Zwischen Sinn und Sicherheit

Elena Höck Ciprés Weg in den gemeinnützigen Sektor war ein geradliniger. Die 29-Jährige arbeitet heute als Stiftungsberaterin beim Haus des Stiftens. Sie begann ihre Karriere in dem Sozialunternehmen bereits während ihres Studiums der empirischen Kulturwissenschaften. „Als Werkstudentin habe ich einen Fuß in die Tür bekommen“, sagt sie.Die Erfahrungen, die sie dabei gesammelt habe, seien für ihre spätere Entwicklung sehr wertvoll gewesen. Auch wenn Höck Ciprés zunächst nur begrenzte Einblicke in das Geschäft hatte, sei ihr die Unternehmenskultur positiv aufgefallen: familiär, werteorientiert und mit einem starken Fokus auf gemeinnütziges Engagement. „Man hat schon gemerkt, dass es ein Sozialunternehmen ist. Es wird viel Wert auf den internen Umgang gelegt.“ Auch erste Berührungen mit den über 1.600 verwalteten Stiftungen habe sie in dieser Zeit gehabt – wenn auch zunächst nur in einem administrativen Rahmen.Heute betreut Höck Ciprés zahlreiche Stiftungen direkt. Als persönliche Ansprechpartnerin koordiniert sie Projektförderungen, begleitet Gremien und organisiert die gesamte Verwaltung für ihre Mandate. Ein anderer Teil ihrer Arbeit beim Haus des Stiftens ist gemeinnützig: In kostenfreien Orientierungsberatungen unterstützt sie Menschen, die gemeinnützige Organisationen gründen wollen. Die Beweggründe dahinter können sehr unterschiedlich sein. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihr eine Frau, die gemeinsam mit ihrer Tochter eine Stiftung im Andenken an den früh verstorbenen Sohn gründen wollte. „Das hat mich sehr bewegt“, sagt Höck Ciprés. Doch sie mahnt auch zur Nüchternheit: Nicht alle Gründungen seien idealistisch motiviert. Elena Höck Ciprés ist Stiftungsberaterin beim Haus des Stiftens. Sie hat in dem Sozialunternehmen als Werkstudentin begonnen. Foto: Haus des Stiftens/DAVIES Die Frage, wie er Menschen wie Höck Ciprés gewinnen kann, dürfte den gemeinnützigen Sektor in den kommenden Jahren immer stärker beschäftigen. Der Mangel an Nachwuchskräften wird vor keiner Branche haltmachen. Hauptursache ist der stetige Rückgang der nachrückenden Altersgruppen. Während die geburtenstarke Generation der Babyboomer in Rente geht, kommen immer weniger Menschen auf den Arbeitsmarkt. Das Institut der Deutschen Wirtschaft schätzt, dass bis 2028 rund 770.000 Stellen nicht mit ausreichend qualifiziertem Personal besetzt werden können.Michael Rheindorf arbeitet täglich mit Stiftungen zusammen. Der geschäftsführende Gesellschafter der Rheindorf Stiftungsmanagement gGmbH beobachtet, dass fehlender Nachwuchs zum Problem wird. „Auf der Arbeitsebene ist das zwar noch nicht so deutlich spürbar, da Stiftungen teilweise sehr engagierte Mitarbeiter haben, die auch mehr leisten oder ehrenamtlich einspringen“, erklärt Rheindorf. Doch wenn einzelne Mitarbeiter zu viel Verantwortung übernähmen und am Wochenende belastet würden, könne das schnell zu Überforderung führen.Unbesetzte ExpertenstellenLaut Marlene Göbel, Teamleiterin Personal bei der Stiftung Mercator, hat die Stiftung bislang keine großen Probleme, Nachwuchskräfte zu finden. Das könne allerdings daran liegen, dass die Situation dort anders sei als bei anderen Stiftungen. Schwierigkeiten entstünden häufig bei solchen Organisationen, die operativ arbeiten oder gezielt Experten für hoch spezialisierte Fachbereiche suchen würden. Die Stiftung Mercator hingegen verfolge einen eher breiteren Ansatz und suche Mitarbeiter in einem größeren Spektrum – beispielsweise Praktikanten, studentische Hilfskräfte, Trainees oder Berufserfahrene. Lesen Sie hier: Fort- und Weiterbildungen spielen eine entscheidende Rolle im Stiftungswesen. Sie dienen nicht nur der Qualifizierung der Mitarbeiter, sondern auch der Bindung an den Sektor, dem manches Werkzeug der Wirtschaft verwehrt bleibt. Doch was können Lehrgänge und andere Angebote für den Sektor leisten – und was nicht? Weder Rheindorf noch Göbel sind als Jungeinsteiger in den Dritten Sektor gekommen – ein Aspekt, der aus Sicht von Anna-Katharina Friedrich, Referentin für Engagementförderung bei der Deutschen Stiftung Engagement und Ehrenamt, in der Diskussion um Nachwuchskräfte häufig zu kurz kommt. „Mit dem Begriff Nachwuchs sind oft ausschließlich junge Menschen gemeint. Dabei gibt es auch viele erfahrenere Menschen, die großes Potential für ein Engagement jeglicher Art mitbringen.“ Friedrich selbst hat jedoch schon in jungen Jahren ganz bewusst den Schritt in den Dritten Sektor gemacht: „Für mich war klar, dass ich einer Tätigkeit mit Sinn nachgehen möchte. Deswegen habe ich zunächst Sozial- und Non-Profit-Management studiert.“ Anschließend habe sie als Freiwilligenkoordinatorin und -managerin in verschiedenen gemeinnützigen Organisationen gearbeitet, bevor sie zur Deutschen Stiftung Engagement und Ehrenamt gewechselt sei.Lea Henzgen zählt eindeutig zur Kategorie des jungen Nachwuchses. Mit 25 Jahren hat sie mit Freunden die Ames Foundation gegründet, die sich für gefährdete Tierarten in Afrika einsetzt. „Tiere haben in meinem Leben schon immer eine große Rolle gespielt“, erzählt sie. „Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen und habe mich im Jugendclub des WWF engagiert.“ Die Idee zur Stiftung sei aus dem Wunsch entstanden, selbständig etwas für Tiere in Afrika zu tun. Mit ihren Mitgründern überlegte sie zunächst, welche Rechtsform am besten geeignet ist. Auch die Gründung eines Vereins habe zur Diskussion gestanden. Da sie jedoch von Anfang an größere Ziele verfolgten und Henzgen aus eigener Erfahrung das Vereinswesen als eher umständlich empfand, entschieden sie sich schließlich für das Modell einer Stiftung.Intrinsische MotivationDie Stiftung entstand zuerst als Treuhandstiftung und ist mittlerweile als gemeinnützige GmbH organisiert. Henzgen engagiert sich dort ehrenamtlich, während sie hauptberuflich eine Reiseagentur betreibt. Schon in ihrer Jugend zeigte sie ehrenamtliches Engagement: „Ich bin in einem kleinen Dorf in der Eifel aufgewachsen, wo das Vereinswesen eine große Rolle spielt.“ Sie sei Mitglied bei der Freiwilligen Feuerwehr und im Karnevalsverein gewesen, später dann beim WWF. Lea Henzgen ist ehrenamtliche Geschäftsführerin der Ames Foundation. Hauptberuflich betreibt sie eine Reiseagentur. Foto: Marios Michaelides Dieser Engagementweg stimmt mit den Erfahrungen von Marlene Göbel von der Stiftung Mercator überein: „Bei unseren Bewerbern handelt es sich häufig um Menschen, die sich bereits gesellschaftlich engagiert haben.“ Die Bandbreite sei dabei groß und hänge vom jeweiligen Förderbereich der Stiftung ab, für den sich die Bewerber interessierten. Gemein hätten alle Bewerber, dass sie in ihrer Tätigkeit nach Sinnhaftigkeit suchten. „Viele Bewerber sagen, dass sie die Themen, mit denen wir uns beschäftigen, spannend finden.“ Sie setzten sich auch privat mit Themen wie Klimaschutz auseinander und fänden sich mit diesen Interessen bei der Stiftung wieder.Anna-Katharina Friedrich bestätigt diese Beobachtung. Als Programmleiterin von Futur E, einem Qualifizierungsprogramm für angehende Führungskräfte im Ehrenamt, hat sie ähnliche Erfahrungen gesammelt. Sie verweist auf den letzten Freiwilligensurvey des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, nach dem der Anteil der freiwillig Engagierten gestiegen und die Bereitschaft zum Engagement so hoch wie nie zuvor ist.Nicht so klassisch hingegen verlief der Einstieg in den Dritten Sektor für Finn Büttner. Der heute 30-Jährige arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Maecenata-Stiftung. Seine akademische Laufbahn begann mit einem Lehramtsstudium in Philosophie und Biologie, das er abbrach. Da er sich für arabische Sprache und Kultur interessiert, studierte er schließlich Islamwissenschaft an der Freien Universität Berlin. Finn Büttner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Maecenata-Stiftung und Doktorand an der Europa-Universität Flensburg. Foto: Maecenata-Stiftung In dieser Zeit hatte er erste Berührungspunkte mit Gemeinnützigkeit. Er stieß durch eigene Recherchen auf das Programm „Transnational Giving“ der Maecenata-Stiftung, das in Deutschland ansässigen Spendern steuerliche Vorteile ermöglicht, wenn diese an gemeinnützige Organisationen im Ausland spenden wollen. Er begann dort als Werkstudent und blieb fast drei Jahre lang. Durch die praktische Auseinandersetzung mit dem Thema entwickelte er ein intrinsisches Interesse an den strukturellen Fragen des Sektors. Heute erforscht er im Rahmen seiner Dissertation an der Europa-Universität Flensburg, wie kleine arabische Golfstaaten zu regionalem Frieden beitragen können, und lotet dabei die Rolle von Zivilgesellschaft aus – in enger Verbindung mit der Maecenata-Stiftung, bei der er weiterhin in Teilzeit arbeitet.Doch von Sinnhaftigkeit allein kann niemand leben. Es ist kein Geheimnis, dass die Gehälter im Dritten Sektor oft nicht mit denen in der freien Wirtschaft mithalten können. Lea Henzgen sieht einen Grund dafür in der ineffizienten Mittelverwendung vieler Stiftungen. Ihrer Ansicht nach fließt ein erheblicher Teil der Gelder in den Verwaltungsapparat, sodass für die Projekte und die Mitarbeiter oft zu wenig übrigbleibt. In dieser Hinsicht könnten Stiftungen noch viel von Unternehmen lernen: „Mit mehr Effizienz würde weniger Geld versickern und mehr bei den Projekten und den Mitarbeitern ankommen.Öffentlicher Dienst als OrientierungAuch der Doktorand Finn Büttner sieht eine klare Eintrittsbarriere in der vergleichsweise schlechten Bezahlung. Selbst mit einigen Jahren Berufserfahrung sei das Gehaltsniveau deutlich unter dem anderer Branchen. Akademiker müssten sich bewusst entscheiden, Sinn über ein hohes Gehalt zu stellen. Orientierung böten die Gehaltsaussichten des öffentlichen Dienstes – wobei im gemeinnützigen Sektor Aufstiegsmöglichkeiten deutlich begrenzter seien.Elena Höck Ciprés kennt die finanziellen Unterschiede zu Freundinnen, die in der freien Wirtschaft arbeiten. Sie verdiene zwar deutlich weniger, doch gebe es Kompensation: „Das Ziel, mehr gemeinnützige Förderungen zu ermöglichen, ist für mich sehr sinnstiftend“, sagt sie. Auch die Arbeitsbedingungen hebt sie hervor: flexible Arbeitszeiten, Remote-Möglichkeiten und Zusatzangebote wie eine vergünstigte Mitgliedschaft im Fitnessstudio, ein Internetzuschuss und ein kollegiales Mittagessen im Büro. „Es gibt eine gewisse Flexibilität, selbst Schwerpunkte zu setzen, Ideen auszuprobieren und mit dem Rückhalt einer Institution Dinge zu bewegen.“ Finn Büttner, Maecenata-Stiftung Ihrem Bedürfnis nach Sinnhaftigkeit geht sie auch außerhalb ihres Jobs nach. An ihrem freien Tag – sie arbeitet inzwischen nur noch vier Tage pro Woche – übernimmt sie Nachbarschaftshilfen und unterstützt eine ältere Frau im Alltag. „Ich helfe ihr bei kleinen Dingen, wie Einkaufen oder Blumen gießen, aber auch bei E-Mails oder Papierkram“, sagt sie.Wie Höck Ciprés sieht auch Büttner den zentralen Vorteil seiner Profession in der Sinnstiftung. Gerade operative Stiftungen arbeiteten thematisch unabhängig von politischen Zyklen. „Es gibt eine gewisse Flexibilität, selbst Schwerpunkte zu setzen, Ideen auszuprobieren und mit dem Rückhalt einer Institution Dinge zu bewegen.“ Deutlich werde das im Zugang zu Netzwerken und Ressourcen: „Im Namen einer Stiftung kann man Menschen zusammenbringen, die einem als Privatperson nie antworten würden.“Anna-Katharina Friedrich von der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt ist überzeugt, dass Personen aus der Wirtschaft viel von Ehrenamtlichen lernen können – und das gelte auch für Führungskräfte. Ihr falle immer wieder auf, dass ehrenamtliche Führungskräfte anders mit ihrer Rolle umgingen: „Die Herausforderung für sie besteht darin, Menschen zu motivieren, sich mit Begeisterung für ein Thema einbringen – ganz ohne dienstliche Autorität.“ Genau das macht aus ihrer Sicht Führung im Ehrenamt anspruchsvoller als in der Wirtschaft.Charme der StabilitätAuch Lea Henzgen hat als Gründerin der Ames Foundation Führung übernommen. Sie ist der Meinung, dass das Wort Stiftung oft etwas Altbackenes vermittelt: „Viele denken dabei an lange Konferenztische in holzvertäfelten Räumen, an denen überwiegend alte, weiße, wohlhabende Männer sitzen.“ Zudem hafte Stiftungen häufig das Stigma an, als Konstrukt zur Geldoptimierung zu dienen. Nach Henzgens Meinung sollten Stiftungen viel stärker in eine moderne Markenbildung investieren, um sich neu zu positionieren. „Das solide, traditionsreiche Image hat durchaus Vorteile. Wenn man es jedoch mit einem moderneren, jüngeren Ansatz verbindet, hat die Stiftungsform sehr gute Chancen, auch für jüngere Menschen langfristig attraktiver zu werden.“ Anna-Katharina Friedrich ist Referentin für Engagementförderung bei der Deutschen Stiftung Engagement und Ehrenamt. Foto: Christina Czybik/Bundesfoto/DSEE Marlene Göbel kennt beide Seiten: Sie war sowohl in der Wirtschaft als auch im Stiftungswesen tätig. Aus ihrer Erfahrung sind die Unterschiede in manchen Bereichen, etwa bei Standardaufgaben im Personalwesen, gar nicht so groß. Grundsätzlich unterscheiden sich jedoch die Rahmenbedingungen: „Stiftungen sind seltener Zwängen wie wirtschaftlichem Druck ausgesetzt. Es gibt keine Gewinnerwartungen, die zu Restrukturierungen zwingen oder den Betrieb gar zu schließen.“ Das bedeute nicht, dass Stiftungen losgelöst von wirtschaftlichen Rahmenbedingungen arbeiten könnten. Deren Relevanz sei aber eine andere: Stiftungen könnten meist langfristiger planen und handeln. Dadurch würden sie in gewisser Hinsicht auch mehr Arbeitsplatzsicherheit bieten – das Geld ist meist gesichert, und damit auch die Jobs.Ebenso sieht Michael Rheindorf die Arbeitsplatzsicherheit als zentralen Vorteil. „Auch wenn Stiftungen wirtschaftlich auf einem anderen Niveau starten, sind sie meist krisenunabhängig – Produktionsverlagerungen oder andere wirtschaftliche Risiken sind kein Thema.“ Missionsgebundene Stiftungen blieben oft als letzte Konstante am Ort bestehen, böten Sicherheit und Sinnhaftigkeit – ein Mehrwert, mit dem Stiftungen werben könnten: „Für mich ist das ein sehr attraktiver Gegenpol zur Privatwirtschaft.“Wie Lea Henzgen ist auch Rheindorf der Meinung, dass viele Menschen ein veraltetes Bild von Stiftungen im Kopf haben. „Stiftung klingt zwar mittlerweile wieder sehr positiv, aber eben auch alt und konservativ.“ Natürlich gebe es viele Gegenbeispiele, die völlig innovativ und anders arbeiteten. Doch in einigen Stiftungen fänden sich tatsächlich immer noch Gremienstrukturen, Kommunikationsformen oder Entscheidungsprozesse wie noch vor 40 Jahren. Das wirke wenig einladend auf junge Menschen. Außerdem seien Stiftungen viele Jahre lang überwiegend reine Geldgeber gewesen, keine Mitmachorganisationen. „Bei Vereinen ist das ganz anders“, sagt Rheindorf. „Dort gibt es direkt eine gewisse Nähe und Mitgliedschaft.“ Stiftungen sollten nach seiner Ansicht Formate schaffen, in denen Begegnung und Beteiligung möglich sind und dabei jeder merkt: Mein Engagement wird hier gebraucht. Marlene Göbel weiß, was junge Menschen in den Sektor treibt: Sie ist Teamleiterin für die Abteilung Personal bei der Stiftung Mercator. Foto: Peter Gwiazda Marlene Göbel kann sich vorstellen, dass die teilweise engen Rahmenbedingungen im Stiftungswesen das altmodische Bild des Sektors geformt haben: „Es gibt Stiftungen, die ein sehr festgelegtes Thema haben und – zumindest aufgrund früherer Rechtslage – kaum ihre Schwerpunkte verändern konnten.“Göbel sieht ein generelles Problem darin, dass der Dritte Sektor einfach nicht sehr bekannt ist. „Wer bisher keinen Kontakt zu gemeinnützigen Organisationen hatte, kommt vielleicht gar nicht auf die Idee, gezielt nach Jobs bei einer Stiftung zu suchen.“ Wer sich nicht ohnehin auf spezialisierten Plattformen wie Goodjobs informiere, denke möglicherweise gar nicht daran, sich im Sektor zu bewerben.Um junge Menschen für den Sektor zu gewinnen, hält Michael Rheindorf niedrigschwellige Angebote für besonders wichtig. Dazu zählt er beispielsweise Kurzzeit-Engagements im Rahmen von Projektwochen oder Veranstaltungen, die erste Einblicke ermöglichen. Stiftungen könnten sich hier einiges von Vereinen abschauen, denn diese würden solche unkomplizierten Engagement-Möglichkeiten häufiger anbieten. Regelmäßige Verpflichtungen schreckten viele junge Leute zunächst ab oder überforderten sie.Engagement ist wichtiger denn jeRheindorf sieht in der heutigen jungen Generation großes Potential. Ihr Interesse an gesellschaftlichen Themen sei enorm. Dabei gehe es nicht nur um wachsenden Aktivismus, etwa beim Klimaschutz, sondern auch um vielfältige Formen der Teilhabe. Junge Menschen würden intensiv über gesellschaftliche Zusammenhänge nachdenken und reflektierten ihre eigenen Werte. Stiftungen sollten diese gesellschaftlichen Wirkungsmechanismen als Motivator nutzen. „Ich halte das für eine große Chance für den Dritten Sektor“, sagt Rheindorf. „Indem wir die Reflexion und den Handlungswillen der jungen Generation aufgreifen und sagen: ‚Wenn du etwas bewegen möchtest, kannst du das bei uns tun.‘“ „Es gibt zunehmend Angebote für junge Menschen. Das ist eine wichtige Entwicklung.“ Elena Höck Ciprés, Haus des Stiftens Veränderungen im Sektor nimmt Höck Ciprés durchaus wahr, vor allem, was die Öffnung für junge Menschen betrifft. Die Teilnahme an der Initiative „30 unter 30“ beim Deutschen Stiftungstag habe ihr klargemacht, dass sich der Sektor verjüngt, vielfältiger wird – und auch professioneller. „Es gibt zunehmend Angebote für junge Menschen. Das ist eine wichtige Entwicklung.“ Was braucht es aus ihrer Sicht für eine Karriere im gemeinnützigen Sektor? „Man sollte soziale Kompetenz mitbringen, empathisch sein und gerne mit Menschen arbeiten.“ Nur wer seine Motivation wirklich kenne und bereit sei, Verantwortung zu übernehmen, könne in dem Beruf aufgehen: „Es ist wichtiger denn je, dass man sich engagiert.“Etwas tun wollte auch Lea Henzgen, und zwar mit ihrer eigenen Stiftung. „Für mich persönlich war das ein riesiger Schritt“, sagt sie. „Ich steckte noch mitten in meinem Masterstudium, hatte noch nie zuvor ein Unternehmen gegründet und war auch noch nie bei einem Notar.“ In dieser Phase tauchten viele Fragen auf: „Wofür bin ich am Ende haftbar? Welche Reporting-Pflichten kommen auf mich zu?“ Glücklicherweise habe sie eine Steuerkanzlei pro bono beraten. Ohne diese kostenfreie Unterstützung hätte die Gründung finanziell noch einmal eine ganz andere Dimension angenommen. Michael Rheindorf ist geschäftsführender Gesellschafter der Rheindorf Stiftungsmanagement gGmbH. Foto: Mario van Veen Auch die deutsche Bürokratie war zu Beginn ihrer Stiftungsarbeit für Henzgen wenig hilfreich. In der Schweiz, wo sie lebt, könnten Unternehmen und Stiftungen zum Teil innerhalb einer Woche gegründet werden. In Deutschland hingegen ziehe sich der Prozess oft über mehrere Monate hin. Hinzu komme, dass es bei den Behörden keine klaren Ansprechpartner gebe und man häufig lange in Warteschleifen hänge.Bürokratie ist auch Teil des Alltags von Finn Büttner bei der Maecenata-Stiftung. Er verbringt einen Großteil seiner Arbeitszeit mit dem Schreiben von Anträgen. Zudem seien Zeitspannen oft eng, Aktivitäten durch Förderzyklen getaktet – was Flexibilität und Belastbarkeit erfordere. Beharrlichkeit und Selbstbewusstsein sind laut dem Doktoranden ebenfalls wichtig für eine erfolgreiche Karriere im Sektor.Eine strukturelle Herausforderung sieht Büttner zudem in der Förderlogik des Staates. Viele Organisationen seien auf staatliche Mittel angewiesen – mit potentieller Gefahr für ihre Unabhängigkeit. „In politisch angespannten Zeiten führt das oft zu Selbstzensur“, sagt er.Trotz aller Hindernisse bleibt Henzgen optimistisch. Sie sieht vor allem die positiven Seiten ihrer gemeinnützigen Arbeit und hält es für sinnvoll, aktiv zu werden – ganz gleich, ob als Stifterin, freiwillig Engagierte oder als Angestellte einer gemeinnützigen Organisation. Ihr Motto lautet: „Einfach machen.“ Sie ist überzeugt: „Wer heute startet, ist morgen auf jeden Fall schon einen Schritt weiter als heute.“ Info Stiftungen zahlen am meisten Die Personio Foundation, eine vom Softwareanbieter Personio gegründete Stiftung, und die Personalberatung Talents 4 Good haben für ihren Gehaltsreport 2025 Daten von 234 gemeinnützigen Organisationen ausgewertet. Darunter befinden sich Förderstiftungen, NGOs und Sozialunternehmen. Zwischen Januar und März 2025 gaben diese Organisationen Auskunft über die Bruttojahresgehälter von vier Berufsgruppen: Geschäftsführern, Programm-Managern, Fundraising-Managern sowie Referenten für Operations und Personal. Die Auswertung zeigt: Stiftungen zahlen mit einem Brutto-Mediangehalt von 100.000 Euro die höchsten Gehälter an Geschäftsführer. Es folgen NGOs mit 83.000 Euro und Sozialunternehmen mit 80.000 Euro. Programm-Manager, die die inhaltliche Ausrichtung der Organisation prägen und Projekte gemeinsam mit den Zielgruppen umsetzen, erhalten bei Stiftungen im Schnitt 66.000 Euro. In NGOs verdienen sie rund 57.000 Euro, in Sozialunternehmen 50.000 Euro. Fundraising-Manager sind für die Beschaffung der finanziellen Mittel zuständig. In Stiftungen verdienen sie im Median 60.000 Euro. Bei NGOs liegt ihr Gehalt bei 56.000 Euro, bei Sozialunternehmen bei 50.000. Operations- und HR-Referenten, die operative und administrative Prozesse steuern, erhalten in Stiftungen ein Mediangehalt von 60.000 Euro, in NGOs 51.000 und in Sozialunternehmen 46.000 Euro. Große Lücke zur Wirtschaft Im Vergleich zu größeren mittelständischen Unternehmen erhalten NPO-Geschäftsführer im Durchschnitt deutlich weniger Gehalt. Während die Mediane in der Privatwirtschaft oft über 180.000 Euro liegen, verdienen Geschäftsführer im Non-Profit-Sektor meist rund 50 Prozent weniger. Christian Meyn, Vorstand der Crespo Foundation, erklärt in der Studie, dass sich die Vorstellungen über Gehälter im NPO-Bereich stark am öffentlichen Dienst orientieren – unter anderem wegen des sogenannten Besserstellungsverbots bei öffentlichen Förderungen. Programm-Manager gehören im Non-Profit-Sektor nach den Geschäftsführern zu den bestbezahlten Berufsgruppen. Langfristig steigen ihre Gehälter jedoch trotz wachsender Verantwortung nur um etwa 30 Prozent. Zum Vergleich: In der Tech-Branche sind bei einer Beförderung zum Senior-Manager laut der Studie Gehaltssprünge von 46 Prozent keine Seltenheit. Fehlende Anerkennung für Fundraiser Fundraising-Manager verdienen im Median weniger als Programm-Manager. Laut Björn Lampe, Geschäftsführer der Spendenplattform betterplace.org, betrachten viele Organisationen das Fundraising lediglich als notwendiges Übel. Deshalb fühlen sich Fundraiser oft in ihrer eigenen Organisation nicht ausreichend anerkannt. Larissa Probst, Geschäftsführerin des Deutschen Fundraising-Verbands, ergänzt: „In kleinen Organisationen übernehmen viele Überzeugungstäter diesen Job und arrangieren sich mit niedrigen Gehältern.“ Im Bereich Operations und HR liegen die Gehälter am niedrigsten unter den untersuchten Berufsgruppen. Annika Behrendt, Geschäftsführerin von Talents 4 Good, betont, dass HR-Mitarbeiter in kleinen und mittleren Organisationen häufig als „Mädchen für alles“ arbeiten. Sie verbrächten viel Zeit mit Aufgaben, die Software wesentlich effizienter erledigen könnte. Ohne eine stärkere Professionalisierung und Aufwertung dieser Bereiche sänken Wertschätzung und Zukunftsfähigkeit der Organisationen weiter. Die Studie zeigt auch, dass das Gehalt selten der Hauptgrund für den Verlust von Mitarbeitern ist. Eine Ausnahme bilden die Sozialunternehmen: Hier stehen zu geringe Gehälter und fehlende Karriere- und Entwicklungschancen gleichauf an erster Stelle. In NGOs geben 27 Prozent der Befragten an, regelmäßig Mitarbeiter wegen niedriger Gehälter zu verlieren. 40 Prozent nennen fehlende Entwicklungsmöglichkeiten als Ursache. Bei Stiftungen, die im Vergleich am besten zahlen, verlassen nur neun Prozent die Organisation wegen des Gehalts. Allerdings nennen dort 41 Prozent fehlende Karriere- und Entwicklungschancen als häufigsten Kündigungsgrund.

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