DIE STIFTUNG: Was ist in Ihren Augen das Erfolgsgeheimnis hinter langfristig erfolgreicher Entwicklungszusammenarbeit auf internationaler Ebene?
Roland Diethelm: Wer in Entwicklungsländern langfristig neue Perspektiven schaffen will, der muss auch entsprechend lange vor Ort sein. Das hat den Vorteil, dass die Projekte über einen längeren Zeitraum hinweg betreut und Anpassungen vorgenommen werden können. Wichtig ist ausserdem, dass die Bevölkerung involviert wird, sie also nicht nur von Aktivitäten profitiert, sondern diese selbst mitgestaltet. Der Einbezug der Bewohner stellt später sicher, dass auch nach der Projektübergabe weiterhin Fortschritte erzielt werden – im Idealfall ohne die Unterstützung von Hilfsorganisationen. Bewährt hat sich in der Entwicklungszusammenarbeit auch ein multisektorieller Ansatz. Das bedeutet, dass sich Entwicklungsprojekte nicht nur auf einen Sektor wie beispielsweise Gesundheit konzentrieren, sondern das gesamte wirtschaftliche und soziale Umfeld eines Projektgebiets berücksichtigen. In unserem Fall sind das die vier Sektoren Wasser und Hygiene, Gesundheit und Ernährung, Kinderschutz und Kinderrechte sowie Bildung und Einkommen.
DIE STIFTUNG: Sie setzen mehr beim Mindset der Menschen als bei der Infrastruktur an. Woher kommt das?
Diethelm: Eine positive Veränderung findet dann statt, wenn die Veränderung auch in den Köpfen der Beteiligten und der Projektbewohner passiert. Dies bestätigen unsere Erfahrungen aus über 30 Jahren Entwicklungszusammenarbeit. Ein einfaches Beispiel: Den Bauern im gebirgigen bolivianischen Hochland verteilen wir nicht einfach nur Saatgut. Sie lernen mit uns auch, wie sie ihre Äcker damit nachhaltig bewirtschaften können, wir schulen sie in ressourcenschonenden Anbauverfahren und ermutigen sie, sich untereinander über Vor- und Nachteile von verschiedenen Verfahren auszutauschen. Wir arbeiten also eng mit den Menschen und lokalen Institutionen zusammen und versuchen, negative Auswirkungen des Status quo und Alternativen aufzuzeigen. Hierbei ist es sehr wichtig, dass die lokalen und kulturellen Merkmale immer berücksichtigt werden. So nehmen wir Rücksicht auf oft stark verwurzelte kulturelle Gegebenheiten und mischen uns beispielsweise auch nicht in die Erziehung von Kindern ein, solange die Rechte der Kinder gewahrt werden.
DIE STIFTUNG: Gehört für Sie zur professionellen Projektarbeit auch professionelle Kommunikation?
Diethelm: Kommunikation ist in vielerlei Hinsicht unerlässlich in der Entwicklungszusammenarbeit. Es beginnt in den Projekten selbst mit zwischenmenschlicher Kommunikation: Ein Dialog zwischen Projektbewohnern und Projektmitarbeitenden vor Ort ermöglicht erst eine fruchtbare Zusammenarbeit. Es ist unentbehrlich, die Sorgen und Anliegen der Menschen im Projektgebiet zu berücksichtigen. Wir sehen es zudem als unsere Aufgabe an, unseren Spendern ein authentisches Bild von den Projektaktivitäten vor Ort zu geben. Deswegen spielt auch die Kommunikation hierzulande eine wichtige Rolle. Geschichten, Fotos und Fortschrittsberichte bilden eine Brücke zwischen den Menschen in den Projekten und den Spendern in der Schweiz und stellen zudem ein Transparenzmerkmal dar.
DIE STIFTUNG: Wie gewährleisten Sie die Wirkungsmessung? Geht das beispielsweise in Nepal? Warum messen Sie die Wirkung Ihres Tuns überhaupt?
Diethelm: Ob wir mit unserem Tun erfolgreich sind und stetig neue Perspektiven schaffen, erfahren wir nur dann, wenn wir Erfolge, aber auch Misserfolge kontinuierlich festhalten und die Erkenntnisse später wieder in unsere Arbeit einfliessen lassen. Unsere langfristigen, 15 Jahre währenden Projekte sind in drei Phasen gegliedert.
Jeweils nach fünf Jahren werden Erkenntnisse in neue Massnahmen für die nächsten fünf Jahre eingebaut. Auch in Nepal werden unsere Massnahmen langfristig ausgewertet. Die Tatsache, dass wir für mindestens ein Jahr Nothilfe und Wiederaufbau leisten und unsere langfristigen Projekte im Land ebenfalls weiterführen, erlaubt uns, die Wirkung unserer Hilfe fortlaufend zu analysieren. Dies geschieht mitunter durch regelmässige Besuche in den betroffenen Gebieten und durch Gespräche mit den Betroffenen selbst. Eine solche Wirkungskontrolle sehen wir als unsere Pflicht gegenüber den Spendern, die darauf vertrauen, dass ihre Unterstützung effizient und verantwortungsvoll eingesetzt wird. Es ist aber auch eine Verpflichtung gegenüber der lokalen Bevölkerung, zu deren nachhaltigen Unterstützung wir uns mit unserem Engagement in Nepal verpflichtet haben.