Der Rechtsstaatlichkeitsbericht der EU-Kommission sieht in Deutschland Nachholbedarf: Laut dem Papier fehlen immer noch genaue Regeln hinsichtlich der Steuerbefreiung gemeinnütziger Organisationen. Zudem sähen zivilgesellschaftliche Akteure sich vermehrt Bedrohungen durch politische Gegner ausgesetzt. 

Die EU-Kommission hat ihren vierten Bericht über die Rechtsstaatlichkeit der EU-Länder veröffentlicht. Der Bericht kritisiert, dass die deutsche Regierung noch keine konkreten Schritte unternommen hat, um genaue Regeln für die Steuerbefreiung von gemeinnützigen Organisationen festzulegen, wie es im Koalitionsvertrag versprochen wurde. Dies war bereits im Bericht des vergangenen Jahres empfohlen worden, so die Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung. 

Laut der Allianz würden sich 30.000 gemeinnützige Vereine aufgrund der Unsicherheit weniger in politische Prozesse einbringen. Sie befürchteten, ihre Gemeinnützigkeit zu verlieren. Die Allianz Rechtssicherheit beruft sich dabei auf eine Umfrage der „Zivilgesellschaft in Zahlen“, einer Tochtergesellschaft des Stifterverbands. Die Debatte beschäftigt den Sektor seit mehreren Jahren: So entzog etwa das Finanzamt 2014 der globalisierungskritischen NGO Attac die Gemeinnützigkeit, der Rechtsstreit endete mit dem Urteil des Bundesfinanzhofs 2021, der die Aberkennung bestätigte. Beobachter beklagen seither eine Zunahme von Tendenzen zur Selbstzensur auch bei Sport- oder Kulturvereinen. 

Verstärkte Bedrohungen durch politische Gegner

Der EU-Bericht sieht indes seit Januar 2022 einige Fortschritte für Organisationen, die sich gelegentlich politisch engagieren. Allerdings fehle es dennoch bei den Bestimmungen häufig an Klarheit. Zudem seien zivilgesellschaftliche Organisationen in diesem Zusammenhang verstärkt Bedrohungen und rechtlichen Schritten von politischen Gegnern ausgesetzt. Diese versuchten, sie von politischen Diskussionen auszuschließen, indem sie mit dem Entzug der Gemeinnützigkeit drohen. Der Bericht verweist auf Empfehlungen des Europarats, die klare und objektive Kriterien für jede Art von öffentlicher Unterstützung für nichtstaatliche Organisationen vorschlagen. Der Europarat, nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Rat, ist eine von der EU unabhängige, eigenständige Organisation, die die Förderung der Demokratie sowie der Schutz der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit in Europa zum Ziel hat. 

Die Rechtsstaatsberichte der EU-Kommission informieren über Veränderungen und die aktuelle Situation in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit in den EU-Mitgliedsländern. Jeweils ein separater Bericht beinhaltet Empfehlungen für jedes Land. Die Berichtsfelder umfassen den zivilgesellschaftlichen Raum, das Justizsystem, Maßnahmen gegen Korruption sowie die Vielfalt und Freiheit der Medien. 

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