Die Alfried-Krupp-von-Bohlen-und-Halbach-Stiftung hat angekündigt, die Erforschung der Stifterbiographie im Bezug auf den Nationalsozialismus weiter vorantreiben zu wollen. In einjähriger Vorarbeit ist im Auftrag der Krupp-Stiftung ein erster Einblick in die Quellenlage entstanden.

Die Alfried-Krupp-von-Bohlen-und-Halbach-Stiftung will die Haltung des namengebenden Stifters zum Nationalsozialismus aufarbeiten. Das ist die Empfehlung einer Expertenrunde zu einem Rechercheprojekt, das die Stiftung im Februar 2022 initiiert hat, so die Stiftung in einer Pressemitteilung. Das vom Marburger Historiker Prof. Eckart Conze geleitete Rechercheprojekt habe Quellen zutage gefördert, „die Aufschluss über die Haltung von Alfried Krupp zum Nationalsozialismus geben könnten. Diese sollen im Rahmen weiterer Forschung untersucht und ausgewertet werden und in einer Publikation münden“. Aspekte, die dabei näher beleuchtet werden sollen, seien unter anderem die Mitgliedschaften Alfried Krupps in NS-Organisationen ebenso wie die „Landsberghilfe“, ein informelles Unter­stützungsnetzwerk für Mithäftlinge Krupps im alliierten Kriegsverbrechergefängnis Landsberg, und der Themen­komplex „Zwangsarbeit“.

Fördermitglied in der SS, unklare Rolle bei Planungen in Auschwitz

Alfried Krupp von Bohlen und Halbach war der letzte Eigentümer des Unternehmens Krupp. Er wurde 1948 in den Nürnberger Prozessen wegen Verbrechen im Zusammenhang mit Zwangsarbeit zu zwölf Jahren Haft und zur Einziehung seines Vermögens verurteilt, allerdings 1951 begnadigt. Er war Fördermitglied der SS und trat 1938 in die NSDAP ein. Krupp habe nach seiner Entlassung aus dem Landsberger Gefängnis punktuell Kontakt zu ehemaligen Mit­häftlingen gehalten und sie teilweise finanziell, aber auch immateriell unter­stützt. Conze und Brüggemann haben laut Stiftung „über 200 Personen ausgemacht, die Unter­stüt­zungs­­­leistungen erhielten, darunter SS-Mitglieder, Ange­hörige der Gestapo, der Wehrmacht und NS-Funktionäre“. Beim noch nicht vollständig erforschten Themenkomplex Zwangsarbeiter geht es demnach „um die Frage der Beteiligung Alfried Krupps an den Planungen für eine Produktions­stätte in Auschwitz und den Einsatz von KZ-Zwangsarbeiter*innen, aber auch um die Erforschung der Informationen, über die er verfügte“.

„Tiefenbohrung“ verspricht neue Erkenntnisse

„Insgesamt zeigen sowohl die Archivrecherchen als auch die auf ihnen beruhenden ersten empirischen Befunde (‚Tiefenbohrungen‘), dass eine gründlichere und umfassendere Beschäftigung mit der Biographie Alfried Krupps nicht nur möglich ist, sondern dass eine solche Beschäftigung auch neue Erkenntnisse verspricht“, lautet das Fazit Conzes, dessen wissenschaftlicher Mitarbeiter Jens Brüggemann das Projekt bearbeitet hat. „Das bislang gezeichnete Bild einer blassen, wenig aktiven und politisch kaum fassbaren Unternehmerpersönlichkeit verliert schon im Lichte der vorliegenden Ergebnisse an Plausibilität. Das in der Zeit nach 1945 entstandene und zum Teil geformte Bild ist selbst ein Teil der Thematik, um die es in diesem Rechercheprojekt ging und um die es weiter gehen muss. Jede weitere Beschäftigung mit dem Thema ‚Alfried Krupp von Bohlen und Halbach und der Nationalsozialismus‘ muss diesen Aspekt integral in die Forschung einbeziehen.“

Keine Distanzierung

Im Nachgang zur Pressekonferenz widersprach die Krupp-Stiftung der Schlagzeile „Stiftung distanziert sich von Alfried Krupp“. Mit der Fortsetzung der Forschung „möchte sich die Stiftung der Person ihres Stifters annähern und nicht, wie im Rahmen einer Presseberichterstattung berichtet wurde, sich von ihm distanzieren. Die Stiftung möchte im Sinne ihrer Verantwortung durch die fortgesetzte Forschung das Bild ihres Stifters vervollständigen und dann – nachdem die wissenschaftliche Forschung abgeschlossen ist und zu einem Ergebnis gekommen ist – auf einer fundierten wissenschaftlichen Grundlage die Fragen zur Person und insbesondere zu seiner Haltung im Nationalsozialismus beantworten“. Volker Troche, Vorstandssprecher der Stiftung, hatte laut Deutscher Presse-Agentur eine Streichung des Namens aus der Stiftungsbezeichnung aktuell verneint, aber eingeräumt, dass „das Ganze auch kippen“ könnte. „Wenn unser Geschäft, wenn unser Auftrag der Gemeinnützigkeit gefährdet ist durch diesen Namen, muss man sich diese Frage in den Gremien stellen.“

Über die Krupp-Stiftung

Die 1967 gegründete Alfried-Krupp-von-Bohlen-und-Halbach-Stiftung ist eine gemeinnützige Stiftungen bürgerlichen Rechts. Sie basiert auf dem Familienvermögen der Familie Krupp und hält heute rund 21 Prozent der Aktien des Konzerns Thyssen-Krupp. Ihre Arbeit konzentriert sich auf die Themenbereiche Wissenschaft, Bildung, Gesundheitswesen, Sport und Kultur.

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