Das Gutachten der Stiftungsrechtlerin Prof. Birgit Weitemeyer stützt das Vorhaben der Landespolitik, die Stiftung Klima- und Umweltschutz MV aufzulösen – und widerspricht damit einem Gutachten von Prof. Katharina Uffmann.

Die Stiftung Klima- und Umweltschutz MV ist aufzulösen: Zu diesem Schluss kommt ein Gutachten der Hamburger Rechtwissenschaftlerin Prof. Dr. Birgit Weitemeyer, das die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern am 4. Mai 2022 dem Landtag übergeben hat. „Ich bin froh, dass das Gutachten von Frau Professorin Weitemeyer jetzt vorliegt”, so Ministerpräsidentin Manuela Schwesig. „Das Ziel der Landesregierung ist ganz klar, dass die Stiftung aufgelöst wird. Die Wege zur Auflösung sind nun ebenfalls klar und durch das Gutachten abgesichert. Die Stiftung kann nach dem russischen Angriff auf die Ukraine ihre ursprünglichen Ziele nicht mehr mit der notwendigen Akzeptanz erreichen. Es ist schon damals vereinbart worden, dass der Geschäftsbetrieb der Stiftung aufgelöst wird. Die Stiftung muss jetzt auch darlegen, wie genau der Geschäftsbetrieb die Fertigstellung der Ostseepipeline unterstützt hat.“ Die Stiftung hatte ebenfalls ein Gutachten vorgelegt. Das von der Bochumer Professorin Katharina Uffmann erstellte Papier stützte die Sichtweise von Vorstand Erwin Sellering, dass die Stiftung ihre Arbeit fortsetzen solle. Eine Auflösung stehe weder mit der Satzung noch mit dem Gesetz in Einklang.

„Tatsächlich und rechtlich unmöglich“

Weitemeyer hingegen sieht den Stiftungsvorstand satzungsgemäß dazu verpflichtet, die Auflösung der Stiftung zu beschließen, da die Erfüllung der Stiftungszwecke rechtlich und tatsächlich unmöglich geworden seien und sich die Verhältnisse gegenüber der Errichtung wesentlich geändert hätten. Mit Blick auf die tatsächliche Unmöglichkeit sei durch den Abschluss des Baus der Pipeline Nord Stream 2 die endgültige Zweckverwirklichung eingetreten – und damit der zeitweilige Nebenzweck des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs entfallen. Die in der Satzung vorgesehene Absicherung des Betriebs sei wiederum aufgrund der Sanktionen rechtlich unmöglich geworden. Tatsächlich unmöglich ist für Weitemeyer auch die Erfüllung der namengebenden Zwecke Klima- und Umweltschutz: Die laut Präambel angestrebte Breitenwirkung hinsichtlich der Akzeptanz der Bevölkerung für den Ausbau erneuerbarer Energien durch Russlands Krieg gegen die Ukraine sei nicht mehr erreichbar. „Damit ist die Erfüllung aller Stiftungszwecke unmöglich geworden.“ Das Landesbildungsministerium hatte Schulen in Mecklenburg-Vorpommern unlängst verboten, mit der Stiftung zu kooperieren.

Eine zumindest vorübergehende Unmöglichkeit ergibt sich laut Gutachten hinsichtlich der Unsicherheit über jene 20 Millionen Euro, die die Gazprom-Tochter Nord Stream 2 AG der Stiftung als Zuwendung in das sonstige Vermögen zukommen ließ. Sie könnten nach der Insolvenz der AG zurückgezahlt werden müssen. Auch ob eine Schenkungssteuer zu zahlen ist, ist noch unklar. Vor diesem Hintergrund müssten Rücklagen gebildet werden, so Weitemeyer, die Gelder dürften nicht für die Stiftungsarbeit verwendet werden. „Die Stiftung hat ihre Tätigkeit einzustellen, soweit diese zu finanziellen Ausgaben führt.“

Zusätzlich zum – und unabhängig vom – Argument, dass die Zwecke insgesamt nicht mehr verwirklichbar sind, verweist Weitemeyer auf die Sanktionen, die weltweit und auch durch Deutschland gegen Russland verhängt worden sind. Sowohl die Energieversorgung durch Nord Stream 2 als auch die Absicherung von Ökostrom sei hinfällig. „Angesichts dieser Umstände erscheint die weitere Erfüllung etwaiger noch verbleibender Stiftungszwecke zu Klima- und Umweltschutz sinnlos.“

Auch Aufhebung zulässig

Sollte der Vorstand die Auflösung wegen Unmöglichkeit der Erfüllung der Stiftungszwecke nicht beschließen, sei auch eine behördliche Aufhebung der Stiftung auf der Grundlage des § 87 BGB zulässig. „Die weitere Stiftungstätigkeit würde gegen das gemeine Wohl verstoßen, da die Stiftung maßgeblich letztlich durch den russischen Staat finanziert wird und zur Umgehung der US-Sanktionen gegen den Pipelinebau diente.“ In Gefahr seien „die Einhaltung von Sanktionen gegenüber Russland, das Unterlaufen der westlichen Ächtung des Aggressors und damit auch das Ansehen und die Funktionsfähigkeit des Landes, dem die Stiftungstätigkeit immer noch zugerechnet wird“.

Landesinnenminister Christian Pegel, der maßgeblich mit der Errichtung der Stiftung betraut war, zeigte sich zuversichtlich. „Mit diesem Gutachten liegt uns die Expertise einer hochanerkannten Stiftungsexpertin vor, auf die wir unser weiteres Handeln sicher stützen können“, so Pegel, dessen Haus das Papier in Auftrag gegeben hatte. Stiftungsvorstand Erwin Sellering, der sich einer Auflösung bislang entgegenstellte, kündigte gegenüber dem NDR an, das Gutachten zu prüfen: „Der ehrenamtlich tätige Vorstand hat in seiner gestrigen Sitzung beschlossen, die rechtliche Einordnung des Gutachtens und die Schlussfolgerungen daraus zum Gegenstand der nächsten Videoschalte am 10. Mai 2022 zu machen.“ Danach seien bereits Gespräche mit der Landesregierung verabredet, darüber „ob es ein einvernehmliches Vorgehen geben kann“.

Gutachten von Prof. Katharina Uffmann

Gutachten von Prof. Birgit Weitemeyer

 

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