnütziger Stiftungen sowie Familienstiftungen.
Stephanie Schwarz ist Steuerberaterin bei Ebner Stolz Mönning Bachem. Schwerpunktmäßig berät sie in Stuttgart zu allen steuerlichen und gemeinnützigkeitsrechtlichen Fragestellungen. Zu ihren Mandaten gehören vor allem Stiftungen.