Andrea Sewing löst Claus Fitschen im Vorstand der Pestalozzi-Stiftung ab. Sie ist in der 175-jährigen Geschichte der Institution die erste Frau in dieser Position. Gemeinsam mit Sebastian Bernschein bildet sie eine Doppelspitze.

Sozialpsychologin Andrea Sewing hat Mitte Juli das Amt als Vorständin der Pestalozzi-Stiftung angetreten. Der Aufsichts- und Verwaltungsrat hatte die Entscheidung getroffen, die mit zwei Traditionen der Stiftung bricht: Der Vorstand war in den vergangenen 175 Jahren stets mit Männern besetzt, die zudem in der Funktion eines Pastors tätig waren. Sewing folgt auf Claus Fitschen und formt von nun an eine gleichberechtigte Doppelspitze mit Co-Vorstand Sebastian Bernschein.

Missbrauchsvorwürfe gegen Stiftung

Fitschen hatte sein Beschäftigungsverhältnis im März unerwartet ein Dreivierteljahr vor dem vereinbarten Zeitpunkt beendet. Er verneinte einen Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen den damaligen Vorstand Hans-Georg Badenhop wegen Kindesmissbrauchs sowieso Kritik an dem Vorgehen der Kürzung des Gehaltes von behinderten Beschäftigten in der Corona-Pandemie. Da die Einnahmen in der Krise sanken, sollten dies auch die Gehälter der Mitarbeiter tun, was für Empörung sorgte. Das Vorhaben wurde mittlerweile jedoch gekippt. Sein Führungsstil stünde dem Wandel im Wege, begründete er seinen Schritt in einer Stellungnahme der Stiftung.

Wiederholte Anschuldigungen

Der 1989 verstorbene Hans-Georg Badenhop hatte die Stiftung von 1960 bis 1984 geleitet. Vor zwei Jahren erhob ein heute 59 Jahre alter Mann den Vorwurf, dass Badenhop sich Anfang der 1970er Jahre an ihm vergangen habe, als er elf Jahr alt war. Er lebte von 1970 bis 1973 im Kinderheim der Stiftung. Besondere Empörung hatte bei ihm die Benennung einer Straße nach seinem Peiniger ausgelöst. Die unabhängige Kommission der hannoverschen Landeskirche für Opfer sexualisierter Gewalt befand die Schilderungen des Mannes für glaubhaft.

Langjährige Erfahrung

Mit Sewing hofft die Stiftung nun, eine adäquate Besetzung der Stelle vorgenommen zu haben. Seit ihrem Magisterabschluss an der Universität Hannover hat die 51-jährige beruflich mit behinderten Menschen zu tun. Als sie vor zwei Jahren ihre Arbeit in der Stiftung aufnahm, war sie verantwortlich für den Bereich „Teilhabeangebote für Menschen mit Behinderung“ und betreute die Werkstatt, die Wohnangebote und den Pflegedienst. In der Corona-Pandemie organisierte und koordiniert sie Hygienekonzepte und Tests im Rahmen der Angebote, bei denen Menschen zwangsweise eng zusammenarbeiten.

Über die Pestalozzi-Stiftung

Die Stiftung mit Sitz in Großburgwedel widmet sich im Arbeitsschwerpunkt der Kinder- und Jugendhilfe, der Behindertenhilfe sowie der Schulträgerschaft. 1846 sahen einiger Bürger von Hannover in dem hundertsten Geburtstag des Schweizer Pädagogen Johann Heinrich Pestalozzi (1746–1827) einen Anlass, die Stiftung zu gründen und sein Gedankengut im Zweck zu verankern. Die Pestalozzi-Stiftung beschäftigt insgesamt rund 470 Angestellte, davon rund 200 Menschen mit Behinderung. Neben der Gemeinde Großburgwedel stammen die Mitarbeiter aus den anliegenden Orten Isernhagen, Celle, Walsrode und Hannover.

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