Das Hessische Finanzgericht (Gerichtsbescheid vom 7. März 2019 – 10 K 541/17, EFG 2019, S. 930) hat entschieden, dass das Erbschaftsteuerklassenprivileg (§ 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG) europarechtskonform dahingehend auszulegen ist, dass die Steuerbegünstigung auch bei einer freigebigen Zuwendung an eine ausländische Stiftung zu berücksichtigen ist.
Der Geltungsbereich der europäischen Grundfreiheiten erstrecke sich auf den gesamten Europäischen Wirtschaftsraum. Die Entscheidung ist nach Rücknahme der Revision (Az. II R 25/19) durch die Finanzverwaltung rechtskräftig.
Nach der Vorschrift des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG ist der Besteuerung von Zuwendungen aufgrund eines Stiftungsgeschäfts unter Lebenden gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG das Verwandtschaftsverhältnis des nach der Stiftungsurkunde entferntest Berechtigten zum Schenker zugrunde zu legen, sofern es sich um eine inländische Familienstiftung handelt.
Die Anwendung der nationalen Regelung führt dazu, dass eine Zuwendung an eine – im entschiedenen Fall – liechtensteinische Familienstiftung einer höheren Schenkungsteuer unterlag, als dies bei einer Zuwendung an eine deutsche Familienstiftung der Fall wäre.
Dieses durch die unterschiedliche Besteuerung entstehende finanzielle Ungleichgewicht zu Lasten der ausländischen Stiftung stelle einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit dar. Zur Beseitigung dieses europarechtswidrigen Zustands ist deshalb die Steuerbegünstigung nach Ansicht des Finanzgerichts allen im Geltungsbereich der Grundfreiheiten ansässigen Familienstiftungen zu gewähren.
Über den Autor:
Thomas Krönauer ist Partner bei Ebner Stolz in München und dort als Rechtsanwalt und Steuerberater tätig.
Dieser Beitrag erschien in DIE STIFTUNG 2/2020.