Der Bundesgerichtshof hat einen Rechtsstreit um einen Vertragsabschluss zugunsten der Stiftung Deutsche Schlaganfallhilfe entschieden und dabei auch die Spielräume von Vorständen klargestellt. Ohne Einschränkungen aus Satzung oder Stiftungszweck können ihre Handlungen die Gemeinnützigkeit gefährden.

Es ging um 25 Millionen Euro Schadenersatz, Sorge um die Erhaltung der Gemeinnützigkeit, vor allem aber um die grundsätzliche Frage, was Stiftungsvorstände entscheiden können: Die Stiftung Deutsche Schlaganfallhilfe hat vor dem Bundesgerichtshof einen Streit mit früheren Geschäftspartnern gewonnen – beziehungsweise die Bestätigung erhalten, dass es gar nicht zu einer Geschäftspartnerschaft gekommen war, weil der zugrundeliegende Vertrag nicht wirksam geschlossen worden war.

Neues Geschäftsmodell für die Schlaganfallhilfe

Stein des Anstoßes war ein Verwertungs- und Vermarktungsvertrag, den die Stiftung in Person der damaligen Vorständin Brigitte Mohn und Stifterin und Präsidentin Liz Mohn, ihrer Mutter und Ehefrau des verstorbenen Bertelsmann-Gründers Reinhard Mohn, unterschrieben hatte. Das Geschäft sah vor, dass Produkte zur Schlaganfallbekämpfung gegen eine Lizenzgebühr auf eine 2012 dafür eigens gegründete GmbH vertrieben werden sollten. Bis zu zehn Prozent der Nettoeinnahmen der GmbH hätte die Stiftung Deutsche Schlaganfallhilfe erhalten.

„Die Stiftung gibt ihren wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb in weiten Teilen ab und kann sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren“, wurde Brigitte Mohn in einer Pressemitteilung zitiert. Nach der Unterzeichnung machte die Stiftung 2013 einen Rückzieher, die Geschäftspartner in spe klagten. Die Schadenersatzforderung nahm mit 25 Millionen Euro für die Stiftung eine existenzbedrohliche Größe an.

Es folgte ein Streit mit harten Bandagen, in dessen Verlauf die Behauptung im Raum stand, die Stiftung Deutsche Schlaganfallhilfe habe keine schriftliche Ausfertigung des Vertrags erhalten, ebenso Zweifel, ob die Unterschrift von Brigitte Mohn stamme, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet. Ohnehin sei das Papier sittenwidrig, da es die Gemeinnützigkeit der Stiftung Schlaganfallhilfe gefährde. Die beiden Kläger hingegen ließen sich damit zitieren, „dass den Vertragsentwurf von der Stiftung beauftragte Anwälte ausgearbeitet hätten und dass sie selbst ‚kein Komma‘ daran verändert“ hätten.

Unklare Leitplanken

Fernab solcher Scharmützel war für den Stiftungssektor die Kernfrage des seit 2015 laufenden Rechtsstreits, ob ein Vertrag bestand – und damit auch, welche Entscheidungen Stiftungsvorstände überhaupt für ihre Stiftung treffen und die Gemeinnützigkeit auf diese Weise gefährden können. Das Landgericht München befand, dass kein wirksamer Vertrag zustande gekommen sein könne. Der Entscheidungsspielraum von Vorständen sei auf den Stiftungszweck beschränkt, in diesem Fall die gemeinnützige Arbeit im Bereich der Schlaganfallbekämpfung. Nachdem der Vertrag den Verlust der im Zweck formulierten Gemeinnützigkeit bedeutet hätte, sei dieser ungültig. Wie die Kanzlei Winheller darstellt, widersprach das Oberlandesgericht München dieser Einschätzung und machte nicht die Verfolgung gemeinnütziger Zwecke, sondern die Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens als Stiftungszweck aus. Dieser stehe eben nicht im Widerspruch zu einem Vertrag über Verwertungs- und Vermarktungsrechte.

Der Bundesgerichtshof (BGH) verwarf wiederum die Lesart des Oberlandesgerichts, ohne allerdings die Begründung des erstinstanzlichen Landgerichts zu übernehmen. Der BGH gab der Deutschen Stiftung Schlaganfallhilfe nicht etwa deshalb Recht, weil die Vertretungsmacht der Vorstände durch den Zweck an sich eingeschränkt gewesen wäre, sondern weil sich die Beschränkung aus der Stiftungssatzung ergebe. Darin heißt es, der „Vorstand ist in seiner Vertretungsmacht durch den in § 2 Abs. 1 und 2 festgelegten gemeinnützigen Zweck der Stiftung beschränkt. Die Vertretungsmacht kann darüber hinaus im Innenverhältnis durch die Geschäftsordnung beschränkt werden“. Wäre diese Regelung nicht festgehalten, hätte die Stiftung Deutsche Schlaganfallhilfe eine schweren Stand gehabt, wie der Senat erläutert: Die Auslegung von § 26 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 86 Satz 1 BGB ergebe, „dass die Vertretungsmacht des Vorstands einer Stiftung unbeschränkt ist, solange die Satzung nicht im Einzelfall einschränkende Regelungen enthält und keine generelle Beschränkung durch den Stiftungszweck erfährt“. Frühere Urteile, nach deren Lesart der Zweck an sich ausreichte, verwarfen die Richter.

Blick in die Satzung

Aus Stiftungssicht bedeutet dies, dass sie keinen generellen Schutz vor Verlust der Gemeinnützigkeit annehmen können: Der Vorstand unterliegt grundsätzlich keiner Einschränkung seiner Vertretungsmacht, sondern kann durch sein Handeln die Gemeinnützigkeit durchaus gefährden. Unverträgliche Geschäfte wie der GmbH-Versuch der Gütersloher Stiftung bleiben also ein Risiko.

Aus dem Urteil folgt auch, dass Vertragspartner künftig noch genauer hinschauen dürften, bevor sie mit Stiftungen kooperieren. Dem BGH ist diese Konsequenz bewusst. Es sei richtig, „dass es im Einzelfall – wie auch hier – mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein kann, zu beurteilen, ob ein Vertrag mit den Erfordernissen der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit konform ist oder nicht“.

Für Stiftungen ist die Klarstellung ein Impuls, die Satzung auf entsprechende Formulierungen zu prüfen. Dass es dazu kommen konnte, dass die Schlaganfallhilfe Gefahr laufen würde, ihre Gemeinnützigkeit einzubüßen, ist Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten mit der damaligen Geschäftsführerin sowie einem beratenden Anwalt.

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