Herr Hanssler, die Vermögensverwaltung beschäftigt spätestens seit der Finanzkrise viele Stiftungen. Wie stellt sich die Lage bei der Gerda-Henkel-Stiftung dar, deren Vermögen zu fast 80 Prozent in Henkel-Aktien angelegt ist?
Michael Hanssler: Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir seit 2009 unser Kurswertvermögen mehr als verdoppeln konnten. Auch wenn die Dividendenrendite der Henkelaktie nicht ganz so hoch ist, verläuft die Entwicklung ausgesprochen positiv: Das Unternehmen hat seit seiner Börsennotierung immer mindestens auf Vorjahresniveau ausgeschüttet. Wir können daher in den vergangenen zehn Jahren auf eine Gesamtrendite (TRS) von 13 Prozent pro Jahr zurückblicken. Zum Vergleich: 2009 beliefen sich die Erträge noch auf rund 7,7 Millionen Euro, im vergangenen Jahr lagen wir hingegen bei rund 20 Millionen Euro. Als Stiftung würden wir uns dafür gerne selbst auf die Schulter klopfen (lacht), aber es ist natürlich vor allem das Henkel-Management, dem wir diese Entwicklung zu verdanken haben.
Welche Veränderungen haben Sie in den vergangenen Jahren vorgenommen?
Hanssler: Eine ganze Reihe. Vor einiger Zeit haben wir ein großes Spezialmandat eines globalen Rentenfonds aufgelöst und den gesamten Erlös in mehreren Schritten in US-Unternehmensanleihen investiert. Dieses Engagement beobachten wir gerade in diesem Jahr sehr intensiv. Im Zuge der Finanzkrise 2008 haben wir uns aus dem Hedgefonds-Bereich völlig zurückgezogen, erhalten aber interessanterweise noch immer Rückflüsse, unter anderem aus dem Madoff-Betrugsfall, von dem wir indirekt betroffen waren. Darüber hinaus haben wir uns sehr viel stärker nachhaltigen Anlagen zugewandt, auch Mikrofinanzthemen. Und insbesondere unsere Investitionen im Private-Equity-Bereich laufen gegenwärtig sehr erfolgreich.
Wie ist die Vermögensverwaltung organisiert?
Hanssler: Wir sind nur ein kleines Team von 20 Mitarbeitern, daher haben wir die finanztechnische Betreuung unseres Vermögens an Anlageprofis ausgelagert – nämlich an ein Family Office namens BFP, das auch andere Kunden aus der Henkel-Familie betreut. Entscheidend für den Erfolg der Vermögensanlage ist aber unser mit ausgewiesenen Fachleuten besetzter Finanzausschuss. Die Stiftung hat sich übrigens dem Aktienbindungsvertrag der Familie Henkel angeschlossen und ist damit gewissermaßen ein Mitglied der Familie, allerdings vom Konzern sowohl de jure als auch de facto völlig unabhängig.
Wie stehen Sie zu Ansätzen, schon über die Kapitalanlage zu wirken, etwa durch Mission Investing?
Hanssler: Für uns als wissenschaftsfördernde Stiftung ist es gar nicht so einfach, Mission Investing umzusetzen – anders als etwa für eine Stiftung, deren Zweck der Umweltschutz ist. Wir haben zum Beispiel die Möglichkeit geprüft, Studienkredite zu vergeben – weil dies in einem direkten Zusammenhang mit unserem Satzungszweck der Wissenschaftsförderung gestanden hätte. Da die Zinssätze für die Studierenden jedoch sehr hoch gewesen wären, haben wir davon Abstand genommen. Wir versuchen nun bereits seit längerem, Nachhaltigkeitskriterien stärker zu berücksichtigen. Aber letztendlich bleibt für uns eine angemessene Rendite entscheidend, damit wir unseren Stiftungszweck auch langfristig erfüllen können.
Das heißt, Sie haben keine eigenen Nachhaltigkeitsvorgaben?
Hanssler: Nein. Wir greifen beispielsweise bei unseren beiden Fonds, von denen einer den ökologischen „Footprint-Ansatz“ verfolgt, nicht ein. Wir haben im Vorfeld einen aufwendigen „Beautycontest“ mit mehreren Anbietern nachhaltiger Anlagen durchgeführt, die handelnden Personen kennengelernt und uns ihre bisherigen Leistungen genau angesehen. Nun folgen wir den Fonds in ihren Entscheidungen, maßen uns also nicht an, selbst besser entscheiden zu können, in welche Titel die Fonds investieren. Unsere Entscheidung für die Mikrofinanz war hingegen keine rein ökonomische. Wir engagieren uns gemeinsam mit Projektpartnerinnen und -partnern der Region in Afrika, Asien und Osteuropa und dachten: Wenn es möglich ist, dort nicht nur durch unsere Förderarbeit, sondern auch durch unsere Finanzanlagen einen bescheidenen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten, sollten wir das versuchen.
Wie sieht Ihre Anlage im Private-Equity-Bereich aus?
Hanssler: Wir investieren rollierend, jeweils zehn Millionen Euro pro Jahr. Bislang haben wir insgesamt etwa 90 Millionen Euro auf diese Weise investiert. Da wir kein allzu großes Risiko eingehen wollen, ziehen wir nur Dachfonds verschiedener Anbieter in Betracht. Das lohnt sich aus unserer Sicht, auch wenn die Ausschüttung etwas geringer ausfällt als bei Einzelfondsinvestments.
Und Immobilien? Nicht wenige Stiftungen schwören darauf.
Hanssler: Wir halten eine Direktbeteiligung an einer BMW-Niederlassung in Düsseldorf. In der Vergangenheit kam ein großes Engagement in internationale Real Estate Investment Trusts (Reits) hinzu. Viele Stiftungen gehen ja auch heute noch verstärkt in Immobilieninvestments. Wir sind allerdings nicht davon überzeugt, dass der Immobilienmarkt derzeit noch große Chancen bietet, da die Einstiegspreise doch schon recht hoch liegen.
Haben Sie schon einmal Henkel-Aktien verkauft, um vom Anstieg zu profitieren?
Hanssler: Als ich 2003 zur Stiftung kam, haben wir in Folgejahren noch einige freie Aktien verkauft, also solche, die nicht dem Aktienbindungsvertrag der Familie unterlagen.
Hatten Sie nie Sorgen wegen des Klumpenrisikos?
Hanssler: Für uns war die Investition in die Henkel-Aktie bisher eine riesige Klumpenchance. Da wir kaum Bundesanleihen, Pfandbriefe oder Ähnliches gehalten haben, haben wir die Niedrigzinsphase bislang recht gut gemeistert. Wir sind uns aber sehr bewusst, dass das gegenwärtig positive Bild nur eine Momentaufnahme ist und es natürlich auch einmal in die andere Richtung gehen kann.
Wie viel Aufwand betreiben Sie persönlich für die Verwaltung des Vermögens?
Hanssler: Ich verbringe etwa 20 bis 30 Prozent meiner Arbeitszeit mit Fragen der Vermögensanlage. Im Vordergrund stehen die inhaltliche Ausrichtung der Stiftung, die Abstimmung mit unseren Gremien, das Prüfen und Generieren von Projektanträgen und viele Gespräche mit unseren Förderpartnern im In- und Ausland.
Unter Analysten scheint es Konsens, dass wir am Ende des Börsenzyklus sind. Haben Sie vorbereitende Maßnahmen getroffen?
Hanssler: Ich habe nicht die geringste Ahnung, ob wir am Anfang oder am Ende eines Zyklus sind, oder ob es überhaupt einen Zyklus gibt (lacht). Wir haben aber unsere Asset-Allokation in diesem Jahr durch zwei externe Experten radikal evaluieren lassen. Von beiden Unternehmen haben wir die Rückmeldung erhalten, dass wir mit unserer Vermögensanlage sehr gut aufgestellt sind. Daher sehen wir augenblicklich keinen Anlass für fundamentale Veränderungen in der Anlagestruktur. Das heißt jedoch nicht, dass wir uns nicht ständig Gedanken darüber machen, wie wir zukunftsfähig bleiben und noch besser werden können.
Waren Sie vorher nervös? Das Ergebnis hätte ja auch anders ausfallen können.
Hanssler: Eine externe Bewertung war für uns alle ein großer Schritt. Aber ich glaube, diese Außensicht ist etwas, das uns Stiftungen mitunter fehlt. Wir neigen manchmal vielleicht dazu, etwas zu selbstzufrieden zu agieren, da wir weniger im Wettbewerb stehen und Fehler nicht so schnell auffallen wie in Unternehmen, die im Markt konkurrieren müssen. Wir sind uns im Haus jedoch alle einig: Transparenz ist oberstes Gebot. Es besteht ein sehr ausgeprägtes Vertrauensverhältnis zwischen den Aufsichtsgremien, dem Vorstand und dem Mitarbeiterteam. Ich weiß aus vertraulichen Gesprächen mit Stiftungskollegen, dass das nicht überall so ist – wer überbringt schon gerne schlechte Nachrichten? Das ist bei uns glücklicherweise anders. Es gibt keine Scheu zu berichten, auch wenn es einmal nicht so gut läuft.
Gerda-Henkel-Stiftung
Die Stiftung wurde 1976 von Lisa Maskell zum Gedenken an ihre Mutter gegründet. Sie fördert die Historischen Geisteswissenschaften und hat hierzu 2018 insgesamt 15,8 Millionen Euro aufgewendet.
Zuerst erschienen in DIE STIFTUNG 4/2019.