Die Hamburger Stiftung Phönikks hat in den vergangenen Monaten tiefschürfende Veränderungen erlebt. Ein Streit um die inhaltliche Ausrichtung offenbart eine problematische Satzung und deren Folgen: ein ohnmächtiges Kuratorium und einen Vorstand ohne Kontrollinstanz. Die Stifterin sieht ihr Lebenswerk in Gefahr.

Die Stiftung Phönikks hat Monate der Umwälzung hinter sich. Anlass war der Streit um die inhaltliche Ausrichtung, wie die Tageszeitung Die Welt berichtet. Die Hamburger Organisation unterstützt seit ihrer Gründung an Krebs erkrankte Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene und Eltern sowie deren Angehörige und arbeitet hierbei mit Methoden der Psychoonkologie. Beatrice Züll, geschäftsführender Vorstand, will nun die „Entwicklung von der psychoonkologischen Betreuung nach dem verhaltenstherapeutischen Ansatz hin zur psychoonkologischen Betreuung nach dem Ansatz der systemischen Familientherapie“, wie sie gegenüber DIE STIFTUNG erklärt.

„Diese partielle Auseinandersetzung ist von einer Person wohl aus persönlich-familiären Gründen künstlich provoziert worden und wird gewiss keine nachhaltige Bedeutung haben.“ Beatrice Züll

Diesen hält unter anderem die Stifterin Christl Rehmenklau-Bremer für ungeeignet. Sie wehre sich dagegen, „dass Frau Züll mit irgendeinem nicht geeigneten Therapieansatz die Stiftung ruiniert. Mit der Veränderung des Therapieansatzes ändert Frau Züll den Stiftungszweck und bricht damit meinen Stifterwillen. Das darf sie nicht ohne meine Zustimmung“, wird Rehmenklau-Bremer in Die Welt zitiert. Sie ist mit ihrer Haltung nicht allein. Gabriele Escherich, Fachärztin für Kinderonkologie und Oberärztin in der kinderonkologischen Abteilung am Universitätsklinikum Eppendorf, wird nach einem Streit aus dem Vorstand abberufen. Die Klinikleitung beendet im November 2020 die 30-jährige Zusammenarbeit mit der Stiftung. Escherich ist nicht der einzige Abgang. Auch therapeutisches Personal, Mitarbeiter im Fundraising und in der Buchhaltung, zwei Vorstandsmitglieder sowie das gesamte Kuratorium sind von Bord.

Kuratorium will Absetzung des Vorstands, …

Die sechs Mitglieder des Kuratoriums streben inzwischen die Absetzung Zülls an. Der Stiftungsaufsicht Hamburg liegt laut Die Welt eine entsprechende Eingabe vor. Darin enthalten seien Darstellungen früherer Beschäftigter, es sei die Rede von Mobbing, Drohungen, Kündigungen und Aussperrung. Zudem habe sich der Vorstand „von der psychoonkologischen Kompetenz, die die Grundlage für die Umsetzung des Stifterwillens ausmacht, ohne Begründung verabschiedet. Hier bleibt zur Wiederherstellung der Ordnungsgemäßheit des Stiftungshandelns nur die einzig erforderliche Maßnahme der Abberufung von Amts wegen“, so die Forderung.

Paragraph sechs des Hamburgischen Stiftungsgesetzes sieht die Möglichkeit einer Abberufung eines Stiftungsorgans „aus wichtigem Grund“ vor. Ein wichtiger Grund ist insbesondere eine grobe Pflichtverletzung oder die Unfähigkeit der ordnungsgemäßen Geschäftsführung. Hierauf stützt sich das Kuratorium in seinem Vortrag, wonach die Abberufung nicht erst dann zum Tragen kommen kann, wenn der Vorstand sich etwa finanziell bereichert. Die Stiftungsaufsicht Hamburg steht derzeit wegen eines Verfahrens im Zusammenhang mit der Joachim-Herz-Stiftung bereits im Licht der Öffentlichkeit und könnte mit den bekannt gewordenen Vorwürfen nun erneut unter Zugzwang kommen.

Beatrice Züll kann die Vorwürfe nicht nachvollziehen. Es handle „sich nicht um einen grundsätzlichen Konflikt, sondern nur um eine Teilauseinandersetzung, die sich gewiss beilegen lassen wird: Diese partielle Auseinandersetzung ist von einer Person wohl aus persönlich-familiären Gründen künstlich provoziert worden und wird gewiss keine nachhaltige Bedeutung haben“. Zudem handle die Beratungsstelle für Familien „zu 100 Prozent satzungskonform, zumal wir gemäß Satzung angehalten sind, unsere Behandlungsformen fortlaufend zu modernisieren und dem aktuellen Erkenntnisstand anzupassen“.

Der Verweis auf die Satzung führt zum Kern des Problems: Unabhängig von der inhaltlichen Bewertung ist das Papier hoch problematisch: Es erlaubt dem Vorstand, sämtliche Geschicke der Stiftung ohne weitere Kontrollinstanz zu steuern. „Scheidet ein Vorstandsmitglied aus, so bestimmen die verbleibenden Vorstandsmitglieder unverzüglich eine Ersatzperson“, heißt es im Passus zur Nachbesetzung. Die Satzung scheint zugeschnitten auf eine Stifterin, die – wie bis 2015 der Fall – auch den Vorstand leitet. „Ich bin 2016 im Konflikt mit Beatrice Züll aus der Stiftung ausgeschieden. Dass ich das neu geschaffene Kuratorium damals nicht mit stärkeren Kontrollrechten gegenüber dem geschäftsführenden Vorstand versehen habe, war sicher ein Fehler“, wird Rehmenklau-Bremer in Die Welt zitiert. Die entstandene Lücke neben Züll im mindestens dreiköpfigen Gremium haben Regina Rumey und die Fundraisingverantwortliche und Vorstandsassistenz Gabriele Gottfried gefüllt.

… ist laut Satzung aber machtlos

Dem inzwischen entlassenen Kuratorium kommt bei solchen Entscheidungen keine Rolle zu, wie überhaupt dessen Stellung schwach ist: Nicht nur kann der Vorstand „ein Kuratoriumsmitglied jederzeit ohne Angaben von Gründen abberufen“, so die Satzung. Die grundsätzliche Funktion des Organs ist rein beratend. „Das Kuratorium hat die Aufgabe, den Vorstand in wichtigen Stiftungsangelegenheiten, insbesondere beim Aufbau und der Pflege externer Beziehungsstrukturen und bei der Öffentlichkeitsarbeit zu beraten, zu unterstützen und zu entlasten. Die Kuratoriumsmitglieder können Anregungen und Vorschläge für die Wahrnehmung und Erfüllung des Stiftungszweckes machen.“

Zwar war das Kuratorium nach Informationen von DIE STIFTUNG in den vergangenen Jahren stark eingebunden, hatte etwa Verbindungen zu Krankenkassen hergestellt und Spender akquiriert, doch rechtlich bestand und besteht darauf kein Anspruch. Diese faktisch seit längerem gelebte Praxis sollte auch in einer geänderten Stiftungssatzung ihre Verankerung finden. Die Arbeit daran war offenbar bereits abgeschlossen. Unter der Leitung von Beatrice Züll war ein Papier entwickelt worden, das dem Kuratorium eine Kontrollfunktion einräumt hätte. Das Placet der Stiftungsaufsicht vorausgesetzt, hätte nur noch der Vorstand zustimmen müssen. Ob mit einer solchen Konstellation noch zu rechnen ist, scheint unklar. Züll kommentiert die bisherige Ausarbeitung nicht, sondern weist darauf hin, dass die Arbeit an der neuen Satzung der Stiftung „in den Händen eines bundesweit ausgewiesenen Experten für Stiftungsrecht“ liege. „Wenn die Empfehlungen dieses Experten vorliegen, werden sie in den Entscheidungsprozess einfließen. Dem soll nicht vorgegriffen werden.“

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