Das globalisierungskritische Netzwerk Attac darf den gemeinnützigen Status beibehalten. Dies entschied heute das Hessische Finanzgericht in Kassel. Es hob damit die Steuerbescheide des Frankfurter Finanzamtes auf, das im April 2014 dieses Steuerprivileg für die Jahre 2010 bis 2012 versagt hatte. Die Behörde hatte bemängelt, dass der Verein die in der Satzung angegebenen Zwecke nicht mehr verfolge. Insbesondere störte sich das Finanzamt daran, dass das Netzwerk für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer eintritt und seinen Forderungen auch durch Demonstrationen Nachdruck verleiht.
Das Gericht befand jedoch, dass der Verein weiterhin Zwecke verfolge, die nach § 52 der Abgabenordnung als gemeinnützig gelten. Die Richter betonten, dass politische Aktivitäten einer Gemeinnützigkeit nicht entgegenstehen, sofern sie im Gesamtkontext eines gemeinnützigen Zwecks stehen und eingebettet sind in ein umfassendes Informationsangebot. Entsprechend sei das Engagement von Attac durchaus als politische Bildung zu bewerten. „Ebenso hieß es in der heutigen Urteilsverkündung, dass das Eintreten für mehr Steuergerechtigkeit durchaus unter den gemeinnützigen Zweck ,Förderung des demokratischen Staatswesens‘ subsumiert werden kann“, sagte Attac-Anwalt Dr. Till Müller-Heidelberg. Die Richter fassten diese Zwecke damit weiter als es das Frankfurter Finanzamt vertritt. Ebenfalls betonten sie, dass bestimmte gemeinnützige Zwecke ohne Einflussnahme auf die politische Willensbildung kaum zu verfolgen seien. Eine Revision beim Bundesfinanzhof ließ das Gericht nicht zu.
„Zivilgesellschaft und Politik sind nicht unterschiedliche Sphären, sondern gehören untrennbar zusammen. Das hat das Gericht anerkannt”, sagte Dirk Friedrichs vom Vorstand des Attac-Trägervereins nach der Verhandlung. Auch Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, kommentierte das Urteil noch am Nachmittag: „Damit sollte der Mythos Geschichte sein, dass das Gesetz zwischen politischen und gemeinnützigen Zwecken unterscheidet. Diese Behauptung ist durch das Gesetz nicht gedeckt. Selbstloses politisches Engagement findet auch außerhalb von Parteien und Parlamenten statt. Es nutzt der Gesellschaft, es wirkt Polarisierung entgegen. Deshalb ist es förderungswürdig.“ Weiter forderte Diefenbach-Trommer: „Die Bundesregierung muss den Anwendungserlass zur Abgabenordnung ändern, damit Finanzämter nicht weiterhin falsch entscheiden.“