Die hohe Inflation und die steigenden Lebensmittelpreise treffen gerade ärmere Menschen stark. Wie unterstützen Stiftungen und die Zivilgesellschaft in dieser Zeit? DIE STIFTUNG hat mit der Diakonie und dem Franziskustreff in Frankfurt darüber gesprochen, wie sie den Ansturm von Bedürftigen bewältigen.

Die Preise für Nahrungsmittel steigen und belasten Menschen mit geringem Einkommen stark. Sie sind überdurchschnittlich von den Folgen der Coronapandemie und nun auch des Ukrainekrieges betroffen. Selbst Menschen, die eigentlich berufstätig sind, fallen in die Bedürftigkeit, sagt Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik bei der Diakonie Deutschland: „Das merkt man jeden Tag beim Einkaufen. Die Situation hat sich enorm verändert.“

Maria Loheide ist Vorständin Sozialpolitik bei der Diakonie Deutschland mit Hauptsitz in Frankfurt am Main. Quelle: Diakonie

Das beobachtet auch die Tafel Deutschland, deren 960 Einrichtungen mittlerweile zwei Millionen Menschen nutzen. In einer internen Erhebung beschreiben knapp 40 Prozent der Tafeln einen Anstieg der Kunden seit Beginn des Kriegs um bis zu 50 Prozent. Rund 76 Prozent der Mitarbeiter sehen den Andrang auf die Einrichtungen aktuell als das größte Problem. Beinahe die Hälfte der Tafeln (48 Prozent) musste ihre Öffnungszeiten ausweiten.

32 Prozent berichten sogar über Aufnahmestopps. Die meisten Kunden sind derzeit Geflüchtete aus der Ukraine. Auch die Zahl der Rentner, die auf die Hilfe der Tafeln durch inflationsbedingte Altersarmut angewiesen sind, hat sich stark erhöht: Ihr Anteil stieg um 69 Prozent.

Frühstück für Bedürftige

Der Kostenanstieg trifft die Schützlinge des Franziskustreffs besonders hart, sagt Rubén Zárate, Bereichsleiter Wohltäter-Beratung. Die Gäste bestehen zu einem Drittel aus Obdachlosen, zu einem weiteren aus wohnungslosen Personen, die etwa bei Freunden unterkommen, und aus Menschen, die unter die Altersarmutsgrenze gefallen seien. „Uns fällt auf, dass vermehrt Rentner wieder zu uns kommen, die uns erzählen, dass sie einfach ihre Butter nicht mehr bezahlen können. Wir haben auch schon erlebt, dass Spender gesagt haben, dass sie uns jetzt nichts mehr spenden können, weil sie das Geld nun für ihren eigenen Haushalt brauchen.“

Insgesamt sei die Spendensituation jedoch stabil, sodass der Franziskustreff die Kosten für das Bedürftigenfrühstück bei 50 Cent belassen konnte. Das Frühstück ist das Hauptprojekt der Frankfurter Stiftung: Seit Corona kommen täglich bis zu 110 Gäste in den Gastraum, davor waren es bis zu 180. Die Frühstücksslots betragen 20 Minuten. „Die Lebensmittelpreise sind ein Problem, aber wir haben wirklich gute Wohltäter, die für uns da sind. Bisher hat keiner unseren Frühstücksraum ohne ein Frühstück verlassen müssen auf Grund von zu wenig Lebensmitteln. Darüber sind wir sehr froh“, sagt Zárate. Die Tafel hat mit einem Rückgang der Unterstützung bei den Lebensmittelspenden zu kämpfen: 62,5 Prozent der Tafeln in Deutschland mussten die Lebensmittelmengen für die Haushalte reduzieren.

Psychische Belastung erhöht

Rubén Zárate ist Bereichsleiter Wohltäter-Beratung beim Franziskustreff in Frankfurt am Main. Quelle: Franziskustreff

Die Situation ist auch eine Belastung für die Mitarbeiter. 60 Prozent der Tafel-Beschäftigten nannten die psychische Belastung der Helfer als größtes Problem. Auch die Diakonie versucht, dieser Belastung entgegenzuwirken: mit Coachings, Schulungen und mit Hilfe von hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ein Problem sei auch, dass Ehrenamtliche sich beim Helfen gerne übernehmen würden, ohne zu merken, dass sie über ihre Grenze gegangen sind, so Vorständin Loheide. Die Krise sei spürbar, sagt auch Zárate vom Franziskustreff – „bei den Gästen, bei den Hauptamtlichen und bei den Ehrenamtlichen. Und auch bei mir selber, ich selbst fahre auch unsicherer durch die Welt“.

Loheide sieht die Politik in der Pflicht. Das eigentliche Problem sei die fehlende Existenzsicherung: „Tafeln sind eigentlich keine Lösung. Als Sozialstaat müsste Deutschland dafür sorgen, dass so was nicht mehr notwendig ist. Die Bedingungen müssen sich von Grund auf ändern, um das Problem wirklich zu greifen.“ Das zeige auch eine Befragung der Schuldnerberatungsstellen der Diakonie. Hier werden die Wartezeiten immer länger. Menschen, die ohnehin bereits in einer existentiellen Krise steckten, müssten dazu noch Monate warten. Das könne sehr schnell zu ernsthaften psychischen Problemen führen, so die Sozialvorständin. „Großer Druck, gepaart mit Ängsten – uns ist aufgefallen, dass erhebliche psychische Beeinträchtigungen aktuell viel öfter aufkommen“, sagt Loheide.

Die Tafel Deutschland fand in ihrer aktuellen Umfrage heraus, dass rund 39 Prozent der Tafeln ein vermehrtes Aufkommen von Bedürftigen von bis zu 50 Prozent verzeichnen. Quelle: Tafel Deutschland

Die Tafel Deutschland fand in ihrer aktuellen Umfrage heraus, dass rund 39 Prozent der Tafeln ein vermehrtes Aufkommen von Bedürftigen von bis zu 50 Prozent verzeichnen. Quelle: Tafel Deutschland

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