„Während sich bei Thyssen-Krupp die Investoren zofften, ging die einst einflussreiche Krupp-Stiftung auf Tauchstation“, fasst die FAZ die Situation der letzten Jahre zusammen. Es sei das fehlende Bekenntnis von Stiftungschefin Ursula Gather gewesen, dass Konzernchef Heinrich Hiesinger zum Rücktritt brachte. Die gemeinnützige Alfried-Krupp-von-Bohlen-und-Halbach-Stiftung hält 21 Prozent der Aktien und ist damit die größte Anteilseignerin des Dax-Konzerns.
Krupp-Stiftung: Einheit des Unternehmens wahren
Die FAZ erklärt: Gemäß ihrer Satzung habe die Stiftung die Aufgabe, „im Geiste des Stifters“ darauf zu achten, dass „die Einheit dieses Unternehmens möglichst gewahrt und seine weitere Entwicklung gefördert wird“. Die Frage sei, ob die beiden Teile dieses Auftrages sich noch miteinander vereinbaren lassen. Denn einerseits, so die FAZ, „war bei Gather von einem klaren Bekenntnis zur Einheit des Konzerns wenig zu spüren. Dann hätte sie sich viel enger an die Seite des seit Freitag Ex-Vorstandsvorsitzenden Heinrich Hiesinger stellen müssen. Dessen erklärtes Ziel war es schließlich immer, den Restkonzern nach der Abspaltung der Stahlsparte möglichst zusammenzuhalten.“ Andererseits sagte schon der Stifter Alfried Krupp: „Wer soziale Leistungen erbringen will, muss den wirtschaftlichen Ertrag sichern“. Deshalb seien Gather und Hiesinger wohl schon in der Vergangenheit öfter aneinandergeraten, wenn es darum ging, den richtigen Weg in die Zukunft festzulegen.
Gather wird zudem aber auch vorgeworfen, „die Sinnhaftigkeit und den Erfolg des Joint-Ventures in Frage zu stellen“, so die FAZ. Obwohl sie letztlich dem von Hiesinger ausgearbeiteten Plan für Thyssen-Krupp zustimmte, war das Vertrauen gebrochen: „Für Hiesinger war klar, dass das Tischtuch endgültig zerschnitten war und er auf den Rückhalt der Stiftung nicht mehr vertrauen konnte.“
Thyssen-Krupp AG: Wütende Mitarbeiter
Für die Mitarbeiter der Thyssen-Krupp AG stand jedoch fest: mit Hiesinger ist der Falsche gegangen, lieber hätten sie Gather verabschiedet: Kurz nachdem Hiesinger seine Mitarbeiter informierte, kursierte ein Brief im Intranet des Unternehmens, er richtet sich an Ursula Gather. Eine „bittere Abrechnung“ nennt das Handelsblatt den Brief und zitiert daraus: „Wir, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Thyssen-Krupp AG sind traurig, enttäuscht und wütend. Traurig, weil wir einen aufrechten, gerechten und hochangesehenen Firmenchef verloren haben. Enttäuscht, weil die Stiftung in ihrem Kernauftrag, das Erbe von Alfried Krupp zu wahren, versagt hat. Wütend, weil Sie persönlich den Mann, den Berthold Beitz zur Rettung unseres Unternehmens geholt hat, nicht so unterstützt haben, wie er es verdient gehabt hätte.“ Gather habe in ihrer „beispiellosen Ignoranz dem Treiben feindlicher Investoren zugeschaut und sich seit dem Tod von Berthold Beitz nicht ein einziges Mal öffentlich zu Heinrich Hiesinger und seiner Unternehmenspolitik bekannt“, so die Autoren. Sie werfen der Stiftungsvorsitzenden vor, apathisch auf die Attacken von Finanzinvestoren zu reagieren und gegen das eigene Unternehmen gearbeitet zu haben.
Hiesinger begründete seinen Rücktritt unter anderem mit dem Satz: „Ein gemeinsames Verständnis von Vorstand und Aufsichtsrat über die strategische Ausrichtung des Unternehmens ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Unternehmensführung“, so das Handelsblatt.
Krupp-Stiftung äußert Bedauern
Die Stiftung wolle sich zu dem Brief nicht äußern, teilte das Handelsblatt mit. Auf ihrer Website äußert sie sich indes ebenfalls unglücklich über den Weggang Hiesingers: „Mit großem Bedauern hat die Alfried-Krupp-von-Bohlen-und-Halbach-Stiftung den überraschenden Wunsch von Heinrich Hiesinger aufgenommen, sein Mandat als Vorstandsvorsitzender der thyssenkrupp AG zu beenden“, so die Pressemitteilung. Herr Dr. Hiesinger habe 2011 zu einem Zeitpunkt die Verantwortung übernommen, als es um die Zukunftsfähigkeit des Konzerns ging, wird Ursula Gather, Kuratoriumsvorsitzende der Krupp-Stiftung, zitiert. Mit Weitblick, Verhandlungsgeschick und Gradlinigkeit sei es ihm gelungen, das Unternehmen nicht nur wirtschaftlich neu auszurichten, sondern ihm auch eine moderne, transparente Unternehmenskultur zu geben. „Die Stiftung und auch ich persönlich haben Herrn Hiesinger auf diesem Weg stets unterstützt, die Vorschläge des Vorstandes begrüßt und sie in den Entscheidungen mitgetragen. Wir verdanken Herrn Hiesinger außerordentlich viel“, so Gather.
Die Alfried-Krupp-von-Bohlen-und-Halbach-Stiftung
Die gemeinnützige Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung ist das Vermächtnis von Dr.-Ing. E. h. Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, dem letzten persönlichen Inhaber der Firma Fried. Krupp. Testamentarisch legte er fest, „die Firma über eine Stiftung, die Ausdruck der dem Gemeinwohl verpflichteten Tradition des Hauses Krupp sein soll, in eine Kapitalgesellschaft umzuwandeln“. Mit seinem Tod am 30. Juli 1967 ging sein gesamtes Vermögen auf die von ihm errichtete Stiftung über. Die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung verwendet die ihr aus ihrer Unternehmensbeteiligung zufließenden Erträge ausschließlich und unmittelbar für gemeinnützige Zwecke.