Die Liste an Änderungsforderungen nach dem Referentenentwurf zur Reform des Stiftungsrechts war lang: Die restriktivere Verwendung von Umschichtungsgewinnen für den Stiftungszweck, der Abschied vom mutmaßlichen Stifterwillen sowie Unklarheiten bei Formulierungen gehörten zu den zahlreichen Kritikpunkten, die im vergangenen Jahr einen Sturm der Entrüstung ausgelöst hatten. Auch die Aussicht auf ein Stiftungsregister konnte die Gemüter nicht beruhigen.
Der Regierungsentwurf bessert an einigen der kontroversesten Stellen nach, wodurch sich ein differenzierteres Bild ergibt – doch der Widerspruch bleibt deutlich. Während der Bundesverband deutscher Stiftungen weitere Anpassungen fordert, aber die Verabschiedung der Reform unterstützt, sprechen sich Kritiker wie die Rechtsprofessoren Ulrich Burgard und Birgit Weitemeyer für einen Neustart aus. Eine Sichtweise, die sie etwa mit dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband teilen.
„Gesetzgeberisches Monstrum“
„Der Referentenentwurf war ein gesetzgeberisches Monstrum, das viel Schaden angerichtet hätte. Das ist der Regierungsentwurf nicht mehr“, so Burgard. „Das macht ihn jedoch noch lange nicht zu einem guten Gesetz.“ Die Änderungen bedeuten aus seiner Sicht nur, „dass der Regierungsentwurf wieder auf den Stand des Diskussionsentwurfs zurückgesetzt wurde. Und der war bekanntlich so schlecht, dass wir uns zu elf Professoren zusammengetan und einen eigenen Entwurf vorgelegt haben.“ Davon finde sich aber nichts in den Vorschlägen des Bundesjustizministeriums. Auch im Regierungsentwurf sieht er schwere handwerkliche Fehler, die aus seiner Sicht negative Folgen für den Alltag der Stiftungen haben dürften. „Erfahrungsgemäß kleben Behörden an dem Text und der Begründung neuer Gesetze wie Fliegen an einem Fliegenfänger. Und dann wird’s holprig, wenn das Gesetz bleibt, wie der Regierungsentwurf ist.“

Ulrich Burgard ist Professor für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Foto: Ulrich Burgard
Aus Sicht des Bundesverbandes wird sich die Lage im Falle einer Verabschiedung durch den Bundestag hingegen nicht verschlechtern. Viele Stiftungen warteten händeringend auf Änderungen – gerade kleinere, notleidende Stiftungen, so Marie-Alix Freifrau Ebner von Eschenbach, Chefjustitiarin des Bundesverbandes mit Blick auf die Regelung zur Umwandlung in eine Verbrauchsstiftung. Für die Interessenvertretung des Sektors überwiegt die Chance, überhaupt eine Reform zu des Stiftungsrechts bekommen, wie Vorstandsmitglied Stephan Schauhoff im Namen des Verbands beim Arbeitskreis Stiftungsprivatrecht deutlich machte. Kritiker wie Rupert Graf Strachwitz, Vorstand der Maecenata-Stiftung, bedauern die Unterstützung durch den Verband, „weil die Befürworter im BMJV dann immer sagen können, ‚die Stiftungen‘ seien doch dafür gewesen“.
So unterschiedlich die Sichtweisen von Bundesverband und Reformgegnern, so ähnlich fällt die Stoßrichtung in inhaltlicher Hinsicht aus: Der Stiftungssektor wünscht sich eine Modernisierung und Flexibilisierung, während im Zentrum der Reformvorlage die titelgebende „Vereinheitlichung des Stiftungsrechts“ durch die Überführung der 16 Landesgesetze ins Bürgerliche Gesetzbuch steht. Das zeigt sich exemplarisch an der weiterhin fehlenden Möglichkeit für Stifter, den Zweck nach Errichtung innerhalb einer Frist anzupassen. Auch zu Lebzeiten die Satzung leichter ändern zu können, bleibt den Gründern verwehrt.
Während eine solche neue Freiheit für Verbände und Stiftungen ein Weg wäre, um die Rechtsform attraktiv zu halten, widerspräche sie aus Sicht der Verteidiger des Entwurfs auf staatlicher Seite dem Kern der Institution. „Maßgebend während der gesamten Existenz der Stiftung ist stets der ursprüngliche Stifterwille zum Zeitpunkt der Anerkennung – viele Gerichte bis hin zum Bundesverfassungsgericht haben das immer wieder so entschieden“, sagt Ministerialrat a.D. Angelo Winkler, der der zuständigen Bund-Länder-Arbeitsgruppe angehörte. „Diese Grundkonzeption hat sich seit Jahrzehnten bewährt, sie wollen wir nicht antasten. Auf ihr beruht der gute Ruf, das hohe Ansehen der Stiftung, das wir keinesfalls aufs Spiel setzen dürfen.“
Spielraum versus Schutzfunktion
In dieser grundlegend unterschiedlichen Einschätzung, was die Stiftung ausmacht, liegt ein Leitmotiv der Diskussion: Wo der Stiftungssektor mehr Spielraum fordert, verweist der Gesetzgeber auf etablierte Konzepte. Während Ulrich Burgard die Kriterien einer Stiftungsgründung als unnötig restriktiv einschätzt, sieht Angelo Winkler darin einen Schutz, nicht lebensfähige Stiftungen zu vermeiden. Er könne zwar verstehen, dass es das subjektive Interesse gebe, eine maximale Gestaltungsfreiheit von Stifterinnen und Stiftern zu erreichen – auch nach der Anerkennung. Doch dies widerspreche der Systematik der Stiftung. „Der Gesetzgeber“, betont Winkler, „ist dem Gemeinwohl verpflichtet; er muss die widerstreitenden Interessen objektiv bewerten und zum Ausgleich bringen“.

Angelo Winkler war von 1991 bis 2016 Referatsleiter im Ministerium für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt. Foto: Angelo Winkler
Den Vorwurf, der Entwurf sei zu restriktiv, weist Winkler zurück: Der schon dem Referentenentwurf von Kritikern vorgehaltene „Geist des 19. Jahrhunderts und des Obrigkeitsstaates“ stecke vielmehr zum Beispiel im bisherigen Paragraphen 87 BGB. „Diesen Paragraphen müssen wir dringend modernisieren. Die Vorschrift besagt, dass im Fall der Unmöglichkeit der Erfüllung des Stiftungszwecks die Behörde die Stiftung aufheben kann.“ Nicht erwähnt werde bislang, dass die Stiftung diese Frage zunächst selbst prüfen könnte und sollte – dies soll sich nach dem aktuellen Entwurf ändern. „Der Regierungsentwurf weist in die Zukunft. Er atmet den Geist des Grundgesetzes und verkörpert ein modernes Stiftungsrecht“, so Winkler, der dafür wirbt, die Reform nun umzusetzen. Eine verständliche Sprache, ein klarer, systematischer Aufbau und präzise Begriffe, Flexibilität bei der Vermögensverwaltung, die Business Judgement Rule zur Vorstandshaftung und eine konsequente Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips sprächen für das Gesetzesvorhaben, ebenso die Möglichkeit, eine Stiftung aufzulösen, wenn sie – etwa wegen geringer Erträge – heute nicht mehr anerkennungsfähig wäre.
Die Kritiker schätzen das ganz anders ein. Für Graf Strachwitz bedeutet der Regierungsentwurf „mehr Kontrolle, mehr Bürokratie“. Ohne Not werde eine Form des bürgerschaftlichen Engagements durch staatliche Maßnahmen so eingeschränkt, dass sie unattraktiv wird. „Der Trost heißt: Zivilgesellschaft ist kreativ und findig und wird sich neue Ausdrucksformen suchen.“
Ganz ähnlich positioniert sich der Sparkassen- und Giroverband (DSGV), der zwar Verbesserungen anerkennt, die im Gesetzentwurf vorgeschlagenen Regelungen aber als unnötig umfangreich bewertet und schätzt, dass sie „mit ihren zum Teil neuen und unscharfen Begrifflichkeiten mehr Probleme schaffen, als sie lösen“. Der Gesetzentwurf verfolge insgesamt eine eher verwaltungsrechtliche Betrachtung als „einen pragmatischen Lösungsansatz für die Gründung, Tätigkeit und Verwaltung von Stiftungen in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten“. Das Modell Stiftung, warnt der DSGV, würde mit diesem Gesetz zukünftig an Attraktivität verlieren. Dies würde auch dazu führen, dass potentiellen Gründern „im Bereich Kundenstiftungen unserer Sparkassen zukünftig bevorzugt zu alternativen Formen wie zum Beispiel der Treuhandstiftung oder der gGmbH zu raten ist“.
Große Hoffnungen auf einen Stopp des Gesetzgebungsprozesses haben die Reformgegner nicht. Dieser Wunsch sei völlig unrealistisch geworden, sagt Ulrich Burgard. Auch tiefer greifende Änderungen, die fundamentale Kritik entschärfen könnten, scheint kaum jemand zu erwarten. Die Zeit für Beratungen ist knapp – und nicht nur durch Corona bewegen andere Themen das politische Berlin deutlich stärker als Reformbemühungen im Stiftungssektor. Die Entscheidung wird für Ende Juni erwartet, in Kraft treten soll das Gesetz am 1. Juli 2022, das Stiftungsregister 2026. Hier sind neben rechtlichen Fragen auch technische zu klären. Die erste Frist ist umstritten: Aus Sicht des Bundesverbandes brauchen Stiftungen eine Übergangsregel und nicht nur ein Jahr Zeit, um sich nach Verabschiedung an die Vorgaben der Reform anzupassen.