Sie haben im März Anträge auf Vorprüfung der Gründung einer Stiftung mit dem Namen Fundatio an Aufsichtsbehörden in allen Bundesländern verschickt. Es ging um eine Gründung zum 1. Juli 2023, dem Tag des Inkrafttretens der Reform des Stiftungsrechts. Was wollen Sie mit der Stiftung erreichen?
Christoph Mecking: Das neue, einheitliche Bundesstiftungsrecht gibt Gelegenheit, Dinge zu klären, die seit Jahrzehnten unentschieden sind – und auch, neue Wege zu beschreiten, das Gesetz wirklich ernst zu nehmen. Denn es besteht die Gefahr, dass Behörden weiterhin beim alten Stiefel bleiben. Wir wollen durch die Initiative die Diskussion in den Behörden und mit den Behörden voranbringen.
Erich Theodor Barzen: Es ist ein soziologischer Befund, dass sich Stifter und Beraterinnen bei Neuanmeldungen häufig auf Althergebrachtes zurückziehen müssen. Jede Individualität im Gründungsprozess kann die Sache in die Länge ziehen. Zu vielen Aspekten gibt es keine Rechtsprechung und damit keine Rechtssicherheit – und so am Ende auch keine Rechtsstaatlichkeit. Das wollen wir durch die Satzungsgestaltung und die Diskussion darüber mit den Aufsichten ändern.
Kann sich nicht jeder Stifter rechtlich wehren, wenn es Probleme gibt?
Mecking: Wir kennen die Situation bei vielen Gründungen, die wir begleiten: Jemand, der eine Stiftung gründen möchte, will sich nicht verstreiten, wenn es Widerstände der Behörden gibt – und die Umsetzung seines Anliegens nicht durch einen Rechtsstreit in die Länge ziehen. Bei uns ist das anders: Uns kommt es eben nicht darauf an, in kurzer Zeit die Stiftung zu errichten. Damit haben wir die Möglichkeit, Fragen endlich zu klären.
Stefan Fritz: Im Stiftungssektor haben wir ein großes Ungleichgewicht durch das Gegenüber von Stifter und Behörde. Das ist anders als im Gesellschaftsrecht, wo Gesellschafter auf derselben Ebene miteinander streiten – und das auch entsprechend häufiger tun. Die Situation führt dazu, dass sehr viel in einem Wald stiftungsrechtlicher Dogmatik versteckt ist. Es gibt eine sehr geringe Regelungsdichte, keine publizierte Verwaltungspraxis und wenige Urteile. Durch die Reform haben wir einen anderen Hebel als in der Vergangenheit, weil ein Urteil für ganz Deutschland gilt.
Haben Sie ein Beispiel, wie sich diese Problematik bislang auswirkt?
Mecking: Eines wäre der Umgang mit Mustersatzungen. Sie haben die Funktion, der Aufsicht die Arbeit zu erleichtern – aber nicht unbedingt die Funktion, den Stifterwillen zu befriedigen. Mustersatzungen können Hilfestellungen sein, aber auch nicht mehr. Ich hatte einen Fall im vergangenen Jahr, in dem sich die Aufsicht nach drei Monaten der Vorprüfung meldete und darlegte, dass der Satzungsentwurf nicht der geltenden Mustersatzung entspreche – und dass das geändert werden müsste. Ich habe dann darauf hingewiesen, dass das Gesetz nicht die Verwendung einer Mustersatzung vorgibt – und musste an jedem Punkt begründen, warum der Stifter sie nicht verwenden möchte. Das ging über mehrere Runden, alles auf Kosten der Stifter. Obwohl die Stifter kulant waren, haben sie zunehmend das Vertrauen in die Aufsicht verloren. Wir sind dann am Ende in ein anderes Bundesland gewechselt. Die neue Aufsicht hatte überhaupt keine Bedenken. In zwei Wochen war die Stiftung errichtet.
Barzen: Mit unserer Stiftung würden wir in einem solchen Fall die rechtliche Klärung herbeiführen – wir nehmen uns die Zeit dafür und tragen die Kosten selbst. Das ist auch im Interesse der Behörden, damit sie bei mehr individuellen Lösungen mitgehen können. Sie fragen sich schließlich auch, was zulässig ist.
Solche Unterschiede werden auch durch die Vereinheitlichung im BGB nicht behoben?
Mecking: Wir haben nun die bundesrechtliche Regelung im materiellen Stiftungsrecht. Es gibt aber Eigenheiten in jedem Land, manche Dinge werden von Behörde zu Behörde anders gesehen. Der Vereinheitlichungsprozess leidet insbesondere darunter, dass nicht im Zuge der Reform ein Mustergesetz für das Aufsichtsrecht der Länder entwickelt wurde. Es wäre ein Leichtes gewesen, zu überlegen, was gebraucht wird, so wie das bei der Bau- oder der Gemeindeordnung der Fall war. So wird in neuen Landesstiftungsgesetzen die Aufsicht etwa über Familien- und Verbrauchsstiftungen reduziert. Andere wiederholen bundesrechtliche Begriffsbestimmungen, allerdings mit leichten Abweichungen.
Das klingt nach viel Potential für Dispute?
Fritz: Ja. Insofern ist das eher Chance als Risiko. Uns liegt aber daran, dass wir möglichst gemeinsam mit den Behörden Fortschritte machen und wertschätzend mit ihnen zusammenarbeiten. Den Behördenmitarbeiterinnen liegen die Stiftungen ja auch am Herzen. Es geht uns um Publizität, sodass die Stifterin und die Beratenden wissen, wie sie es machen können. Wir wollen Freiheitsgrade ausloten und treten für eine liberale Auslegung ein. Aber auch für Vereinheitlichung. Und natürlich Transparenz: Wir publizieren alle Verwaltungsentscheidungen auf unserer Website.
Mecking: Man hört aus Behörden, dass sie mitunter Forderungen vertreten müssen und das überhaupt nicht wollen. Etwa wenn vom Stifter die Steuerbegünstigung vorab nachgewiesen werden soll. Wir wissen nicht, aus welcher Norm sich diese Forderung ergeben soll. Die geforderte Unbedenklichkeitsbescheinigung ist zunächst unverbindlich; die Steuerbegünstigung wird erst nach Errichtung der Stiftung beschieden. Das Finanzamt Erfurt mag diese Frage übrigens anders beantworten als das in München. Es gibt da viele Verwaltungsbräuche, von denen manche mitunter ihren guten Sinn haben – aber als Forderung lassen sie sich nicht begründen. Und: Für jemanden, der in einer Stiftungsbehörde tätig ist, gilt das, was intern vorgegeben ist. Er kommt davon nicht einfach weg, will sich mit niemandem anlegen. Das ist verständlich. Auch wenn es häufig gar keine Konsequenzen hätte, die Wünsche der Stifter umzusetzen.
Sie haben die Stiftung so aufgebaut, dass sich Fragen stellen: eine auf zehn Jahre angelegte Verbrauchsstiftung, die später zur Ewigkeitsstiftung werden kann. Ein Gesamtvermögen von 10.000 Euro, von dem pro Jahr 1.000 hineinfließen zur Zweckerfüllung. Welche Rückmeldungen haben Sie bisher?
Mecking: Interessant ist, dass sich die Behörden bisher auf einige wenige Themen fokussieren und ähnlich argumentieren. Die erste Frage ist meist die der Vermögensausstattung. Die Aufsichten sagen immer, 10.000 Euro seien zu wenig – nur begründen sie es nicht. Dabei stehen Fundatio 1.000 Euro in jedem Jahr zur Verfügung. Das ist eine Größenordnung, die viele zugelassene Dauerstiftungen nicht erreichen. Daher wollen wir wissen, wieso 1.000 Euro in diesem Fall nicht genügen.
Barzen: Der Zweck von Fundatio ist „Förderung von Wissenschaft und Forschung insbesondere auf dem Gebiet des Stiftungsrechts, der Bildung sowie des bürgerschaftlichen Engagements zugunsten gemeinnütziger Zwecke“. Zu den Unschärfen, die wir prüfen wollen, gehört auch die Vorstellung, dass nur Zwecke zulässig sein sollen, die sich aus dem Vermögen erfüllen lassen – diese Anforderung ergibt sich indes nur aus der Begründung, aber nicht dem Gesetz selbst. Diesen Umstand loten wir aus mit der Zusage eines geringen Vermögens, von dem aber jeder sagen würde, dass es für das, was wir tun wollen, ausreicht.
Ist der Testcharakter der Stiftung für die Aufsichten ein Problem?
Fritz: Es ist tatsächlich ein häufiges Argument, dass wir die Stiftung ja gar nicht ernsthaft am jeweiligen Ort errichten wollen. Daher wollen manche Behörden die Anerkennung nicht weiterbetreiben. Für uns stellt sich die Frage: Kommt das der Behörde zu? Auch das Argument des fiktiven Stiftungssitzes erscheint nicht plausibel. Danach müsse es einen tatsächlichen Bezug zum Ort des Geschehens geben. Wenn man sagt, die Stiftung muss in Thüringen ihre Satzungszwecke verwirklichen. Warum? Und was ist mit Stiftungszwecken wie der Entwicklungszusammenarbeit? Im Gesetz steht es anders: Solche Fragen hat der Stifter in der Satzung zu entscheiden, niemand anderes. Mitunter wird auch gefordert, dass es mindestens ein Vorstandsmitglied vor Ort geben muss, um dort den Sitz zu haben. Das ist aus unserer Sicht fragwürdig. Wenn das Mitglied zwei Tage nach Anerkennung stirbt oder umzieht, ist nichts gewonnen.
Das sind viele Fragen. Zum 1. Juli hat es nicht geklappt.
Mecking: Die meisten Behörden haben gesagt, sie schaffen es nicht mehr vor Herbst. Eine solch lange Bearbeitungsdauer ist fragwürdig. Das liegt daran, dass die Behörden personell nicht angemessen ausgestattet werden, aber auch daran, wie sie mitunter arbeiten: Wenn sie die Stifterfreiheit ernst nehmen würden, würden sie viele Details gar nicht erst in Frage stellen. Bei vielen ist es so, dass sie die Satzung neu schreiben. Das macht viel Arbeit und entspricht nicht dem, was der Stifter möchte.
Fritz: Ein Problem ist sicherlich, dass Behörden eine Doppelrolle haben. Beratung und Entscheidung. Vieles, was Behörden vorschlagen, ist sinnvoll für den Regelfall. Schließlich hat nicht jeder Stifter umfassende Kenntnisse des Stiftungsrechts. Es gibt aber andere Fälle, wo sehr gute Kenntnis im Stiftungsrecht vorliegt und die Stifterin eben eine eigene Variante wählt. Das ist ihr gutes Recht.
Was steht am Ende des Weges von Fundatio?
Barzen: Ein Stück weit könnte sich der Charakter des Stiftungswesens ändern. In den Niederlanden etwa gibt es die Ein-Euro-Stichting, also eine Stiftung, die mit einem Euro Vermögen gegründet werden kann. Wenn wir Fundatio mit 10.000 Euro errichten können, die wir verteilt auf zehn Jahre einschießen, wäre das natürlich ein kultureller Wandel. Wir sind überzeugt, dass es der Gesellschaft guttut, wenn sich der Sektor auf diese Weise weiter öffnet – aber für Nostalgiker ist das nichts.
Mecking: Wir denken weitere Themen an, die zu Liberalisierung führen können. So haben wir in der aktuellen Satzung nur ein Organ vorgesehen. Wenn es zwei Organe gäbe, gäbe es noch eine ganze Reihe weiterer Fragen. Das kann noch kommen, ebenso wie Schwesterstiftungen zu Fundatio. Unserer Ansicht nach ist das Potential für die Rechtsform Stiftung nicht ausgeschöpft. Sie kann noch mehr zu verstetigtem gesellschaftlichem Engagement beitragen. Es braucht aber Rechtssicherheit, um solche Absichten zu unterstützen.
Info
Die Stifter von Fundatio informieren auf www.fundatio.info über den Ablauf des Projekts, etwa über die verschiedenen Einwände der Behörden zum Vorprüfungsantrag. Anfang Juni lag die unzureichende Vermögensausstattung mit sechs Nennungen unmittelbar vor der unzulässigen Sitzwahl und dem fehlenden Errichtungswillen. Eine fehlende Bescheinigung der Gemeinnützigkeit und ein unzulässiger Stiftungszweck wurden zwei- respektive einmal bemängelt. Auch die Zuordnung zu den Behörden ist dargestellt. Aktuell liegt die Regierung von Oberbayern bei den Einwänden vorn.
Stefan Dworschak ist Chefredakteur von DIE STIFTUNG. Zuvor war er nach einem Magisterstudium der Anglistik, Philosophie und Romanistik mit sprachwissenschaftlichem Schwerpunkt an den Universitäten Heidelberg und Sheffield in der Mantel- sowie Lokalredaktion einer Tageszeitung tätig.

