Stiftungen verfügen bei einem geschätzten Volumen von 100 Milliarden Euro in Deutschland sowie über 70 Milliarden Schweizer Franken in der Schweiz über ein bedeutendes Vermögen. Sie nehmen zunehmend die Empfehlungen der Stiftungsverbände auf, auch mit ihrem Vermögen eine positive Wirkung zu erzielen. Nun sind die Vermögensverwalter gefordert, Wege zu finden, die Vermögen der Stiftungen nicht nur nachhaltig, sondern auch zweckbezogen anzulegen. Eine Studie von Responsible Impact Investing gibt Einblick in den Sachstand.
Wie weit ist dieser Trend in der Praxis bereits verankert?

Ingeborg Schumacher-Hummel
Die von Responsible Impact Investing Ende 2017 abgeschlossene Studie erlaubt auf der Basis einer ausführlichen Befragung von über 50 Stiftungen aus der Schweiz und Liechtenstein ein umfassendes Bild der heutigen Situation. Die Interviewpartner äussern sich nicht nur zum Status Quo der Umsetzung und ihren entsprechenden Bedürfnissen. Sie berichten zudem, welche Faktoren gegenwärtig dem weiteren Ausbau von Mission Investing im Wege stehen. Darauf aufbauend werden abschliessend konkrete Handlungsempfehlungen zur Weiterentwicklung des Marktes abgeleitet. Die Studie enthält zusätzlich eine breite Marktübersicht zu Akteuren und Formen wirkungsorientierter Anlagen. Die wichtigsten Erkenntnisse sind nachfolgend zusammengefasst.
Zunehmende Sensibilisierung der Stiftungen
Die Befragung zeigt eine bereits beachtliche Auseinandersetzung von Stiftungen mit zweckbezogenen Anlagen. Bei 84 Prozent der befragten Stiftungen wurde das Thema schon intern diskutiert. Drei Viertel der befragten Stiftungen haben mittlerweile sogar Vorgaben im Anlagereglement verankert.
Welche Hintergründe führen zu dieser Entwicklung? Ein Faktor sind die in den letzten Jahren oft gesunkenen Erträge aus der Vermögensverwaltung. Da viele Stiftungen aufgrund gesetzlicher Vorgaben oder ihrer Satzung ihr Kapital erhalten müssen, werden daher manche Budgets für die Projektarbeit gekürzt. Somit wird die Frage wichtiger, auf welchem Weg sie ihren Stiftungszweck zusätzlich unterstützen können.
Zum zweiten fürchten Stiftungsvertreter auch Reputationsrisiken: So geriet vor einigen Jahren die Melinda-und-Bill-Gates-Stiftung in die Schlagzeilen, mit ihren Vermögensanlagen in Konflikt zum Stiftungszweck zu stehen. Vor kurzem wurde ebenfalls die Nobel-Stiftung kritisiert. Sie soll in Rüstungskonzerne investiert haben, die an Atomwaffenprogrammen teilnehmen. Dies ging so weit, dass den Gewinnern des Friedensnobelpreises empfohlen wurde, die Annahme des Preises auszuschlagen.
Bei den Interviews für die Studie wurde neben Reputationsgründen und der Vermeidung von Widersprüchen auch die Umsetzung von Werten als Motivation genannt. Hier spielen persönliche Werte, eine grundsätzliche ethische Grundhaltung oder die konkreten Werte der Stifter eine Rolle. Ausserdem streben viele Stiftungen an, durch eine gezielte Gestaltung der Investitionen eine Wirkung zu erzielen. Die Logik dahinter ist klar: Warum nur einen geringen Bruchteil des Vermögens in Form von Zins- und Kapitalerträgen nutzen und nicht das komplette Vermögen in den Dienst des guten Stiftungszwecks stellen?
Zahlreiche Aktivitäten im Markt: Thema wird salonfähig
Heute finden fast keine Stiftungsveranstaltungen oder institutionellen Fondskongresse mehr ohne entsprechende Workshops zu nachhaltigen Anlagen statt. Auch die Zahl der Webinare und Leitfäden von Verbänden zum Thema ist deutlich angestiegen. Zudem engagieren die Stiftungsverbände ihre Mitglieder in entsprechenden Arbeitsgruppen und Foren. Auf übergeordneter Ebene hat bereits vor zwei Jahren der renommierte Swiss Foundation Code seine Leitlinien aktualisiert und damit einen Paradigmenwechsel für die Vermögensbewirtschaftung eingeleitet. Das heutige Credo lautet: Die Vermögensanlage soll wo immer möglich den Stiftungszweck unterstützen. In keinem Fall darf sie ihm jedoch zuwiderlaufen.
Wie setzen Stiftungen nachhaltige bzw. zweckbezogene Anlagen bisher um? Bei den meisten befragten Stiftungen kommen Ausschlusskriterien zum Zuge. Ausserdem spielen positive Nachhaltigkeits- oder ESG-Kriterien oder auch Impact Investments eine wichtige Rolle.

Vorstellung der Studie auf dem Institutional-Money-Kongress an einem vom Bundesverband Deutscher Stiftungen und Profonds organisierten Stiftungspanel (von links): Robert Müller (Stiftung Carymbo und ZEWO), Dieter Lehmann (Volkswagen-Stiftung), Felix Oldenburg (Bundesverband Deutscher Stiftungen), Christoph Degen (proFonds), Ingeborg Schumacher-Hummel (Responsible Impact Investing), Stefan Seewald (Oberfrankenstiftung). Foto: Profonds
Zentrale Barrieren bei der Umsetzung und Implementierung
Trotz dieser positiven Impulse und der durchaus breiten Auseinandersetzung mit dem Thema gibt es weiterhin eine Zurückhaltung bei der Implementierung. Durch die Tiefen-Interviews der Studie wurden fünf zentrale Bereiche von Hemmnissen deutlich:
- Ideologische Vorbehalte: Diese sind am ehesten noch bei Stiftungsräten der älteren Generation vorhanden. Sie drückt sich in Skepsis und teilweise auch offenem Misstrauen gegenüber neuartigen Anlageformen aus. In diesen Fällen wurde in den Interviews teilweise noch die früher bei Stiftungsräten weit verbreitete Denkhaltung spürbar, dass von der Vermögensverwaltung nur die Anlagerenditen maximiert werden müssen, um genügend Projektressourcen zu haben.
- Konkretes Wissen: Das Thema nachhaltiger und zweckbezogener Anlagen ist zwar latent weit bekannt. Für die konkrete Umsetzung fehlt es vielen Stiftungen schlicht noch am konkreten Wissen über ihre individuellen Möglichkeiten, durch ihre Vermögensanlage Wirkung zu erzielen. In diesem Kontext vermissen viele Stiftungen auch eine sachdienliche Unterstützung durch ihre Vermögensverwalter.
- Mangelnde Markt-Transparenz und nicht vorhandene Standards: Oft genannt wurde auch ein fehlender Überblick über die Möglichkeiten zur zweckbezogenen Geldanlage und deren jeweiligen Konsequenzen für die Anlage. Fakt ist: Das Thema nachhaltiger und zweckbezogener Anlagen ist komplex und lässt sich auch nicht einfach standardisieren. Ein aussagekräftiges Urteil im Einzelfall lässt sich oft nur mit zusätzlicher Expertise fällen.
- Einschränkung des Anlageuniversums: Von einigen Interviewpartnern wurden zudem Ängste artikuliert, das Anlage-Universum könnte durch die Kriterien zweckbezogener Anlagen zu stark eingeschränkt werden. Zudem könnte durch eine Fokussierung auf einzelne Sektoren ein Klumpenrisiko entstehen.
- Mangelnde Anlagemöglichkeiten: Dieser Punkt wurde gerade von Stiftungen im kulturellen Bereich aufgebracht. Für derartige Stiftungen werden heute oft noch seitens der Vermögensverwalter noch wenige Möglichkeiten angeboten, den Stiftungszweck durch Investitionen direkt zu unterstützen.
Ansatzpunkte für eine Förderung der Verbreitung zweckbezogener Anlagen
Zusammenfassend zeigt die Studie deutlich, dass das Thema nachhaltiger und zweckbezogener Anlagen nun auch in der deutschsprachigen Stiftungsszene eindeutig Fuss gefasst hat. Viele Stiftungen setzen sich mit der Inhaltlichen Gestaltung ihres Vermögens auseinander und einige haben konkrete Massnahmen umgesetzt. Trotz dieser erkennbaren Dynamik könnte das Potential noch besser ausgeschöpft werden. Folgende Bereiche werden auf der Basis der geführten Gespräche als besonders relevant eigeschätzt:
- Aufbau von Know-how bei Stiftungen: Der stärkere Aufbau von Finanz-Know-how sowie ein modernes Selbstverständnis der Stiftungen, dass auch das Vermögen eine positive Wirkung erzielen kann, fördert Offenheit und schafft Anreize für entsprechende Lösungen.
- Auch bei der Umsetzung sind Fortschritte möglich: Wer Wirkung mit dem Vermögen anstrebt, sollte über Negativkriterien hinaus gehen!
- Erhöhte Kompetenz seitens der Vermögensverwalter: Stiftungen wünschen sich Finanzakteure als glaubwürdige Partner, die individuell auf ihre Bedürfnisse eingehen und – auch in Bezug auf Nachhaltigkeit – Optionen aufzeigen. Ihre Kompetenz für nachhaltige und zweckbezogene Anlagen sollte im Beratungsprozess systematisch verankert werden und mit einer ehrlichen Kommunikation und einem fundierten Reporting einhergehen.
- Transparentes Angebot und individuelle Lösungen: Der Zugang zu nachhaltigen Anlagen kann durch mehr Transparenz im Angebot sowie eine Kommunikation über positive Beispiele oder kreative Lösungen, auch unter Einbezug von Stiftungs-Know-how, gefördert werden. Die vorliegende Studie zeigt hierzu einige Beispiele auf. Sie enthält zudem einen breiten und umfassenden Überblick über relevante Ansätze und Akteure.
- Öffentliches Interesse: Wenn die Öffentlichkeit mehr Transparenz für Stiftungsvermögen einfordern bzw. eine stärkere Sensibilisierung für Reputationsrisiken entstehen würde, wäre der Anreiz für Stiftungen höher, sich hier zu engagieren. Auch können konkrete Anregungen bzw. Informationen seitens der Behörden die Umsetzung beschleunigen.
Die unterschiedlichen Ebenen der Empfehlungen zeigen auf, dass alle Akteure im Umfeld der Vermögensverwaltung von Stiftung einen Beitrag leisten können, um die guten Ansätze im Markt und die positive Entwicklung zu unterstützen.
Die Studie „Mit Stiftungsvermögen Wirkung erzielen“ zeigt durch eine umfassende Befragung von über fünfzig Stiftungsvertretern die aktuelle Bedeutung und Chancen nachhaltiger und zweckbezogener Anlagen auf. Der Abschlussbericht enthält neben den Ergebnissen der Befragung auch eine ausführliche Übersicht über Formen nachhaltiger und zweckbezogener Anlagen sowie eine Liste mit Anbietern, um Stiftungen die Umsetzung zu erleichtern.
Die Studie wurde von Responsible Impact Investing in Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern (Fachverbände sowie Finanzinstitutionen) initiiert und erarbeitet. Der Abschlussbericht ist in gedruckter Form sowie elektronisch erhältlich: www.responsible-impact.com/studie Weitere Informationen bei der Ingeborg Schumacher-Hummel: schumacher@responsible-impact.com.
Zur Autorin: Ingeborg Schumacher-Hummel ist Inhaberin von Responsible Impact Investing und verfügt über mehr als zwanzig Jahre Erfahrung in verschiedenen Rollen im Bereich Sustainable/Responsible Investing.