Die Schweiz könnte bald als das Stiftungsparadies Mitteleuropas gelten. Schließlich begegnet den 12.000 gemeinnützigen Schweizer Stiftungen dort eine liberale Stiftungsaufsicht. Weiter haben Stifter umfassende Gestaltungsmöglichkeiten bei Zustiftungen und unterliegen nicht dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung wie in Deutschland. Im Wettbewerb der Stiftungsstandorte hat die Schweiz also gute Karten.
Dies war der Tenor des 1. Zürcher Stiftungsrechtstags zum Thema „Perspektiven des Stiftungsrechts in der Schweiz und in Europa“, der Mitte April an der Universität Zürich mit rund 150 Teilnehmern stattfand. Veranstalter waren das Zentrum für Stiftungsrecht sowie das Europa Institut der Hochschule. Die Vorträge und Diskussionsrunden interessierten nicht nur Schweizer, sondern auch Gäste aus Österreich, Liechtenstein und insbesondere Deutschland.
Gerade für Letztere gab es manches dazuzulernen. Als beispielsweise Dr. Christoph Degen informierte, dass in der Schweiz kaum hauptamtliche Stiftungsmitarbeiter anzutreffen seien, begegneten dem Geschäftsführer von proFonds, dem Dachverband der gemeinnützigen Schweizer Stiftungen, einige überraschte Blicke. Grund ist, dass das Schweizer Gemeinnützigkeitsrecht keine marktübliche Vergütung der Organmitglieder zulässt.
Durch die Veranstaltung führte Prof. Dr. Dominique Jakob, Leiter des von ihm gegründeten Zentrums für Stiftungsrecht. Der Wissenschaftler empfahl sich an diesem Tag auch als inspirierender Moderator. So brachte Jakob bei einer Diskussionsrunde zur Attraktivität von Zustiftungen zahlreiche Ideen ein, die von steuerlichen Anreizen und Wohnrechten bis hin zu einer Zustifterrente reichten.
Ebenso beschäftigten sich die Experten mit Dachstiftungsmodellen, bei denen noch eine Menge Fragen offen sind. Eine der drängendsten ist der Insolvenzfall der Dachstiftung. „Es ist unklar, ob und wie man das Konstrukt insolvenzfest ausgestalten kann“, bemerkte der wissenschaftliche Assistent Goran Studen von der Universität Zürich. Ebenso sei ungeklärt, wie leistungsfähig eine Dachstiftung sein muss, um die Betreuung anderer Stiftungen schultern zu können.
Bis zu einer European Foundation ist es dagegen noch ein weiter Weg, sollte sie überhaupt jemals kommen. So betonte Prof. Dr. Birgit Weitemeyer, dass die Notwendigkeit eines solchen Modells durchaus umstritten sei. Noch unwahrscheinlicher sei ein einheitliches Gemeinnützigkeitsrecht, informierte die Direktorin des Instituts für Stiftungs- und NPO-Recht an der Bucerius Law School in Hamburg. Vorstellbar sei jedoch die Vereinbarung eines kleinsten gemeinsamen Nenners, um grenzübergreifendes Engagement der nationalen Philanthropie gleichzustellen.
Die Aufgabe, größere Schweizer Vermögen für den privaten Nutzen zu erhalten, habe dagegen der ausländische Trust übernommen, betonte Dr. Nedim Peter Vogt von der Zürcher Anwaltskanzlei Bär & Karrer. Da dieser eine „jahrhundertelange Entwicklung aus Praxis und Rechtsprechung“ darstelle, sei es müßig, ein eigenes Trustrecht zu erfinden. Vielmehr genüge es, dass der schweizerische Gesetzgeber den Trust kürzlich anerkannt hat.
Ein Tagungsband zum Stiftungsrechtstag wird im Oktober erscheinen. DIE STIFTUNG war Medienpartner der Veranstaltung.