Es sind die wohl heftigsten Veränderungen in der über 55-jährigen Geschichte der Stiftung. Die Robert-Bosch-Stiftung, eine der kapitalstärksten Stiftungen in Deutschland, will sich fortan auf drei anstatt fünf Fördergebiete konzentrieren: Gesundheit, Bildung und Globale Fragen.
Innerhalb dieser drei Förderschwerpunkte sollen künftig zehn anstatt der bisher gesetzten 34 Themen behandelt werden. Die drei neuen Schwerpunkte haben die beiden Geschäftsführer untereinander aufgeteilt: Sandra Breka, seit 2001 für die Robert-Bosch-Stiftung tätig und seit 2017 in der Geschäftsführung, verantwortet das Fördergebiet Globale Fragen. Außerdem ist sie für das Querschnittsthema der strategischen Partnerschaften zuständig – ein Zeichen dafür, wie wichtig Kooperationen in der Strategie der Stiftung sind. Bernhard Straub, der im Juli 2021 von der Robert Bosch GmbH in die Geschäftsführung der Stiftung gewechselt ist – von dem „Maschinenraum“ in den „Olymp“ der unternehmensverbundenen Stiftung, wie er sagt –, ist für Bildung und Gesundheit zuständig.
Die Robert-Bosch-Stiftung verfolgt mit der Neuausrichtung das Ziel, das Stiftungsprofil zu schärfen: „Wir waren vieles für viele“, sagt Breka. „Wir waren für die einen die Filmförderungsstiftung, für die anderen immer noch die Stiftung mit dem Schwerpunkt deutsch-amerikanische Beziehungen, obwohl wir diesen längst beendet hatten.“
Was hätte Robert Bosch gesagt?
Dabei könnten auch die größten deutschen Stiftungen immer nur einen „überschaubaren Beitrag leisten“, um die Probleme der Welt zu lösen. Die Stiftungen müssten sich regelmäßig fragen, was sie angesichts der großen Probleme wie dem Klimawandel oder der sozialen Ungleichheit wirklich beisteuern könnten. Zumal der Stiftungssektor keinen Druck von außen erhalte, die eigene Arbeit in Frage zu stellen, findet Breka: „Denn wo entsteht Dringlichkeit? In Wirtschaftsunternehmen entsteht sie auf dem Markt. In der Philanthropie aus der Relevanz der Themen und der Frage, wie man größtmögliche Wirkung erzielen kann.“ Das Ziel von Wirkung sowie Relevanz des eigenen Stiftungshandelns habe die Geschäftsführung umgetrieben, immer mit Blick auf den ursprünglichen Stifterwillen: „Wir haben uns gefragt: Was hätte Robert Bosch zur Umsetzung seines Vermächtnisses gesagt?“, sagt Breka.
Mit der Reduktion auf drei Fördergebiete und der stärkeren Fokussierung will die Geschäftsführung die Stiftung schlanker aufstellen, und auch öfter mal Nein sagen: „Heute versuchen wir, alles was uns von der strategischen Ausrichtung ablenkt, auszublenden.“
Mit dieser Strategie sieht sich die Geschäftsführung auf Kurs, auch was die Entwicklung der Philanthropie anbelangt. Die internationale Philanthropie habe sich verändert, sei diverser und professioneller geworden. Vor allem die amerikanischen Stiftungen bewegten größere Volumina, arbeiteten anders, kooperierten mehr. Zudem seien die Rahmenbedingungen verändert: Auch Stiftungen agierten in einer Welt, die komplex und uneindeutig ist – die Geschäftsführer sprechen von der „Vuca-Welt“. „Als Wirtschaftsunternehmen können Sie nicht losgelöst vom Markt arbeiten“, sagt Breka. „Das Gleiche gilt auch für Stiftungen und ihr Umfeld.“

Die Geschäftsführer der Robert-Bosch-Stiftung: Sandra Breka und Bernhard Straub. (Foto: Jannis Benezeder)
„Gesundheit, Bildung und dergleichen“
Der Ingenieur, Erfinder und Philanthrop Robert Bosch verfügte 1937 in seinem Testament, dass die Gewinne aus dem von ihm aufgebauten Konzern dem Gemeinwohl zugutekommen sollen. In seinen Richtlinien zur Vermögensverwaltung hatte er festgelegt, dass mit seinem Vermögen „neben der Linderung von allerhand Not vor allem auf die Hebung der sittlichen, gesundheitlichen und geistigen Kräfte des Volkes hinzuwirken“ sei. Gefördert werden solle: „Gesundheit, Erziehung, Bildung, Förderung Begabter, Völkerversöhnung und dergleichen.“
Diese Formulierung hat die Stellung einer Satzung für die Robert-Bosch-Stiftung, die der Rechtsform nach eine GmbH ist. Sie ist zugleich Ausgangspunkt für den aktuellen Strategieprozess. „Wir haben den Auftrag unseres Stifters, sein Vermächtnis zeitgemäß umzusetzen“, sagt Breka. Straub ergänzt: „Robert Bosch hat klugerweise in seinem Testament einige Themen explizit benannt, aber auch die Formulierung ‚und dergleichen‘ eingebracht. Das erlaubt uns, auf die spezifisch benannten Themen einzugehen, aber unter dem Begriff „dergleichen“ das zu tun, was Bosch auch reingeschrieben hat: Anpassung an die Zeit.“
So hatte Bosch, der 1942 verstarb, unter dem Ziel der Völkerversöhnung vornehmlich die Aussöhnung mit den europäischen Nachbarländern im Blick. Später ging es in diesem Themenbereich vor allem um Multilateralismus und die Globalisierung. Aktuell interpretiert die Stiftung die Völkerverständigung vor allem als die Bereitschaft, internationale Kooperationen einzugehen, um die großen, weltumspannenden Probleme anzugehen.
Prozess mit Eigendynamik
Auch wenn regelmäßiges Überdenken und Reflektieren des Stiftungswirkens zu den Managementaufgaben gehören: Mit so einem radikalen Umbruch hätte Breka nicht gerechnet, als sie 2017 den Strategieprozess anstieß. Er habe eine Eigendynamik entwickelt. „Das war ein sehr dynamischer Prozess: in der Geschwindigkeit und auch in der Konsequenz der Entscheidungen“, sagt sie.
Dabei hatte die Stiftung den Strategieprozess gründlich vorbereitet: Im Vorfeld sprachen Stiftungsvertreter mit über 80 Stiftungen weltweit über ihre Entwicklung. Neben externer Expertise habe man aber auch auf internes Wissen zurückgegriffen und versucht, den Mitarbeitern Einfluss auf den bevorstehenden Wandel zuzugestehen. Dieser Prozess sei „ergebnisoffen“ gewesen, betont Breka, die Stiftung habe bereichs- und teamübergreifend etwa Befragungen und Lernreisen durchgeführt und wissenschaftliche Studien zu Rate gezogen.
Im Herbst 2018 habe das Kuratorium dann entschieden, sich von vielen Themen zu verabschieden. „Ich hätte nicht gedacht, dass wir zu einer solch umfassenden Neuaufstellung bereit sein würden“, sagt Breka. Doch der deutliche Schnitt sei richtig gewesen: In der Völkerverständigung entschied die Stiftung, alle Projektförderungen zu beenden. Denn es sei leichter, alle Förderung in einem Bereich einzustellen als nur eine Teilmenge, findet sie: „So konnten wir uns fokussieren und auf die neuen Themen konzentrieren. Hätten wir einen Teil der Projekte beibehalten, wäre es zudem schwierig gewesen, dies zu begründen. Denn das waren sehr viele Partner, die betroffen waren in Programmen, die teilweise über 35 Jahre gelaufen sind. Wir haben viel investiert, um die Programme verantwortlich zu Ende zu bringen.“
Der Reformprozess im Fördergebiet Völkerverständigung, das heute im Förderbereich globale Fragen aufgegangen ist, weitete sich im weiteren Verlauf auch auf den Förderbereich Bildung aus. „Im Bereich Gesundheit ist der Prozess jetzt voll im Gange“, sagt Straub.
Mehr Partnerschaften für die Robert-Bosch-Stiftung
Auch an der Methodik hat sich einiges geändert. Zukünftig will die Stiftung vermehrt fördernd und weniger operativ tätig sein. „In vielen Fällen haben Organisationen vor Ort bessere Lösungsansätze für Herausforderungen als wir“, erklärt Breka den Ansatz. Für den Bereich Bildung führt Straub aus, dass die Stiftung als Plattform dienen wolle, herausragende Pilotprojekte bekannter zu machen. Die Umsetzung selbst sei aber Aufgabe der jeweiligen Schule. Die Stiftung könne unterstützen, beraten, planen und vernetzen. Sie nehme damit eine Rolle ein, die sich weder klassisch als operativ noch als fördernd beschreiben lasse. „Das ist nicht schwarz und weiß oder eins und null.“ Dass die Stiftung es sich damit keineswegs leicht macht, weiß Breka: „Fremdförderung und Partnerschaften erfordern außerordentliche Expertise im Haus.“
Dort, wo es möglich ist, sollen Themen außerdem verknüpft werden. Die Geschäftsführer sprechen von Nexus, von Verbindungen oder Wechselwirkungen. So lassen sich beispielsweise die globalen Fragen in Schulprojekten einbringen.
20 Prozent weniger Stellen
Eine Veränderung der Themen bedingt auch eine andere Organisationsstruktur. 2019 hat die Geschäftsführung die Teams neu zusammengesetzt, die Führungskräfte erfuhren als Letzte, welchen Teams sie zukünftig angehören. „Betrachtet man das Verhältnis Mitarbeitendenzahl zu Fördervolumen, so sind wir eine zu große Stiftung“, sagt Breka. „Wir sind auch eine Unternehmung. Wir sind angehalten, auf Wirtschaftlichkeit und Wirkung zu achten.“ Die Stiftung plant, 2022 die Anzahl der aktuell etwa 200 Vollzeitstellen um 20 Prozent zu reduzieren. Dies will die Geschäftsführung mit möglichst wenig Belastung für die Beschäftigten und womöglich über die übliche Fluktuation lösen.
Anderen Stiftungen, die Transformationsprozesse durchlaufen, rät Straub zu „Offenheit, Transparenz, die Gremien am Ball halten und strategisch großen Mut beweisen“. Schließlich sehe man im Stiftungsbereich einen Trend hin zu Fokussierung. „Wirkung und Fokussierung sind zwei Seiten einer Medaille“, findet Straub.
Die Robert-Bosch-Stiftung brauche jetzt Zeit, um die Strategie in die Praxis umzusetzen, die Förderung gemäß der Strategie aufzubauen und deren Wirksamkeit zu evaluieren. Positive Effekte sehe man heute schon. So hätten jüngere Mitarbeiter „trotz der Belastungen der Transformation neu Feuer gefangen“, sagt Breka. „Denn zum Beispiel Demokratie, Klimawandel, Ungleichheit – das sind ihre Themen.“ Zudem führt ein so umfassender Strategieprozess zu mehr Klarheit in Bezug auf die eigene Mission. Straub fasst den Stiftungszweck kompakt in einen Satz: „Unser Ziel ist es, in den Themen Gesundheit, Bildung und Globale Fragen einen relevanten Beitrag zu leisten und mit unseren Mitteln die größtmögliche Wirkung zu erreichen.“