Binnen zwei Jahren mussten gemeinnützige Organisationen bislang Einnahmen wie Erträge und Spenden für ihre gemeinnützigen Zwecke verwenden. Diese Pflicht soll nun entfallen. Der Referentenentwurf zum zweiten Jahressteuergesetz 2024 enthält die Streichung der Vorgabe – das erste Gesetz des Jahres enthielt für gemeinnützige Organisationen noch kaum relevante Neuerungen. „Die Abschaffung der Zeitvorgaben für die Mittelverwendung führt zum Abbau bestehender Bürokratie, da eine Mittelverwendungsrechnung nicht mehr erforderlich ist“, heißt es in dem neuen Papier. Ob eine Körperschaft tatsächlich gemeinnützig tätig sei und wie sie ihre Mittel einsetze, könne die Finanzverwaltung anhand der bereits vorhandenen Aufzeichnungen prüfen. In der Folge dieser Änderungen im Paragraph 55 entfallen auch die Vorgaben zur Bildung von Rücklagen: Paragraph 62 der Abgabenordnung wird gestrichen.
Keine Pflicht, aber „eigenes Interesse“
Für kleinere gemeinnützige Akteure ändert sich durch die geplanten Änderungen nichts: Bis zu einem Mittelzufluss von 45.000 Euro pro Jahr war die Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung bereits 2020 gestrichen worden. Aus der nun geplanten Liberalisierung zieht das Ministerium aber nicht den Schluss, dass Mittel nicht mehr zeitnah verwendet werden. „Es ist davon auszugehen, dass es im eigenen Interesse der jeweiligen steuerbegünstigten Körperschaften liegt, ihre Mittel weiterhin regelmäßig zeitnah für steuerbegünstigte Zwecke zu verwenden“, so der Entwurf. Die Körperschaften seien gehalten, „mit Rücksicht auf das Spendenaufkommen das Interesse der Spender an einem zügigen Einsatze der eingeworbenen Mittel zur Förderung der steuerbegünstigten Zwecke zu berücksichtigen“.
In der Stiftungsszene sorgt die Nachricht für Aufsehen und Diskussion. Bedeutet die neue Regelung schlicht mehr Spielraum und weniger Bürokratie, oder droht die Entstehung von Stiftungen, deren Zweckerfüllung darunter leiden wird – nur, um die Arbeit für die Behörden zu reduzieren? Ob die Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung wirklich entfällt, ist dabei noch ungewiss. Auf den Referentenentwurf werden nun Stellungnahmen von Bundesländern und Verbänden folgen, ehe der Regierungsentwurf, der Kabinettsbeschluss folgt.
Gelegentliche Tagespolitik
Weniger tiefgreifend fällt eine Änderung der Abgabenordnung mit Blick auf die politische Betätigung gemeinnütziger Organisationen aus. Hierfür erhält Paragraph 58 nun einen elften Absatz. Demnach wird die Steuervergünstigung „nicht dadurch ausgeschlossen, dass eine steuerbegünstigte Körperschaft außerhalb ihrer Satzungszwecke gelegentlich zu tagespolitischen Themen Stellung nimmt“. Hintergrund ist der Streit um das politische Engagement von Organisationen wie Attac.
Diese Änderung steht dem Ausschließlichkeitsgebot gegenüber, „wonach eine steuerbegünstigte Körperschaft nur ihre satzungsmäßigen Zwecke verfolgen darf“, so der Referentenentwurf. Dieser Widerspruch bleibe bestehen, „allerdings rechtfertigen geringfügige Verstöße unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips und dem ihm innewohnenden Bagatellvorbehalt nicht die Aberkennung der Gemeinnützigkeit“. Zugleich bedeute „gelegentlich“ nicht, „sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu politischen Themen zu äußern. Die Äußerungen müssen aufgrund eines besonderen Anlasses erfolgen und der steuerbegünstigten Zweckverfolgung untergeordnet sein“. Immer gemeinnützigkeitsschädlich sei jedoch „das Betreiben oder Unterstützen von Parteipolitik“.
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