Die Hamburg-Datenbank

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Insgesamt gibt es in Hamburg mehr als 1.500 selbständige Stiftungen. In Verbindung mit potentiellen Kooperationspartnern inner- und außerhalb des Non-Profit-Sektors entsteht eine Vielzahl an möglichen Kombinationen. Doch damit diese zum Tragen kommen können, braucht es die entsprechende Vernetzung. Sie ist das Ziel einer Stiftungsdatenbank, die am 1. Oktober mit 200 Stiftungen und 300 Förderangeboten gestartet ist. „Das Problem, das wir angehen wollen, besteht seit jeher“, sagt Rüdiger Ratsch-Heitmann, Geschäftsführer der Bürgerstiftung Hamburg und des Stiftungsbüros Hamburg. „Organisationen, die Fördermittel suchen, sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht.“ Dieses „Matchingproblem von beiden Seiten“, wie Ratsch-Heitmann es nennt, soll das Gemeinschaftsprojekt von Bürgerstiftung, dem dort angesiedelten Stiftungsbüro, dem Förderberatungsprojekt Engagement Dock und der University of Hamburg Business School beheben.

Rüdiger Ratsch-Heitmann ist Geschäftsführer der Bürgerstiftung Hamburg und des Stiftungsbüros Hamburg. Foto: Michael Taterka

Die Suchfunktion lässt sich auf Stiftungen oder Angebote einstellen und nach Engagementfeld und Form der Förderung zuschneiden, sodass sie möglichst passgenaue Ergebnisse ausspuckt. Die Suche verrate, welche Stiftung welche Themen unterstützt, gebe Übersicht über Stipendien, Preise, Weiterbildungs- und Unterstützungsangebote, so Ratsch-Heitmann. „Wir wollen ein nützliches Tool zur Hand geben für Praktiker, die etwas brauchen oder zu geben haben. Im Stiftungsbüro merken wir schon seit Längerem, dass viele personell schmal aufgestellte Stiftungen Schwierigkeiten haben, passende Förderpartner zu finden.“

„Wir wollen ein nützliches Tool zur Hand geben für Praktiker, die etwas brauchen oder zu geben haben.“
Rüdiger Ratsch-Heitmann

Impuls aus der Universität

Den Anstoß zur Umsetzung habe die Begegnung mit Michel Clement, Professor für Marketing und Medien an der Universität Hamburg, gegeben. „Er hatte Vorerfahrungen im Bereich Start-up-Förderung. Wir waren uns ziemlich schnell einig, dass es interessant sein könnte, ein solches Projekt wissenschaftlich aufzuziehen und die Vorerfahrungen einzubringen”, so Ratsch-Heitmann. „Bei uns geht es viel um die Vermarktung von Musik, Büchern und Spielfilmen“, sagt der Professor. „Wir haben daher immer relativ viel Industriekontakte, hören viele Gründungsideen – die aber eben noch Mittel brauchen.“ Und so habe man sich schon vor fünf, sechs Jahren daran gemacht, den Prozess zu optimieren, kapitalsuchende Start-ups und kapitalsuchende Investoren zu vermitteln, sagt Clement. Das Ergebnis war eine preisgekrönte Datenbank, die nun das Vorbild für das Stiftungspendant wurde.

Michel Clement ist Professor für Marketing und Medien an der Universität Hamburg. Foto: UHH/Rostami-Rabet

„Stiftungsdatenbanken und Suchplattformen gibt es bereits einige, unter anderem vom Bundesverband oder hier in Hamburg auch von der Stiftungsaufsicht in der Justizbehörde. Sie umfassen aber in der Regel lediglich die Satzungszwecke oder die relevanten und aktuellen Informationen zu Antragsmöglichkeiten sind hinter einer Bezahlschranke“, sagt Ratsch-Heitmann. „Bei unserer Datenbank die Basis real existierende Förderangebote und Stiftungsinformationen, die wir kostenfrei abrufbar zur Verfügung stellen. KI generierte Datenpools reichen für ein solches Angebot daher auch nicht aus. Es muss gut kuratiert, sortiert und geprüft werden – im Dialog und Einvernehmen mit beteiligten Stiftungen. Denn nicht alle wollen eine größere Bühne für ihre Förderprogramme.“

Im Projekt Stiftungsdatenbank steckt für ihn auch das Thema Gerechtigkeit. „Zugänge zu Fördermitteln sind sehr unterschiedlich gestaltet. Seit Jahren beraten wir kleine Organisationen bei der Akquise von Fördermitteln. Wir haben gemerkt, wie unterschiedlich hoch die Hürden sind, wenn es darum geht, an Fördermittel zu kommen. Migrantischen Organisationen oder auch marginalisierten Personen, die Organisationen prägen, fehlt oft das Netzwerk. Für sie ist diese kostenfreie Datenbank ein wichtiges Werkzeug.“

Sparring mit 30 Stiftungen

Der Start des Projekts ging mit 30 Stiftungen als Sparringspartner vonstatten, erklärt Morten Jendryschik, Stiftungsbüro Hamburg. „Das waren Organisationen mit ganz verschiedenen Themen und Volumina aus dem Netzwerk des Hamburger Stiftungsbüros.“ An dieses Sample habe man Fragebögen geschickt, um in Erfahrung zu bringen, was Hamburger Stiftungen von einer Datenbank erwarten. „Auch in Experteninterviews mit gemeinnützigen Organisationen, die regelmäßig Unterstützung suchen, haben wir evaluiert, was abzufragen ist – was die suchende und die gebende Seite betrifft. Dann haben wir einen finalen Fragebogen an rund 225 Stiftungen verschickt, die an den Hamburger Stiftungstagen mitgewirkt haben.“ Aus diesen Rückläufern und weiteren Stiftungen sei der jetzige Datenpool entstanden.

Morten Jendryschik ist Projektleiter im Stiftungsbüro Hamburg. Foto: Michael Taterka

Er soll Jahr für Jahr weiterwachsen. Das Stiftungsbüro arbeite mit 380 bis 400 Stiftungen regelmäßig zusammen. „Aus diesem Pool ergibt sich die nächste Ausbaustufe“, so Ratsch-Heitmann. Eine Datenbank sei allerdings immer nur so gut, wie sie aktuell gehalten werde. Wer sich aufnehmen lässt, hat also die Möglichkeit, die Daten auf Stand zu halten. „Sie werden freundlich daran erinnert. Wie gut das funktioniert, müssen wir aber noch weiter verproben.“

Neben der Unterstützung bei der Implementierung haben Clement und seine Studierenden eine weitere Rolle: Sie zeichnen ein Bild der entstehenden Netzwerklandschaft. „Wir können zum Beispiel auswerten, was gefördert wird, wie der Anteil an operativen und fördernden Organisationen ist, die Bereiche in einer Wortwolke darstellen“, sagt Clement. „Damit lässt sich das Ökosystem in Hamburg visualisieren und zeigen, wie Angebot und Bedarf sich zueinander verhalten.“ Und das in einem bislang wenig erforschten Bereich. „Stiftungen sind sehr aktiv, halten sich aber eher im Hintergrund. Im Rahmen unserer Zusammenarbeit mit der Bürgerstiftung Hamburg sind bereits zwei Master- und zwei Bachelorarbeiten entstanden.“ Stiftung und Hochschule haben im Sommersemester 2025 zum zweiten Mal die interdisziplinäre Vorlesungsreihe „Management von Stiftungen“ umgesetzt.

Die Datenbank ist zwar ein Hamburger Produkt, der Ansatz aber natürlich nicht darauf beschränkt. „Theoretisch ließe es sich auch in anderen Bundesländern ausrollen“, sagt Clement. „Aber man muss natürlich irgendwo anfangen und schauen, wie es sich entwickelt.“ Man habe sich erst mal auf den Start konzentriert, sagt Ratsch-Heitmann und erinnert daran, dass es im Non-Profit-Sektor auch entsprechende kommerzielle Angebote gibt. „Alles andere überlegen wir uns noch.“

Hamburger Stiftungsdatenbank

Stefan Dworschak ist Chefredakteur von DIE STIFTUNG. Zuvor war er nach einem Magisterstudium der Anglistik, Philosophie und Romanistik mit sprachwissenschaftlichem Schwerpunkt an den Universitäten Heidelberg und Sheffield in der Mantel- sowie Lokalredaktion einer Tageszeitung tätig.