Die Social-Media-App Castl tritt an, das Fundraising zu revolutionieren. Mit der Möglichkeit, „Likes“ in Geldspenden für gemeinnützige Projekte umzurechnen, zielen die Entwickler vor allem auf junge – und somit neue – Spendergruppen. Lohnt es sich für Stiftungen, das Experiment mitzugehen?

Längst läuft Fundraising nicht mehr ausschließlich über junge Menschen, die mit Anmeldebögen in Einkaufszonen stehen. Über Plattformen und Apps werben Stiftungen, Vereine und andere gemeinnützige Organisationen auch im digitalen Raum Spender an, informieren über ihre Arbeit und vernetzen sich mit Interessierten.

Trotzdem fand Marnus Flatz es öde, nach Organisationen und Projekten zu suchen, die er finanziell unterstützen wollte. „Spenden muss Spaß machen und darf nicht aufwendig sein. Sonst machen es zu wenige Leute“, erklärt der Musiker, der zum Start-up-Gründer wurde. Um Spenden hip zu gestalten, entwarf er gemeinsam mit befreundeten Software-Programmierern die Social-Media-App Castl. Mit ihr will er vor allem Jüngere dafür begeistern, gemeinnützige Projekte finanziell zu unterstützen. Derzeit läuft die App in einer Testphase mit über 100.000 aktiven Nutzern in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Aktivität auf Castl unterstützt gemeinnützige Projekte

Castl funktioniert ähnlich wie viele andere Social-Media-Apps à la Instagram und Tik-Tok: Nutzer veröffentlichen Fotos und Videos, die andere Nutzer sehen und bewerten können. Für jedes „Like“ in der Castl-App bekommt derjenige, der das Foto veröffentlicht hat, Sterne. Besonders viele Sterne erhält, wer einen Wettbewerb gewinnt – eine sogenannte Challenge –, zu der Nutzer einander auffordern. Etwa: „Wer schafft es, eine Seifenblase am längsten am Leben zu erhalten, bevor sie platzt“ oder „Zeigt mir eure selbst genähten Stücke“. Durch das Hochladen eines Videos beziehungsweise Fotos nimmt man an der Challenge teil. Wer die meisten Sterne von anderen Nutzern bekommt, gewinnt den Wettbewerb.

Ab einer bestimmten Menge von Sternen können Nutzer damit Sachpreise kaufen, die Unternehmen Castl zur Verfügung gestellt haben, darunter Elektronikartikel, Sport-Accessoires, Bastelutensilien und Stofftaschen mit Castl-Logo.

Alternativ können Nutzer ihre Sterne einer gemeinnützigen Organisation spenden, die ebenfalls mit einem Profil auf Castl vertreten ist. Auch von den Sternen, die Nutzer bei einer Challenge gewinnen, leitet die App automatisch die Hälfte an ein gemeinnütziges Projekt weiter, das der Nutzer sich aussucht. In einer Übersicht können sie die Profile der einzelnen Organisationen einsehen, über deren Arbeit lesen und durch eine persönliche Nachricht in Kontakt treten.

Woher kommt das Geld?

Die registrierten Organisationen können die gespendeten Sterne anschließend in reales Geld umrechnen lassen – Wechselkurs: 400 Sterne = 1 Euro. Castl überweist das Geld direkt auf das angegebene Konto. Seit die Testversion der App im Juni 2020 live ging, flossen auf diesem Wege etwa 7.500 Euro in gemeinnützige Projekte.

„Wenn es einmal richtig läuft, wollen wir uns über Werbeeinnahmen und Premiumabos finanzieren“, erklärt Gründer Flatz, dessen zehn Mitarbeiter mehrheitlich ehrenamtlich arbeiten. Aktuell ist er auf der Suche nach Investoren, die sein Start-up aus der Testphase heben. Um viele Miteigentümer ins Boot holen zu können, hat er das Unternehmen extra in der Schweiz als AG gegründet. Wenn die Finanzierung sichergestellt ist, will er Castl international ausrollen und mehr Marketing betreiben. „Im Moment werben Nutzer ihre Freunde, oder jemand findet uns durch Zufall im App-Store“, erklärt er. „Dass darüber schon 100.000 Nutzer dazugestoßen sind, ist toll! Aber wir wollen natürlich viel, viel mehr.“

Verhaltenes Interesse von Stiftungen und Vereinen

Das Prinzip von Castl klingt komplex und ist völlig neu für den NGO- und Stiftungssektor. „Wir haben daher einige Absagen bekommen, als wir im Gründungsprozess Organisationen an- und zum Mitmachen aufgerufen haben“, berichtet Flatz. Greenpeace und der WWF etwa glaubten nicht an den Erfolg der Idee, andere jedoch ließen sich auf das Experiment ein. Träger der 70 derzeit registrierten gemeinnützigen Projekte bei Castl sind große Organisationen wie Ärzte der Welt und die Kindernothilfe Österreich, aber auch kleine Vereine wie der Wissenschaf(f)t Spass Förderverein für Bildung und Innovation im Rheinland e.V. sowie der Ute-Bock-Verein, ein Wohn- und Integrationsprojekt.

Zweimal im Jahr fügt Castl neue gemeinnützige Organisationen der App-internen Übersicht hinzu. Da der Programmieraufwand recht hoch sei und das Team sehr klein, gebe es diese festen Termine im April und Oktober, erklärt Marnus Flatz. Voraussetzung für die Aufnahme einer Organisation ist, dass sie über ein gängiges Spendengütesiegel verfügt. Die Erstellung eines Profils ist für gemeinnützige Organisationen kostenlos, auch Transaktionskosten fallen keine an. Über ihr Profil in der App können Organisationen sehen, welche Nutzer ihnen wie viele Sterne gespendet haben. Jedoch können sie Spender nur innerhalb der App kontaktieren, es gibt keine Weitergabe anderer Kontaktdaten.

Suche nach Investoren

Flatz’ Vorstellung ist, dass Organisationen bald ganze Kampagnen über seine App organisieren und die Castl-Gemeinschaft komplette Projekte durchfinanziert. Im jetzigen Stadium ist es ein geringer Mittelzufluss für die registrierten NGOs, aber im Gegenzug für wenig Arbeit. „Mehr Aufmerksamkeit, Sterne und Geld könnten Organisationen schon jetzt erwirken, wenn sie aktiv am Geschehen in der App teilnähmen. Also wenn sie selbst mal einen Wettbewerb starten oder Fotos aus ihren Projekten veröffentlichen“, rät der Gründer.

Finanziellen Erfolg hat die Teilnahme an der Castl-Revolution daher wohl hauptsächlich für diejenigen Stiftungen, Vereine und NGOs, deren Mitarbeiter selbst Spaß am Experimentieren in Social Media haben. Ist das der Fall, sollten sich Organisationen noch während der Testphase registrieren. Denn in der Übersicht der NGOs, die Nutzer als Empfänger ihrer Sterne auswählen können, steht diejenige Organisation ganz oben, die seit ihrer Registrierung die meisten Sterne erhalten hat. Je früher eine Organisation anfängt zu sammeln, desto höher die Sichtbarkeit bei potentiellen Spendern.

 

Info

Social-Media-App Castl
2020 gegründet und testweise in Betrieb mit über 100.000 Nutzern
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