DIE STIFTUNG: Welche Gründe sprechen dafür, dass Stiftungen und unabhängige Vermögensverwalter zusammenarbeiten sollten?
Andreas Grünewald: Stiftungen müssen vielen Aufgaben nachkommen: Kommunikation, Fundraising, Projekte identifizieren und begleiten und weitere. Dies birgt ganz offensichtlich die Gefahr, dass die Zeitfenster für die stringente und heutzutage notwendige aktive Vermögensverwaltung zu klein sind – geschweigen denn Fortbildung im Bereich Asset Management möglich ist. Unabhängige Vermögensverwalter sind unserer Meinung nach der passende Partner an der Seite der Stiftung: Unabhängige Vermögensverwalter investieren das ihnen anvertraute Kapital ausschließlich im Interesse der Stiftungen – unabhängig von Banken, Versicherungen oder sonstigen Vertriebsgesellschaften. Zudem steht die individuelle und persönliche Betreuung der Stiftung im Vordergrund. Unabhängige Vermögensverwalter legen großen Wert auf eine breite und effiziente Risikostreuung nach Anlegeklassen, Regionen und Branchen, die spezifisch auf die Situation der Stiftung abgestimmt ist und im Einklang mit deren Chance-Risiko-Profil steht. Sie werden direkt und ausschließlich von der Stiftung entlohnt, alle Kosten werden transparent und verständlich offen gelegt – somit sind unabhängige Vermögensverwalter nicht vom kurzfristigen, provisionsgetriebenen Produktverkauf abhängig. Ziel ist vielmehr eine langjährige, vertrauensvolle Zusammenarbeit des unabhängigen Vermögensverwalters mit der Stiftung. Sicherheit gibt, dass für diese Tätigkeit der Finanzportfolioverwaltung die Zulassung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht voraussetzt – eine gute Nachricht für Anlegerschutz und hohe Qualitäts- und Transparenz-Ansprüche, die durch den Ehrenkodex des VuV flankiert werden.

DIE STIFTUNG: Ist der Niedrigzins der entscheidende Treiber, oder gibt es weitere Motivationen?
Grünewald: Die historisch niedrigen Zinsen und somit die markant reduzierten Erträge sind sicherlich aktuell der entscheidende Faktor bei Stiftungen, sich nach Alternativen umzusehen. Aber auch unabhängig hiervon gibt es eine Vielzahl an Gründen für eine enge Zusammenarbeit. Die Themen Unabhängigkeit und Chance-Risiko-Optimierung sind ja bereits angeklungen. Darüber hinaus kann der unabhängige Vermögensverwalter im gemeinsamen Gespräch als Impulsgeber fungieren, neue Wege aufzeigen, Fachwissen transferieren und so die Vielfalt und Chancen der Finanzmärkte auch für die Stiftung nutzbar machen.

DIE STIFTUNG: Welche Strategie empfehlen Sie Stiftungen heute?
Grünewald: Aktuell zeichnen sich wesentliche Strukturbrüche ab. Allerdings verhalten sich viele Anleger passiv und vertrauen darauf, dass die seitherigen Strategien auch in Zukunft funktionieren. Das zeigt sich insbesondere bei der bei Stiftungen weit verbreiteten Anlageklasse der europäischen Staatsanleihen, die in Anbetracht der historisch niedrigen Zinsen völlig unverdächtig sind, zukünftig nennenswerte Erträge zu generieren. In der Vergangenheit konnten durch den Zinsrückgang Kursgewinne verzeichnet werden – die zukünftig entfallen und sich ins Gegenteil zu verkehren drohen – Stichwort Zinsänderungsrisiko. Darüber hinaus gilt es die geopolitischen Machtverschiebungen mit ihren wirtschaftlichen Auswirkungen zu realisieren, etwa zwischen den USA und China. Und nicht zuletzt ist es wichtig, die demographische Entwicklung im Blick zu behalten. Bei all diesen Themen – und es gibt noch viele weitere – bietet sich das Orientierung gebende Gespräch mit dem unabhängigen Vermögensverwalter an, um zu individuellen Lösungen für Stiftungen zu gelangen. Unzweifelhaft ist aber aus meiner Sicht, dass Portfolios aktiv gemanagt werden müssen.

DIE STIFTUNG: Stichwort China: Sie sind viel in Asien unterwegs, gehören dortige Anlagewerte in ein Stiftungsportfolio?
Grünewald: In der Tat weise ich bereits seit mehr als 10 Jahren darauf hin, dass nach meiner Einschätzung Asien Amerika entzaubert – wobei dies in Anbetracht von mehr als 4 Mrd. Asiaten eigentlich auch niemanden überraschen sollte. Hunderte Millionen junger Menschen, die immer besser ausgebildet sind, wachsen in Asien erstmalig in den Konsum hinein und treiben die Weltwirtschaft an. Hier gilt es zu erkennen, welche Dienstleistungen und Produkte diese Menschen nachfragen werden. Derzeit gelten Produkte westlicher Weltmarktführer für diese Menschen als Statussymbole. Aber das kann sich ändern, zukünftig dürften zunehmend asiatische und somit auch chinesische Unternehmen an Bedeutung gewinnen. Inwieweit diese in das betreffende Stiftungsportfolio passen, gilt es mit seinem Vermögensverwalter zu besprechen und den Blick hierfür zu weiten.

DIE STIFTUNG: Müssen Stiftungen zukünftig grundsätzlich mit niedrigeren Renditen rechnen?
Grünewald: Diese Entwicklung ist dann vorgezeichnet, wenn Stiftungsportfolios rentenlastig bleiben. An dieser Stelle hilft nur ein aktives Gegensteuern, Stiftungen müssen Initiative ergreifen, zielführend mit der Hilfe eines unabhänggen Vermögensverwalters.

DIE STIFTUNG: Wie kann eine Stiftung einen Vermögensverwalter auf dessen Stiftungsexpertise hin checken?
Grünewald: Musterportfolios sind geduldig – insoweit sind tatsächliche Wertentwicklungen nach Kosten sowie die Volatilität real geführter Depots über einen langen Zeitraum wesentlich aussagekräftiger. Wichtig ist insbesondere die Wertentwicklung in unterschiedlichen Marktphasen. Zudem ist das persönliche Gespräch von großer Bedeutung, die Chemie muss bei einer langfristig ausgerichteten Zusammenarbeit stimmen.

DIE STIFTUNG: Stiftungen brauchen qualifizierte Vermögensverwalter – gilt das auch umgekehrt: Können Vermögensverwalter auch von Stiftungen lernen?
Grünewald: Ich bin überzeugt, dass eine Zusammenarbeit von Stiftungen und unabhängigen Vermögensverwaltern für beide Seiten befruchtend ist. Die Vorteile für die Stiftungen sind benannt. Für unabhängige Vermögensverwalter erweitert die Zusammenarbeit mit Stiftungen  den Horizont insofern, als sie in der Zusammenarbeit erkennen können, dass es Argumente jenseits von Rendite und Performance gibt. Der kategorische Imperativ, eigenes Handeln so zu gestalten, dass es einen allgemeinen Nutzen stiftet, lässt sich in der Finanzbranche vielleicht nicht immer umsetzen – aber in der Auseinandersetzung mit den Zielen und Idealen von Stiftungen können auch unabhängige Vermögensverwalter ihren Blick weiten.

DIE STIFTUNG: Sehr geehrter Herr Grünewald, vielen Dank für diese interessanten Einblicke.

 

Andreas Grünewald NEUAndreas Grünewald ist seit April 2014 Vorstandsvorsitzender des Verbandes unabhängiger Vermögensverwalter in Deutschland e.V. (VuV). Zudem ist der Diplom-Kaufmann Gründer und Vorstand der Münchner Vermögensverwaltung FIVV AG und verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung im Wertpapier-Research und Asset Management.

 

Die Themenwoche „Unabhängige Vermögensverwalter & Stiftungen“ soll Stiftungen online-basiert einmal mehr mit dem Themenkomplex der unabhängigen Vermögensverwaltung in Berührung bringen. Die Themenwoche ist als Ergänzung zum ATLAS Vermögensverwalter aus dem Vorjahr gedacht, als 20 Vermögensverwalter mit Stiftungsexpertise ausgewählt und portraitiert wurden. Medial begleitet wird die Themenwoche „Unabhängige Vermögensverwalter & Stiftungen“ über das Magazin (in Form einer Vorankündigung sowie eines Teaser-Interviews mit dem VUV), den Newsletter STIFTOGRAMM sowie den Social-Media-Kanal von DIE STIFTUNG.

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