Man hätte sie gerne gehalten, hat intensive Gespräche geführt. Doch Kirsten Hommelhoff wird den Bundesverband mit dem Auslauf ihres Dreijahresvertrags verlassen. Sie habe „unter Abwägung der Umstände“ nicht verlängert, ist zu hören. Der Verband scheint Glück im Unglück zu haben: Friederike von Bünau, seit 2020 Vorstandsvorsitzende, übernimmt. Hommelhoff wechselt zum Bundesverband Druck und Medien.
Die Umstände von Hommelhoffs Antritt waren schwierig. Sie kam in einer unruhigen Phase ans Ruder. Der Kurs von Vorgänger Felix Oldenburg war auf Widerstand gestoßen – er verließ den Verband nach vier Jahren im Amt im März 2020. Der 46-jährige Start-up-Unternehmer widmet sich aktuell wieder seinem Herzensanliegen: Disruption durch neue, digitale Formate.
„Es hätte eine Krise werden können für den Verband. Diese Gefahr ist nun beseitigt.“
Ein Insider über die Nachfolgelösung
Hommelhoff sollte für Beruhigung im Verband sorgen, aber auch Aufbruch signalisieren. Von der Stiftung Mercator kommend, war die Juristin die erste Frau an der Spitze des Bundesverbands, symbolisierte einen Wandel im Sektor, aber ohne Radikalität. Warum Hommelhoff den 4.800 Mitglieder zählenden Verband verlässt, ist nicht bekannt. Dass sie Probleme erwarten würden, wusste sie – aber das Ausmaß, sagen Beobachter verständnisvoll, war von außen kaum einsehbar. Sie traf auf einen Verband mit organisatorischen, personellen und nicht zuletzt finanziellen Baustellen. Dazu kam die Pandemie. In einem Zitat in der Pressemitteilung zu ihrem Rückzug klingt die Belastung an: „In der Zeit meiner Geschäftsführung war es nicht nur erforderlich, eine neue Strategie zu entwickeln, sondern auch, den Verband auf allen Ebenen zu konsolidieren und eine transparente und klare Organisationsstruktur zu schaffen, damit sich der Verband wieder auf seine Kernaufgaben fokussieren kann.“
Dass ihr Weggang ein Verlust ist, scheint Konsens in Sektor und Verbandsumfeld – auch bei Personen, die die Dachorganisation eher kritisch beäugen. Als integrativ, klar und verbindlich wird sie beschrieben, auch bei unpopulären Entscheidungen. An denen mangelte es nicht. So verkleinerte Hommelhoff 2021 etwa die Geschäftsstelle in Berlin um zehn Prozent. Das Jahr war laut Bundesverband das erste mit ausgeglichenem Haushalt seit 2017. Ihr finanzielles Opus magnum ist jedoch die eingeleitete, aber nicht unumstrittene erste Erhöhung der Mitgliedsbeiträge in zwei Jahrzehnten. „Sie hatte den Mut, das anzugehen“, sagt ein Insider.
Kritik an Gebührenbeschluss
Transparenter und fairer soll es werden. Doch nicht alle sind mit dem Beschluss der Mitgliederversammlung glücklich. Zeitweise steht nicht nur bei Hommelhoff das Telefon nicht mehr still. Da gibt es etwa den Einwand, dass man die bestehenden Regelungen doch erst einmal hätte umsetzen sollen, statt das System zu verändern und den Mindestbeitrag zu erhöhen. Tatsächlich hat der Bundesverband die Datenbasis offenbar unterschätzt: Bis dato zahlen nicht alle Mitglieder das, was die Regelungen vorsehen. Beiträge hingen bislang auch am Verhandlungsgeschick, sodass auch finanziell potente Stiftungen mitunter weit unter ihrem vorgesehenen Anteil blieben. Der Rest floss in solchen Fällen zum Teil über Sponsoringleistungen. Der Wechsel von der prestigeträchtigen, freiwilligen Unterstützung zur schnöden Abbuchung weckt bei Betroffenen nicht immer Begeisterung.
Die bisherige Lage erklärt sich historisch: Als in der Wachstumsphase der früheren 2000er Jahre Stiftung um Stiftung gegründet wurde, war die Höhe der Mitgliedsbeiträge weniger wichtig als die damit wachsende Schlagkraft. Inzwischen sind die Boomjahre vorbei, der Sektor ist im Wandel. Das Thema polarisiert. Es fallen angeblich vereinzelte Austrittsdrohungen, von deren Umsetzung allerdings bislang nichts bekannt ist.
Die Erhöhung umzusetzen und dabei tatsächliche Härtefälle zu berücksichtigen, „die Fliehkräfte zusammenzuhalten“, wird den Verband im Allgemeinen und Kirsten Hommelhoff im Speziellen die kommenden Monate beschäftigen. Der Wille, den Mitgliederbeschluss, wenn auch vielleicht mit Anpassungen, durchzuziehen, ist da – nolens volens: Nicht nur Hommelhoff sah keine andere Möglichkeit. Wie ernst der Verband die Lage nimmt, zeigt auch der geplante Stiftungstag im Jubiläumsjahr. Die Kosten für Veranstaltungen sind durch die Pandemiefolgen dramatisch gestiegen, die Reaktion des Verbands ist eine deutliche Verkleinerung der Veranstaltung, die die Geschäftsstelle stemmt.
Die Debatte über die Mitgliederbeiträge zeigt die Komplexität und die Begrenzung des Postens. Die Generalsekretärin ist das Gesicht nach außen, kommuniziert die Positionen, führt operativ. Sie ist allerdings in ihren Entscheidungen abhängig von den Gremien, die einen bunten Sektor repräsentieren und unterschiedlichste, zum Teil gegenläufige, Perspektiven und Rechtsformen vertreten – innerhalb des Verbands nicht ohne Vehemenz. Auch die Gremienstrukturen und -besetzungen verdienen durchaus das Attribut heterogen. Es sei die ständige Suche nach dem „allerkleinsten gemeinsamen Nenner“, seufzt ein Beobachter. Man wolle niemandem auf die Füße treten. Hommelhoff habe es dabei geschafft, Probleme „charmant zu überspielen“.
Politisch verhalten
Schon mit einem geeinten Sektor Gewicht auf die politische Waage zu bringen, wäre nicht einfach. Das hat etwa die Stiftungsrechtsreform gezeigt, die für den Sektor wichtig, für die große Politik aber ein Randthema war – ganz davon zu schweigen, dass sie auch im Verband nicht immer einheitlich bewertet wurde. Gesellschaftspolitische Positionierung ist unter dem breiten Dach ebenfalls schwierig. Bis heute etwa gibt es keine Stellungnahme des Verbands zur Stiftung Klima- und Umweltschutz MV – obwohl die Verwendung der Rechtsform seit dem schnellen Genehmigungsvorgang und der kreativen Namenswahl zumindest auffällig war. „Die öffentliche Positionierung des Sektors ist quasi ganz raus“, lautet ein Kommentar. Ausnahmen sind eher unkontroverse Fälle wie der kritische Umgang mit der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung.
Auf der Habenseite für den Verband in der jetzigen Stresssituation steht der fliegende Wechsel: Das Verhältnis zwischen Kirsten Hommelhoff und dem Vorstand gilt als gut, auch das zu ihrer Nachfolgerin Friederike von Bünau. Der rettende Übergang vom ehrenamtlichen Vorstand ins Hauptamt der Generalsekretärin weckt bei manchen Assoziationen einer dea ex machina. Ja, sie springt in die Bresche, da ist man sich einig. Auch wenn sie sich nicht selbst vorgeschlagen habe, wie man auch hinter vorgehaltener Hand betont.
Das erspart dem Bundesverband eine Ausschreibung, deren Kosten in einer Zeit der Sparsamkeit nicht viel weniger kritisch gewesen wären als die Unsicherheit in der Frage, wie gut die Nachfolgeregelung diesmal gelingen würde. „Es gibt genügend Leute, die von vornherein sagen, keine zehn Pferde bringen mich dazu, zu einem Verband zu gehen“, sagt ein Beobachter – nach den vergangenen Jahren stehen die Chancen des Bundesverbands naturgemäß nicht besser.
Suboptimale Optik, optimale Lösung
Von Bünau, aktuell hauptberuflich Geschäftsführerin der Kulturstiftung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, muss die Zusammenarbeit mit einem übergeordneten Gremium fortführen, das sie bisher geleitet hat. Neutral wird der Wechsel vom höher gestellten Ehrenamt auf die hauptamtliche operative als „ungewöhnlich“ bezeichnet. Dass die Optik nicht ideal ist, wissen alle Beteiligten. Aber: „Es hätte eine Krise für den Verband werden können.“ Diese Gefahr gilt als beseitigt. Von Bünau sei die „allerbeste“ Nachfolgelösung – auch wenn die Wochen bis zur Übergabe eine Übung in Governance sind. Die Vorsitzende soll schließlich nicht ihren künftigen Spielraum beeinflussen. Auch sie wird sich als Generalsekretärin mit der Ausrichtung des Verbandes beschäftigen. Von zeitweise entglittenen Strukturen ist die Rede, einer großen Baustelle bei der Dienstleistungsorientierung.
Orientierung ist das Leitmotiv – die Frage, was der Verband sein will. Unter Kirsten Hommelhoff ging die Richtung wieder stärker zurück auf die Kernaufgaben, wie sie die Strategie 2025 beschreibt: ein Verband als Interessenvertretung, Vernetzungsschnittstelle und Dienstleister, weniger als Visionär für moderne Philanthropie. Was nicht heißt, dass diese Lesart des Verbandsprofils im Sektor überall Konsens wäre. Auch der aktivistischere Ansatz Oldenburgs hat seine Anhänger. Bis Ende August werden solche Fragen Kirsten Hommelhoff noch hauptberuflich beschäftigen, dann übergibt sie an Friederike von Bünau.