Nachhaltigkeit, etwa mit Blick auf den Klimawandel, gehört zu den bestimmenden aktuellen Themen. Doch ohne das entsprechende Wissen kann aus Sicht von Hans-Niklaus Müller keine Veränderung der Lebensweise stattfinden. Wissenschaft und politische Gremien blieben zu oft in ihren Elfenbeintürmen, sagt der Präsident der Stiftung Biblio-Suisse und der Stiftung Umweltinformation Schweiz – traditionelle Medien berichteten über Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen auf eine Weise, dass eine tiefere Auseinandersetzung ausbleibe. Sie anzuregen, ist das Ziel beider Organisationen mit Sitz in Luzern. Müller engagiert sich mit den beiden Stiftungen seit gut 30 Jahren für diese Themen. Das gleiche oft einer Sisyphusarbeit, Zweifel kennt Müller nur zu gut. Er berichtet von mitunter überschaubaren Erfolgen und einer „inflationären Nutzung des Nachhaltigkeitsbegriffs“. Doch getreu dem Motto „steter Tropfen höhlt den Stein“ versuchten er und sein Team, Menschen zu mehr Nachhaltigkeit zu motivieren.
Von Schulbüchern zu Nachhaltigkeit
Die Anfänge der Stiftung Biblio-Suisse liegen abseits der heutigen Nachhaltigkeitsfragen: 1988 errichtet, hat sie die Bereitstellung von Büchern und Medien in den schweizerischen Berggebieten gefördert und unterstützt. In den folgenden Jahren entwickelte sich der Aufgabenschwerpunkt der Stiftung weg von der Materialbeschaffung und hin zu der Frage, wie Bibliotheken selbst nachhaltiger werden können. Mittlerweile geht es um Themen wie Effizienzschulungen des Personals oder auch den Energieverbrauch von Büchereien. 2018 fusionieren die beiden schweizerischen Bibliotheksverbände BIS und SAB unter dem Namen Bibliosuisse – es beginnt eine Kooperation mit der gleichnamigen, aber etwas anders geschriebene Stiftung Biblio-Suisse. In der Folge verstärkt sich die Ausrichtung der Stiftung auf Nachhaltigkeit einmal mehr.
Seitdem bekennt sich die Stiftung unter anderem offiziell zu den Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen. Sie sollen im Alltag sichtbar werden. So soll etwa ein Projekt die Fortschritte von Bibliotheken im Bereich Nachhaltigkeit vor Ort visualisieren, beispielsweise mittels „Fieberthermometer“ auf einer Prozentskala von null bis 100, so Müller. Das Projekt hatte aufgrund der Corona-Pandemie mit Startschwierigkeiten zu kämpfen. In den kommenden Monaten soll jedoch ein Pilotprojekt in der Zentral- und Hochschul-Bibliothek Luzern anlaufen, das bei Erfolg auf die Gesamtschweiz ausgerollt werden könnte.
Aufklärung und Umwelt
Aufklärung über Bibliotheken hinaus ist der Zweck, der von Müller 1995 gegründeten Stiftung Umweltinformation Schweiz. Inspiration war das „Grüne Telefon“, eine Pflanzen- und Umweltberatung in Deutschland, mit der der Sohn von Biblio-Suisse-Gründer Hans A. Müller während seiner Studienzeit in Gießen und Hohenheim in Kontakt gekommen war. Die Aufgabe der Stiftung steckt im Namen: Öffentlichkeit über Umwelt und Nachhaltigkeit informieren, „wissenschaftlich korrekt, aber so, dass es die Leute verstehen“, sagt Müller. Im Zentrum steht dabei besonders das Umweltnetz Schweiz – ein journalistisches Angebot der Stiftung, das über Umweltthemen berichtet.
Mit dieser Art des Wissenschaftsjournalismus versucht Müller als Stiftungspräsident und Chefredaktor in Personalunion mithilfe eines dreiköpfigen Teams Mitmenschen aufzuklären und zu einer nachhaltigen Lebensweise anzuregen. „Jeden Tag ein Beitrag rund um verschiedene Umweltthemen“ auf der Webseite der Stiftung lautet das Ziel. Jede Woche gibt es zudem den Umweltnetz-Wochenrückblick, ein Newsletter mit den Artikeln der Vorwoche und einer Buchbesprechung.
Derzeit zählt der Newsletter rund 4’000 Abonnenten. Ein für beide Stiftungen eingerichteter Förderverein sorgt neben der Abonnentengewinnung auch für die Akquise von Inserenten und Partnerschaften für die Stiftung. Hinzu kommen Honorare für Vorträge und Kurse und eine Personalplanung, die die Finanzierung beider Stiftungen gewährleistet, so Müller. So tragen sich die sieben Vollzeitstellen, die für beide Stiftungen geschaffen wurden und die sich auf gut zehn Teilzeitstellen verteilen.
Außerdem bietet das Umweltnetz Schweiz im Rahmen des Online-Auftrittes auch Dossiers zu unterschiedlichen Nachhaltigkeits- und Umweltthemen an. Diese können und sollen, so Müller, unter anderem Lehrer für den Schulunterricht verwenden. Eine Übersicht von Gesetzen mit Umweltbezug bietet die Stiftung ebenfalls an.

Hans-Niklaus Müller ist Präsident der Stiftungen Biblio-Suisse und Umweltinformation Schweiz. Letztere Stiftung wurde von ihm selbst errichtet. Foto: Hans-Niklaus Müller
Direkten Praxisbezug ermöglichen zudem persönliche Umweltberatungen ebenso wie andere Veranstaltungen Stiftung mit der Aktion „Renatour“ dar. Die jüngste Initiative der Stiftung Umweltinformation stößt innerhalb dreier Bereichen oder „Pfaden“ – einem Energie-, Bio- und Natur-Pfad – Projekte und Exkursionen an, bei denen Bürger vor Ort die Möglichkeit haben, mit Experten zu verschiedenen Nachhaltigkeitsthemen in Berührung zu kommen. Die Themenbandbreite reicht von insektenfreundlicher Gartengestaltung bis zu den Möglichkeiten der Elektromobilität. All dies soll laut Müller Wissen vermitteln und die Hemmschwelle zu nachhaltigerem Handeln senken: Umweltfreundlichere Lebensweise für die tatsächliche Lebenspraxis – Transformation von unten nach oben. Dabei weiß Müller, dass es auch mit zwei Stiftungen weiterhin viel Zeit braucht: „Informationen müssen – aus verschiedenen Sichtweisen und unter verschiedenen Aspekten – immer wieder gebracht werden, bis sie irgendwann zu einem Aha-Erlebnis führen“, sagt der 74-Jährige. Und so gilt nicht nur das Ziel, sondern auch für die Arbeit dorthin das Prinzip der Nachhaltigkeit.