Keine Auskunft von der Aufsicht?

Zumindest teilweise herrscht nun Klarheit. Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs hat die Mehl-Mülhens-Stiftung die Satzung gegenüber einer Verwandten der Stifterin offengelegt. Fiona Streve-Mülhens Achenbach kritisiert Änderungen durch den Stiftungsvorstand. Diese widersprächen dem Willen ihrer Großtante, Stifterin Maria Mehl-Mülhens.Streve-Mülhens Achenbach versuchte seit 2022, Einblick in die Formalia der Stiftungen zu erhalten. Hintergrund ist ein 2020 verwehrter Einlass zum Gestüt Röttgen, das die Kölner Organisation verwaltet. In der Ursprungssatzung des Jahres 1987 war der Familie sowohl diese Art von Nutzung für Geburtstagsfeiern der 4711-Dynastie als auch ein Sitz im vierköpfigen Vorstand eingeräumt worden. In der aktuellen Fassung fehlen diese Passagen nun, sagt Rechtsanwalt Eberhard Rott, der Streve-Mülhens Achenbach vertritt. Der Vorstand habe sich in wichtigen Punkten weit von dem bei Errichtung der ursprünglichen Stiftungssatzung vorhandenen Willen der Stifterin entfernt. Und das offenbar erst, nachdem das Gremium eine erstinstanzliche Niederlage gegen Streve-Mülhens Achenbach über die Herausgabe der Satzung erlitten hatte.„Von manchen Beraterkreisen wird geschürt: ‚Machen Sie doch eine Stiftung, die steht unter staatlicher Aufsicht.‘ Doch tatsächlich verhält es sich anders.“ Eberhard Rott, RechtsanwaltUnbekannt bleibt, welche Änderungen die Stiftungsaufsicht genehmigt hat und welche nicht. Das könnte für die Bewertung und Anfechtung problematischer Anpassungen von Bedeutung sein, so Rott. Die Behörde verweigere Auskunft darüber. Die Begründung: Sie diene „allein den Interessen der von ihr beaufsichtigten Stiftungen und nicht den Interessen Dritter, die durch das Stiftungshandeln gegebenenfalls betroffen sind“. Damit leiste die Aufsicht einer Intransparenz Vorschub, „die es nahezu unmöglich macht zu kontrollieren, ob der Wille einer Stifterin oder eines Stifters vom jeweiligen Vorstand beachtet wird oder nicht“, sagt Rott. Denn eigentlich müsse derjenige, der vom ursprünglichen Dokument abweicht, belegen, dass dies dem Stifterwillen entsprechen würde. „Stifter vertrauen schließlich darauf, dass er eingehalten wird: Je lockerer man Abweichungen zulässt, desto mehr Schaden droht dem Sektor.“Wenig ÄnderungswilleZugleich ist der Rechtsanwalt nicht überrascht. „Wenn es der Rechtsstandpunkt ist, dass man dafür nicht zuständig ist, weil es Dritte betrifft – dann können die Mitarbeiter der Behörde kaum anders handeln. Sie haben Angst, Fehler zu machen“, so Rott. Daraus ergibt sich für ihn aber auch ein Fehlverständnis in der Bevölkerung: „Von manchen Beraterkreisen wird geschürt: ‚Machen Sie doch eine Stiftung, die steht unter staatlicher Aufsicht.‘ Doch tatsächlich verhält es sich anders. Wenn man sagt, eine Entscheidung entspreche dem Stifterwillen, dann glauben Aufsichten dies in der Praxis häufig.“ Interesse daran, das zu ändern, mehr Transparenz im Sinne der Stiftung aufzubauen, bestehe wenig, trotz der staatlichen steuerlichen Förderung, die diese durch die Gemeinnützigkeit erhalte.Und so wirft auch diese Wendung des Streits die Frage nach der Transparenz von Stiftungen im Interesse des Stifterwillens auf. Sie ist ein Leitmotiv der Auseinandersetzung. Erst in ihrem Verlauf war bekanntgeworden, dass der langjährige Vorstandsvorsitzende seine Amtszeit deutlich überschritten und die ursprünglich in der Satzung festgehaltene Altersgrenze ignoriert hatte. Anscheinend im Einvernehmen mit den restlichen drei Gremienmitgliedern. Ein eigenes Aufsichtsgremium existiert nicht für die Organisation, die über das Gestüt Röttgen im Osten Kölns verfügt.Doch eben diese Amtszeitüberschreitung ist einer der Ansatzpunkte für Rott, die Änderungen anzufechten. „Wenn das Gremium nicht legitimiert war, waren es die Entscheidungen ebenfalls nicht“, sagt er. Auch wundert er sich über das Vorgehen der Gegenseite. Zunächst wurde der vakante vierte Vorstandssitz, der nach dem Willen der Stifterin mit einem Mitglied ihrer Familie oder der ihres Mannes besetzt werden sollte, familienfremd besetzt und damit für Familienmitglieder gewissermaßen gesperrt. Kurze Zeit später wurde die entsprechende Satzungsregelung sogar komplett gestrichen.Kritische TestamentspraxisRott sieht die Rechtsform Stiftung hier unzureichend geschützt. Zumal, da es sich bei der Mehl-Mülhens-Stiftung um eine Stiftung von Todes wegen handelt. Die Satzung war Teil des Testaments. „In der Praxis ist das kritisch“, sagt der Bonner Anwalt. „Bei der Stiftung von Todes wegen muss das Nachlassgericht der Stiftungsbehörde dies melden. Es sei denn, der Testamentsvollstrecker übernimmt die Gründung der Stiftung. Dann schaut das Gericht nicht mehr unbedingt hin. Es gibt also faktisch oftmals keine Prüfung, ob und wie der Vollstrecker die Stiftung auch wirklich gründet.“Oder es gibt offenkundige Interessenkonflikte. So werde oftmals empfohlen, den Testamentsvollstrecker, der die Stiftung von Todes wegen gründen soll, auch gleich zum Stiftungsvorstand zu bestimmen – wie auch im Falle der Mehl-Mülhens-Stiftung geschehen. Für den Stifter erscheine das naheliegend. Was er nicht sehe: Faktisch führt diese Anordnung dazu, dass der Stiftungsvorstand sein eigenes Handeln als Testamentsvollstrecker zu kontrollieren hat. Für Rott ist ein solcher Interessenkonflikt nicht hinnehmbar.Von außen kann die Schärfe der Auseinandersetzung verwundern, angesichts der ursprünglich überschaubaren Dramatik der Kritikpunkte. Zunächst hatte ein Vorstand offenbar seine Amtszeit überzogen und eine späte Anfrage der Familie der Stifterin abgelehnt. Aus diesen eigentlich korrigierbar scheinenden Fehlern ist nun ein ausgewachsener, medial transportierter Streit entstanden. Das kooptierte Leitungsgremium ohne Kontrollinstanz findet sich in einem Rechtsstreit wieder, der bislang ausschließlich zulasten der Stiftung gegangen ist – bis hin zum Bundesgerichtshof. Welches Interesse die Stiftung als Organisation und Ausdruck des Stifterwillens an einem Rechtsstreit hat, in dem es um die Governance durch das Leitungsgremium geht, ist unklar.„Es gibt eine Stiftungslobby, die fehlende Transparenz gut findet und sich vehement dafür einsetzt, dass der Informationsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz nicht für das Handeln der Stiftungsaufsicht gilt.“ Eberhard RottAuf die Fragen nach der Legitimation, Stiftungsmittel für derartige Affären einzusetzen, gibt es keine eindeutige Antwort. Dafür aber umso kuriosere Anekdoten, von denen Rott berichten kann: „In einem anderen Fall gibt es die Ansage des Finanzamts, dass Kuratoren Geld zurückzahlen sollen, da ihre Vergütung zu hoch war. Diese war vom Vorstand ausgehandelt und gezahlt worden. Nun klagt ebendieser Vorstand gegen die Kuratoren auf Rückzahlung – und damit auch gegen seine eigene Entscheidung.“ Und so ergibt sich eine Konstellation mit Netz und doppeltem Boden. Der Vorstand werde so oder so profitieren: Gewinne er den Prozess, erhalte die Stiftung das Geld zurück. Die Gefährdung der Gemeinnützigkeit wäre abgewandt. Sollte er verlieren, sei das Geld weg, und er erhalte die Bestätigung, dass die Vergütung nicht zu hoch war. „Risiko und Kosten trägt die Stiftung. Der Umstand, dass der Vorstand selbst hätte prüfen müssen, wie es um die Vergütung bestellt ist, bleibt außen vor.“Eberhard Rott sieht die Stiftungsaufsicht in der Verantwortung. „Es könnte in solchen Fällen beispielsweise ein Sachwalter durch die Aufsicht eingesetzt werden, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Gemeinnützige Stiftungen erhalten immerhin steuerliche Subventionen. Und stehen damit der Gesellschaft gegenüber in einer besonderen Verantwortung.“ An den Gesetzgeber glaubt er in dieser Frage nicht. „Es gibt eine Stiftungslobby, die fehlende Transparenz gut findet und sich vehement dafür einsetzt, dass der Informationsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz nicht für das Handeln der Stiftungsaufsicht gilt.“ Das gelte auch für die Tatsache, dass niemand kontrolliert, ob ein Vorstand zum Beispiel an Verwandte oder sonstige Nahestehende Aufträge erteilt.

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