Dr. Eva Madelung, Tochter von Robert Bosch, ist engagierte Stifterin. Sie setzt sich unter anderem für die Verbesserung der Lebensverhältnisse von Menschen mit Behinderung ein. Bis zu 25 Prozent der Gesamtbevölkerung sind von einer Behinderung betroffen. Hier bieten sich nachhaltige Förderansätze für Stiftungen, um sinnstiftend Wirkung zu entfalten.

Frank Berninger bewegt sich sehr langsam in Richtung Tür des Malateliers, in dem er arbeitet. Zentimeter für Zentimeter, um, an seiner Staffelei angekommen, virtuos leicht in leuchtendem Enzianblau und Lichtblau Fläche und Farbe zu Kunst zu verbinden. Er ist 54, war Meisterschüler an der Hochschule für Bildende Kunst in Braunschweig. 1998 machte er eine leichte Wanderung in den oberbayerischen Bergen. Dabei rutschte er auf dem nassen Felsen aus und stürzte auf eine Kante. Ein Tag, der sein gesamtes Leben verändern sollte – in ein Leben im Rollstuhl.

Stagnation trotz wachsendem Verständnis

Endlich! Das Verständnis dafür, dass eine Behinderung jede und jeden treffen kann, wächst laut dem Institut für Menschenrechte in der Bevölkerung. Das ist einer der positiven Effekte seit Einführung der UN-Behindertenrechtskonvention. Sie trat 2009 in Kraft, um die Rechte von Menschen mit Behinderung zu verbessern. Chancengleichheit in allen Lebensbereichen als Menschenrecht, Teilhabe, Selbstbestimmung und Autonomie stehen im Zentrum. Dabei liegt die Sichtweise der UN darauf, dass Menschen nicht behindert sind, sondern durch externe Faktoren – wie etwa den fehlenden Aufzug – behindert werden. Sonderstrukturen für Menschen mit Behinderung ermöglichen ein „beschütztes“ Leben. Gleichzeitig schränken sie die Realisierung individueller Lebensentwürfe von Menschen mit Behinderung ein. Sie müssen in allen Lebensbereichen von Anfang an dabei sein und aktiv teilhaben können. Staatliche Stellen auf allen Zuständigkeitsebenen, privat Aktive wie Unternehmen und Menschen mit Behinderung selbst engagieren sich dafür, die Lebenssituation von Menschen mit Behinderung zu verbessern und Barrieren, die Teilhabe verhindern, abzubauen: in den Bereichen Bildung, Arbeit, Kommunikation, Mobilität, Wohnen, Gesundheit, Freizeit und gesellschaftliches Leben.

Chancen für sinnstiftendes Investment identifizieren

Eine inklusive Gesellschaft befördert Menschen mit Benachteiligungen, ihr Potenzial zu entfalten. Sie sorgt für mehr soziale Gerechtigkeit und den Kontakt sowie die Achtsamkeit zwischen den Menschen und den unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen. Beides macht eine Gesellschaft lebenswert und lebendig und damit nachhaltig.

  • Bildung ist ein Grundrecht und die Basis für Autonomie und Selbstbestimmung, aber auch für eine demokratische Grundgesinnung. Seit Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention ist die Zahl der Schülerinnen und Schüler in besonderen Förderschulen in Deutschland nicht nennenswert gesunken, in drei Bundesländern sogar gestiegen. Wenn, dann gelingt es einrichtungsbezogen, qualitativ hochwertige inklusive Bildung zu gestalten. Es fehlen unter anderem die nötigen finanziellen Ressourcen.
  • Wohnen ist Leben und eines der Grundfeste menschlichen Seins. Es fehlen vor allem bezahlbare barrierefreie Wohnungen, personenzentrierte Assistenzangebote und inklusive Sozialräume.
  • Das Recht auf Arbeit ist ein weiteres Grundrecht aller Menschen. Nach wie vor gibt es nicht genügend inklusive Ausbildungsstrukturen, barrierefreie Arbeitsplätze sowie Unterstützungs- und Regulierungsmechanismen für Unternehmen. Die Zahl der Arbeitslosen mit Behinderung ist immer noch deutlich höher als die der Arbeitslosen ohne Behinderung. Stifterinnen und Stifter können Abhilfe schaffen, indem sie inklusive Arbeitsmodelle fördern.

Chancen identifizieren durch Perspektivwechsel

Beim Wohnen, in der Schule oder bei der täglichen Arbeit nicht behindert zu sein, sondern behindert zu werden – diesen Perspektivwechsel hat sehr früh Eva Madelung vorgenommen: Als die Polioepidemie in den 1950er Jahren Kinder über viele Monate in einem Münchner Krankenhaus festhielt, förderte und unterrichtete die Tochter Robert Boschs diese Kinder. In der Folge wurde ein Gemeinschaftshaus gebaut, in dem die Kinder mit ihren Eltern und Geschwistern wohnen und wieder möglichst normal leben konnten. Eva Madelung tätigte mit diesem Projekt ihre erste große Zustiftung, die bis heute wirkt: als Stiftung Pfennigparade. Die Idee eines möglichst selbstbestimmten Lebens ist unter diesem Stiftungsdach inzwischen in vielen Lebensbereichen real.

Überzeugung in Handeln übersetzen – Stiften für Inklusion

Inklusion und Diversität helfen, Vorurteile abzubauen und tragen zu einer gerechteren Gesellschaft bei: gemeinsames Lernen, Arbeiten und Leben von Menschen mit und ohne Behinderung. Die Vision von einer Gesellschaft, in der Menschen mit und ohne Behinderung unkompliziert zusammenleben, entscheidet sich auch am persönlichen Engagement: Jede Einzelne und jeder Einzelne wirkt mit, erzielt einen persönlichen Gewinn, kann sich weiterentwickeln und wirkt damit auf gesellschaftlicher Ebene zukunftsweisend.

Dr. Jochen Walter (links) und Ernst-Albrecht von Moreau
Vorstände der Stiftung Pfennigparade
info@pfennigparade.de

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