Im Jahr 1997 wurde die Brücke/Most-Stiftung mit dem Ziel gegründet, die Zusammenarbeit und Verständigung mit der Tschechischen Republik und anderen ostmitteleuropäischen Staaten zu fördern. Hierzu gehörten zum Beispiel Begegnungstage zwischen deutschen und tschechischen Schülern in Dresden. Doch damit ist inzwischen Schluss. „Die Zinsen sind so weit gesunken, dass letztendlich nur noch die Verwaltungs- und Betriebskosten gedeckt werden können“, sagte der inzwischen ausgeschiedene Geschäftsführer Peter Baumann im Februar gegenüber DIE STIFTUNG. Am 31.12.2017 wurden, wie berichtet, bereits fast alle operativen Projekte eingestellt und das Projektpersonal entlassen. Die stiftungseigene Villa im Dresdner Stadtteil Blasewitz wird nicht mehr als Seminar- und Tagungsstätte fungieren.
Ein Höhepunkt der Stiftungsarbeit waren die tschechisch-deutschen Kulturtage, die im vergangenen Jahr mehr als 10.000 Besucher in die Elbmetropole führten. 2018 wird die Veranstaltung nicht mehr durch die Brücke/Most-Stiftung organisiert, sondern durch die Euroregion Elbe/Labe. Die umfangreichen Begegnungsprojekte wurden fast alle zusammengeschrumpft. Lediglich ein Stipendienprogramm für tschechische und slowakische Studierende in Dresden ist erhalten geblieben.
Niedrigzinsen machen deutschen Stiftungsmanagern Sorgen
Die Brücke/Most-Stiftung ist kein Einzelfall. Laut einer Studie des Bundesverbandes der deutschen Stiftungen vom Mai 2017 glaubten nur rund zwei Drittel der Befragten, 2017 mit der Rendite ihrer Vermögensanlage über der Jahresinflationsrate zu liegen. Diese wurde zum Zeitpunkt der Befragung auf 1,5 Prozent prognostiziert. 2015 und 2016 waren es noch 80 Prozent, die sich sicher waren, mit ihren Einnahmen die Jahresinflationsrate zu übertreffen. Die niedrigen Zinsen sind auch ein Grund dafür, dass sich Immobilienanlagen größter Beliebtheit erfreuen. Im aktuellen Stiftungsbarometer gaben 58,2 Prozent der befragten Stiftungen an, Vermögen in Immobilien, Immobilienfonds und ETFs angelegt zu haben. 12,8 Prozent wollen zukünftig in diesem Sektor investieren.
Kein Blumentopf zu gewinnen?
Thomas Kohrs, Leiter des Kompetenzzentrums Wertpapieranlage und Vorsorge an der Frankfurt School of Finance and Management, beschreibt die Situation. Auch 2018 sei es bisher nicht absehbar, dass die Zinsen nachhaltig steigen. Kohrs rät zu Besonnenheit: „Die alleinseligmachende Anlageform gibt es nicht.“ Angesichts der steigenden Aktienmärkte im vergangenen Jahr und boomender Immobilienpreise sei es sehr schwierig, hier einen Ratschlag zu geben. Eine Generalempfehlung, jetzt in den Immobilienmarkt einzusteigen, gebe es nicht. Er sieht vor allem kleine Stiftungen mit einem Kapital zwischen 100.000 und 300.000 Euro in der Bredouille. „In Zeiten von 0,1 Prozent Zinsen ist überhaupt kein Blumentopf mehr zu gewinnen.“ Dieser Umstand ist für Stiftungen wie Brücke/Most verheerend. Sie gehört dabei nicht etwa zu den kleinen Stiftungen in Deutschland, sondern verfügt über einen Grundstock von etwa sieben Millionen Euro. Vor dem Hintergrund der Zinsentwicklung verringerte sich der Ertrag von 240.000 Euro im Jahr 2004 auf zuletzt 90.000 Euro. Die Gründe lagen laut Baumann nicht etwa in einer schlechten Vermögensverwaltung oder einer risikolosen Anlagestrategie. „Bei der jetzigen Zinslage kann man solide zwei Prozent erwirtschaften, bei Immobilien etwas mehr. Aber den gestiegenen Grundkosten für die Vermögensverwaltung bei Kapital und Immobilien stehen nun keine ausreichenden Erträge mehr gegenüber, die die Eigenanteile für die Projektarbeit ermöglichen würden“, so Baumann.
Info
Die VerbrauchsstiftungIm Gegensatz zur Stiftung auf Ewigkeit ist die Verbrauchsstiftung in ihrer Lebensdauer beschränkt. Das heißt, dass der Grundstock zur Erfüllung des Stiftungszwecks verbraucht werden soll. Dies eignet sich besonders, wenn der Stiftungszweck zeitlich begrenzt ist oder durch Erfüllung obsolet wird. Verbrauchsstiftungen müssen aber für mindestens zehn Jahre bestehen, und der Zeitpunkt der Auflösung muss bestimmbar sein. Eine nachträgliche Umwandlung einer Stiftung auf Ewigkeit in eine Verbrauchsstiftung ist bislang grundsätzlich nur möglich, wenn diese Option in der Satzung festgehalten ist. Die Verbrauchsstiftung ist rechtlich der Stiftung auf Ewigkeit gleichgestellt. Es sind jedoch landesspezifische Besonderheiten zu beachten. In Bayern ist das Stiftungsvermögen „dauernd und nachhaltig“ zu erhalten, so dass eine Verbrauchsstiftung hier nicht umsetzbar ist.
Finanzexperte Kohrs erklärt, dass für Stiftungen in der aktuellen Situation vier Möglichkeiten blieben: mehr Spenden generieren, kooperieren, Umwandlung in eine Verbrauchsstiftung oder, als Ultima Ratio, die Fusion. Die Zusammenlegung von Stiftungen mit ähnlichem Zweck spare Verwaltungskosten und könne das Überleben der Projekte sichern.
Ausweg Fusion?
So eine Zweckheirat zur Sicherung der Projekte sind auch die Stiftung „Soziale Hilfe für Spitzensportler“ und die Stiftung „Olympia Nachwuchs Baden-Württemberg“ eingegangen. Beide Stiftungen fördern Nachwuchsathleten in verschiedenen Sportarten. Durch die Fusion habe man Kräfte bündeln können, wodurch mehr Kapazitäten freigeworden seien, um die Sportler zu unterstützen, so die Stiftung Olympia Nachwuchs. Zuvor war die Lage prekär. Während 2006 noch 73 Athleten gefördert werden konnten, sank die Zahl bis 2015 um mehr als die Hälfte auf 34. Die durchschnittliche Förderrate sank seit 2011 kontinuierlich auf 52 Euro pro Monat. Nach der Zusammenlegung steigt die Zahl der unterstützten Sportler nun wieder. Alle Geförderten aus der Stiftung Soziale Hilfe seien übernommen worden und würden weiterhin unterstützt. Derzeit erhielten jährlich etwa 50 Athleten finanzielle Förderung. Die monatliche Förderrate ist nun erstmals seit 2013 wieder gestiegen. Im Schnitt zahlte die Stiftung Olympia Nachwuchs 2016 pro Sportler ca. 68 Euro pro Monat aus. 2017 sind jüngsten Zahlen des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen zufolge 75 Stiftungen aufgelöst, anderen Stiftungen zugelegt oder mit anderen Stiftungen zusammengelegt worden.
Ob eine Stiftung nun ihre operative Arbeit auf absehbare Zeit zusammenschrumpft oder mit einer weiteren fusioniert, ist grundsätzlich eine Einzelfallentscheidung. Die Verantwortlichen sollten jedoch bei Gründung einer Stiftung die Option der Umwandlung in eine Verbrauchsstiftung offen halten. Dies sorgt in einer anhaltenden Niedrigzinsphase für mehr Flexibilität. Außerdem kann so verhindert werden, dass der Grundstock im Falle eines strukturellen Wandels als wirkungslose Vermögensmasse verwaltet wird. In der Brücke/Most-Villa halten nun erst mal Handwerker Einzug. In dem stattlichen Gebäude werden Mietwohnungen eingezogen, damit eine stabile Einnahmequelle entsteht. Dennoch befindet sich die Stiftung zunächst im Winterschlaf, bis die Zinsen wieder steigen oder eine Großspende generiert werden kann.
Dieser Beitrag erschien in DIE STIFTUNG 2/2018.