Der Bundestag muss eine gesetzliche Regelung zur Finanzierung parteinaher Stiftungen finden. Das ist die zentrale Botschaft der Urteils des Bundesverfassungsgerichts „in Sachen Desiderius-Erasmus-Stiftung“. Die AfD hatte dagegen geklagt, dass die Stiftung – der Rechtsform nach, wie die meisten parteinahen Stiftungen, ein Verein – keine Fördermittel des Bundes erhält. Sie hatte sie 2018 als parteinahe Stiftung anerkannt.
Regelung ohne Gesetz
Bislang beruht die Finanzierungsregelung auf dem Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juli 1986 sowie auf der „Gemeinsamen Erklärung zur staatlichen Finanzierung der politischen Stiftungen“ vom 6. November 1998. Darin formulieren die Parteien, dass eine „wiederholte Vertretung“, davon mindestens einmal in Fraktionsstärke, im Bundestag ein „geeigneter Anhaltspunkt für die Dauerhaftigkeit der ins Gewicht fallenden Grundströmung in der Bundesrepublik“ sein dürfte – die zur Förderung der Stiftung führt.
Was im Konsens der vor dem AfD-Einzug 2017 im Bundestag vertretenen Parteien funktionierte, stößt an seine Grenzen, nachdem die Desiderius-Erasmus-Stiftung nach dem Willen der anderen Parteien keine Förderung erhalten soll. „Eingriffe in das Recht auf Chancengleichheit der politischen Parteien bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, wenn sich die Legitimation zum staatlichen Handeln nicht schon unmittelbar aus der Verfassung ergibt“, so die Karlsruher Richter. Sie betonen, dass der Erhalt eines Haushaltsgesetzes nicht genügt, wenn die „chancengleiche Teilnahme der Parteien am politischen Wettbewerb“ betroffen ist.
Noch keine Klärung
Eine Finanzierung der Desiderius-Erasmus-Stiftung ergibt sich aus dem Urteil jedoch nicht. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hatte sich ausschließlich mit der Klage gegen das Haushaltsgesetz 2019 beschäftigt. Andere Anträge waren aus Sicht des Zweiten Senats unzulässig oder – wie im Fall der Klage gegen die Haushaltsgesetze 2020 und 2021 – nicht fristgerecht eingereicht worden. Die Klage zum Haushaltsgesetz 2022 trennten die Richter von diesem Verfahren ab.
Im Jahr 2019 war die AfD in ihrer ersten Legislaturperiode im Bundestag vertreten – die Desiderius-Erasmus-Stiftung würde nach der bislang geltenden Regelung über dauerhafte, ins Gewicht fallende politische Grundströmungen also noch keine Förderung erhalten. Diese Regelung sieht das Verfassungsgericht grundsätzlich als unbedenklich an. Eine entsprechende gesetzliche Regelung vorausgesetzt, könnte die Stiftung für 2019 weiterhin keine Fördermittel erhalten, ebenso für die Jahre 2020 und 2021 – auch wenn sie in einer Pressemitteilung erklärt, dass nun die Möglichkeit bestehe, „staatliche Förderung rückwirkend für sich in Anspruch zu nehmen“.
Wendepunkt 2022
Anders jedoch ab 2022. In diesem Jahr trifft zum ersten Mal der Grundströmungspassus auf die Desiderius-Erasmus-Stiftung zu. Vor diesem Hintergrund hatte der Bundestag einen Vermerk in den Haushaltsplan aufgenommen, nachdem die sogenannten Globalzuschüsse zur gesellschaftspolitischen und demokratischen Bildungsarbeit nur politische Stiftungen erhalten, „die nach ihrer Satzung und ihrer gesamten Tätigkeit jederzeit die Gewähr bieten, dass sie sich zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten“. Eine solche Regelung müsste der Bundestag nun in ein Gesetz gießen, das vor dem Verfassungsgericht Bestand hat, will er weiterhin eine Förderung der Desiderius-Erasmus-Stiftung verhindern.
Konzept in der Kritik
Das Konzept der Finanzierung parteinaher Stiftung war bereits mehrfach in der Kritik, wurde etwa als verdeckte Parteienfinanzierung kritisiert. Das Gesamtbudget der parteinahen Stiftungen lag 2019 laut Otto-Brenner-Stiftung bei 699,8 Millionen Euro. Es setzt sich laut Bundesverfassungsgericht aus den Globalzuschüssen von damals rund 130 Millionen sowie „insbesondere Mitteln für die Studienförderung sowie für die internationale Arbeit der Stiftungen“ zusammen.
Die Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ sieht im Urteil „eine Chance für die Demokratie und für die anstehende Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts“. Ein eigenes Gesetz für die parteinahen Stiftungen (mit Ausnahme der Friedrich-Naumann-Stiftung der Rechtsform nach Vereine) würde aus ihrer Sicht deutlich machen, „dass diese Organisationen und gemeinnützige Organisationen weder gleich noch ähnlich sind“, so Vorstand Stefan Diefenbach-Trommer in einer Pressemitteilung. „Tatsächlich sind diese parteinahen Vereine als gemeinnützig anerkannt, unter anderem, damit Spenden steuerbegünstigt und Erbschaften steuerfrei sind. Doch gemeinnützige Vereine haben keine Parteiennähe. Sie sind themenorientiert. Sie haben durch den Status der Gemeinnützigkeit noch lange nicht Anspruch auf staatliche Fördermittel.“
Mit dem Attac-Urteil von 2019 sei der gemeinnützige Zweck der politischen Bildung massiv beschränkt worden, „mit einem Fehlblick darauf, gemeinnützige Vereine von Parteien abzugrenzen“. Wenn nun das Recht der tatsächlich parteinahen Vereine separat geregelt werde, „entstehen im Recht der Gemeinnützigkeit neue Freiräume“ – auch dafür, die Grenze zu Parteien, Wählergemeinschaften und auch Einzelkandidaten klarer zu regeln.