Im Interview mit Monica Culen, Stiftungsgründerin von ROTE NASEN Clowndoctors International, Vorsitzende des Stiftungsvorstandes und CEO, über professionelle Clownarbeit und ihre Anerkennung sowie Probleme des gemeinnützigen Sektors in Österreich
DIE STIFTUNG: Bitte stellen Sie uns Ihre Stiftung in kurzen Worten vor.
Monica Culen: Die gemeinnützige Privatstiftung ROTE NASEN Clowndoctors International (RNI) wurde 2003 von ROTE NASEN Österreich ins Leben gerufen und hat ihren Sitz (auch) in Wien. RNI hat die Aufgabe, die professionelle Clownarbeit für kranke und leidende Menschen über die Grenzen Österreichs hinauszutragen und in anderen Ländern ROTE NASEN Clown Organisationen aufzubauen, das Know-how weiterzugeben und die Qualität zu garantieren. Dazu gehört vor allem die Ausbildung der Künstler, die Einführung der verschiedenen ROTE NASEN Programme für Kinder, Senioren, mental- und mehrfach behinderte Kinder und Jugendliche, Rehabilitationspatienten und Menschen in Krisengebieten.
ROTE NASEN Clowndoctors bringen mit der Kunst des Humors und der liebevollen, aber fröhlichen Zuwendung seelische Erleichterung und überraschende, neue Perspektiven zu Menschen, die leidend und angsterfüllt sind. Mit ganz speziell entwickelten Methoden begegnen die Clowns den verschiedenen Zielgruppen entsprechend ihrer unterschiedlichen Bedürfnisse. Überraschung, Freude, Frohsinn, Leichtigkeit und Zuversicht bringt die einmalige Kunst der Clownerie, mit der wir über das Scheitern, unsere Schwächen und die Untiefen des Lebens lachen können. Gemeinsam mit den Clowns stellen sich Patienten über ihr Schicksal, betrachten es aus anderen Blickwinkeln und schöpfen Hoffnung, Mut und Lebenskraft.
RNI verbindet seine Arbeit mit den UN Milleniums-Zielen für Rechte und Schutz von Kindern und das Recht auf Kunst und Kultur für jeden Menschen in allen Lebenssituationen. Die RNI-Gruppe ist derzeit in 11 Ländern tätig. Über 320 ROTE NASEN Clowns besuchen mehr als 640.000 kranke Menschen in 470 medizinischen Institutionen pro Jahr in Österreich, Ungarn, Tschechien, der Slowakei, Deutschland, Slowenien, Kroatien, Polen, Litauen, Palästina und in Neuseeland.

Auch in Krisenregionen sind die ROTEN NASEN aktiv, wie hier mit dem Programm Emergency Smile.
DIE STIFTUNG: Welches Projekt liegt Ihnen aktuell am meisten am Herzen?
Culen: Die Weiterentwicklung unserer Arbeit und unserer Einsatzgebiete ist die große Herausforderung. In Zusammenarbeit mit medizinischen und sozialen Experten entwickelt die ROTE NASEN Gruppe neue Programme für neue Zielgruppen, wie z.B. Intensive CLOWN Care oder Karawanenorchester oder Emergency Smile in Jordanien. Bei Letzterem wollen wir dringenden Ansuchen folgend im Rahmen unseres Emergency Smile Programmes in Jordanien ein Zentrum aufbauen, von wo wir lokale Künstler professionell ausbilden und umfassend in die Flüchtlingscamps schicken können.
Bei Intensive CLOWN Care geht es darum, dass Clowns auch eine unterstützende Rolle in der Vorbereitung von Operationen und schwierigen Untersuchungen im Intensivbereich der Krankenhäuser ebenso wie im Ambulanzbereich einnehmen können. Die Reduktion von Angst und Anspannung durch gezielte Ablenkung macht solche Eingriffe für Patienten und Mediziner wesentlich leichter.
Karawanenorchester schließlich ist ein speziell entwickeltes Programm für mental- und mehrfach behinderte Kinder und Jugendliche, das alle Sinne anspricht und einen begeisterten Stimulus bei den kleinen Patienten auslöst. Dieses Programm wird ebenfalls in allen Partnerländern eingeführt.
DIE STIFTUNG: Was sind für Sie die aktuell größten Herausforderungen?
Culen: Unsere Programme werden von der Öffentlichkeit noch immer weitgehend als leichte Unterhaltung wahrgenommen. Unsere PR steht vor der Herausforderung in allen Kommunikationskanälen das Verständnis zu erwirken, dass die Arbeit der Clowns professionell und seriös vorbereitet und eingesetzt werden muss und dann seelisch tiefgreifende Wirkung erzielen kann.
Im Aufbringen der finanziellen Ressourcen ist es oft schwierig, Mittel für eine Dachorganisation zu erhalten. Wir müssen unseren Spendern und Mäzenen erst klarmachen, dass die Arbeit von RNI die Basis legt für die Betreuung von über 650.000 Menschen im Jahr, dass nur die hochkarätige Ausbildung der Künstler und die strengen Qualitätskontrollen Erfolg garantieren und dass der Aufbau einer transparenten und gut geführten Struktur die Nachhaltigkeit aller unserer Organisationen sichert.
Die Unterstützung unserer Arbeit durch andere Stiftungen wird weitgehend durch das Prinzip der Unmittelbarkeit behindert, das heißt, dass wir für manche Projekte die direkte Verantwortung an die spendende Stiftung übergeben müssten.
DIE STIFTUNG: Inwiefern sind Sie durch das aktuelle Niedrigzinsumfeld herausgefordert und wie begegnen Sie dem?
Culen: Leider haben wir in unserer Stiftung keinen Kapitalstock, von dessen Zinsen wir unsere Programme finanzieren könnten. Die Anlage unserer Rücklagen erfolgt ausschließlich nach dem Prinzip der Sicherheit.

Bei Karawanenorchester geht es darum mental- und mehrfach behinderte Kinder und Jugendliche zu begeistern.
DIE STIFTUNG: Woran mangelt es in Österreich, dass sich eine stärkere gemeinnützige Kultur noch nicht entwickelt hat?
Culen: In Österreich fehlt das Verständnis dafür, dass der NGO-Sektor eine wichtige Dritte Kraft im Land darstellt. Jenseits der Schwankungen von Politik und Wirtschaft verleihen zivilgesellschaftliche Organisationen, die von der Bevölkerung über Generationen gestärkt und getragen werden, einer Gesellschaft Stabilität und Nachhaltigkeit. Eine gut entwickelte Zivilgesellschaft stärkt die Demokratie und das Bewusstsein der gegenseitigen Verantwortung für ein Gemeinwohl.
Unsere Politik ist sich der Aufgabe offenbar nicht bewusst, dass Mäzenatentum und zivilgesellschaftliches Engagement entsprechende Rahmenbedingungen, aber auch öffentliche Anerkennung braucht.
Deutschland hat eine lange Tradition des gemeinnützigen Stiftens. Die rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen wurden erst kürzlich wieder verbessert um die Mitwirkung des privaten Sektors an gesellschaftlichen Aufgaben zu erleichtern.
DIE STIFTUNG: Wo liegt das Potential der österreichischen Stiftungslandschaft?
Culen: Wenn wir in Österreich eine Stiftungskultur entwickelten, die pro Kopf nur 2/3 der deutschen Stiftungsausschüttungen ermöglichen würde, könnte über 1 Mrd. EUR zur Entfaltung von Projekten der Wissenschaft, Forschung, Innovation, Bildung, Soziales u.v.m. im Jahr bereitgestellt werden.
DIE STIFTUNG: Agenda 2020, wenn Sie einen Wunsch hätten: Wo soll der Dritte Sektor in Österreich im Jahr 2020 stehen?
Culen: Ich denke, die nächsten Jahre werden zukunftsweisend sein, welche kraftvolle Position die Zivilgesellschaft in Österreich einnehmen kann. Wenn die politischen Rahmenbedingungen stimmen, können sich das Bewusstsein der gesellschaftlichen Verantwortung und die Freude an der Mitwirkung in der Bevölkerung noch deutlich erhöhen. Der Dritte Sektor sollte als das wahrgenommen werden, was er bedeutet: demokratische Kultur, Stabilität und Gerechtigkeit in der Gesellschaft und eine Plattform für die Entwicklung einer hohen Zivilisation im Lande.
DIE STIFTUNG: Frau Culen, haben Sie vielen Dank für diesen ehrlichen Einblick in den gemeinnützigen Sektor Österreichs.
Das Interview führte Jennifer E. Muhr.
Monica Culen ist Stiftungsgründerin von ROTE NASEN Clowndoctors International, Vorsitzende des Stiftungsvorstandes und CEO. Zudem ist sie Gründerin und Präsidentin von ROTE NASEN Clowndoctors Österreich und Gründungspräsidentin der European Federation of Hospital Clowns Organization. Darüber hinaus ist Frau Culen Präsidentin im Fundraising Verband Austria.
Die Serie wird gemeinsam mit dem Fundraising Verband Austria realisiert.